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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ws 252/03 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Zulässigkeit und Bestimmtheit von Auflagen und Weisungen im Rahmen von Führungsaufsicht

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Bewährung, Auflagen, Weisungen; Bestimmtheit; Aufenthalt an bestimmten Orten

Normen: StGB 68 b, StGB 145 a

Beschluss: Strafsache
gegen B.S.
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern (hier: Sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Anordnung von Weisungen in Zusammenhang mit der Führungsaufsicht).

Auf die (sofortige) Beschwerde des Verurteilten vom 04. September 2003 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vom 21. August 2003 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17. 10. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten mit der Maßgabe verworfen, dass die Weisung zur Ziffer 5 des Beschlusses des Landgerichts Hagen vom 21. August 2003 lautet:

5. Er darf mit Kindern und Jugendlichen nicht verkehren, darf sie nicht beschäftigen, ausbilden oder beherbergen und hat Kinderspielplätze, Schulen und Schulhöfe, Jugendheime, Jugendtreffs, Kindergärten und Sportveranstaltungen von Jugendmannschaften nach Möglichkeit zu meiden.

Gründe:
Der Verurteilte ist durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 22. Juli 1997 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 215 Fällen, davon in 16 Fällen in Tateinheit mit sexueller Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. Diese Strafe hat der Verurteilte inzwischen vollständig verbüßt. Die Strafvollstreckungskammer hat im angefochtenen Beschluss gegen den Verurteilten gemäß § 68 f Abs. 1 StGB Führungsaufsicht angeordnet. Sie hat dem Verurteilten für die Dauer der Führungsaufsicht folgende Weisungen erteilt:

„1. Er hat sich unverzüglich nach seiner Entlassung bei der für ihn zuständigen Führungsaufsichtsstelle des Landgerichts Bochum zu melden und dort seine Wohnanschrift anzugeben.

2. Er wird der Aufsicht und Leitung des für seinen Wohnort Bochum zuständigen hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt.

3. Er hat zur Führungsaufsichtsstelle und zum Bewährungshelfer nach deren Anweisung Kontakt zu halten, muss sich jedoch mindestens einmal monatlich beim Bewährungshelfer in dessen Dienststelle zu dessen Sprechzeiten persönlich melden.

4. Er darf seine Wohnung nicht ohne Zustimmung des Bewährungshelfers aufgeben.

5. Er darf mit Kindern und Jugendlichen nicht verkehren, darf sie nicht beschäftigen, ausbilden oder beherbergen und hat von Kindern und Jugendlichen frequentierte Örtlichkeiten nach Möglichkeit zu meiden.“

Dagegen richtet sich die (sofortige) Beschwerde des Verurteilten, die er in der Beschwerdebegründung auf die Weisungen zur Ziffer 3, 4 und 5 beschränkt hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen. Sie hat ihren Antrag wie folgt begründet:

„Die Eingabe des Verurteilten ist als Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 StPO anzusehen und als solche statthaft und zulässig.

Der Beschwerdebegründung ist zu entnehmen, dass sich der Verurteilte ausschließlich gegen die in dem angefochtenen Beschluss gemäß § 68 b StGB erteilten Weisungen wendet. Er macht geltend, die Weisungen Nummern 3 und 4 seien unverhältnismäßig, die Weisungen Nummern 3 und 5 zu unbestimmt. Gegen die Weisung zu Nummer 5 wendet er sich nur insoweit, als er danach von Kindern und Jugendlichen frequentierte Örtlichkeiten nach Möglichkeit zu meiden hat.

Zwar hat der Verurteilte sein Rechtsmittel ausdrücklich als „sofortige Beschwerde" bezeichnet, statthaft ist nach § 453 Abs. 2 S. 1 StPO jedoch nur die (einfache) Beschwerde, da keiner der in § 453 Abs. 2 S. 3 StPO aufgeführten Fälle vorliegt, in denen die sofortige Beschwerde zulässig ist. Gemäß § 300 StPO ist aber der Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels unschädlich.

Gemäß § 306 Abs. 2 StPO hätte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Hagen vor der Vorlage an den Senat zunächst über die Frage der Abhilfe entscheiden müssen. Da sie die Eingabe des Verurteilten ausweislich der Vorlageverfügung vom 05.09.2003 (BI. 375 Bd. II VH) jedoch als sofortige Beschwerde anstatt als Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO angesehen hat, ist eine Abhilfeentscheidung unterblieben. Fehlt eine Äußerung des Erstrichters zur Abhilfe, hat das Beschwerdegericht, für dessen Entscheidung das Abhilfeverfahren keine Voraussetzung darstellt, unter Berücksichtigung seiner Pflicht zur schnellen und wirtschaftlichen Erledigung der Beschwerde nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu befinden, ob es selbst entscheiden oder dem Erstgericht Gelegenheit geben will, eine unterbliebene Entscheidung über die Abhilfe nachzuholen (zu vgl. Senatsbeschluss vom 18.12.2002 - 2 Ws 457/02 - m.w.N.). Eine eigene sofortige Entscheidung des Beschwerdegerichts ist danach jedenfalls geboten, wenn die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist, d.h. für jeden Rechtskundigen ohne längere Prüfung erkennbar ist, dass das Beschwerdevorbringen das Rechtsmittel nicht zu begründen vermag (zu vgl. Senatsbeschluss vom 18.12.2002, a.a.O.).

So liegt es hier.

Die Beschwerde gegen die Weisungen in dem Beschluss über den Eintritt der Führungsaufsicht kann gemäß §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 2 StPO nur darauf gestützt werden, dass die getroffenen Anordnungen gesetzwidrig seien. Die von der Strafvollstreckungskammer Hagen getroffenen Anordnungen werden jedoch sämtlich von den gesetzlichen Regelungen in §§ 68 a, 68 b StGB gedeckt.

Insbesondere ist es nach § 68 b Abs. 2 StGB zulässig, den Verurteilten anzuweisen, sich in bestimmten zeitlichen Abständen persönlich in der Dienststelle des Bewährungshelfers einzufinden (zu vgl. OLG Stuttgart, NStZ 90, 249; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Auflg., Rdn. 9 zu § 68 b).

Ebenfalls ist es im Rahmen des § 68 b Abs. 2 StGB zulässig, den Verurteilten anzuweisen, die Wohnung nicht ohne Zustimmung des Bewährungshelfers zu wechseln (zu vgl. Tröndle/Fischer, a.a.O., Rdn. 13 zu § 68 b i.V.m. Rdn. 6 zu § 56 c). Diese Weisung stellt an die Lebensführung des Verurteilten keine unzumutbaren Anforderungen, sondern dient ausschließlich dazu, diesen von unüberlegtem Handeln abzuhalten und ihn zu veranlassen, Vor- und Nachteile seines Handelns mit dem Bewährungshelfer gemeinsam abzuwägen (zu vgl. OLG Hamm, NStZ 85, 310, 311 m.w.N.).

Schließlich ist die dem Verurteilten erteilte Weisung, von Kindern und Jugendlichen frequentierte Örtlichkeiten nach Möglichkeit zu meiden, zwar mangels genauer Bezeichnung der Orte, an denen er sich nicht aufhalten darf, nicht von § 68 b Abs. 1 Nr. 2 StGB, jedoch von § 68 b Abs. 2 StGB gedeckt. Die Verhältnismäßigkeit dieser Weisung wird dadurch gewahrt, dass dem Verurteilten der Aufenthalt an solchen Orten nicht schlechthin, sondern nur im Rahmen des Möglichen verboten wird und dass diese Weisung nicht unter dem Schutz des § 145 a StGB steht, ihre Verletzung daher nicht strafbewehrt ist.“

Diesen Ausführungen tritt der Senat im Wesentlichen bei.

Der Senat ist allerdings hinsichtlich der Weisung zu Ziffer 5 des angefochtenen Beschlusses anderer Auffassung als die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsbegründung. Zutreffend ist insoweit zwar die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft, dass die Weisung nicht durch § 68 b Abs. 1 Nr. 2 StGB gedeckt ist. Sie ist - insoweit entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft - aber in der von der Strafvollstreckungskammer gewählten Fassung auch nicht von § 68 b Abs. 2 StGB gedeckt, da sie, was den Aufenthalt an „von Kindern und Jugendlichen frequentierten Örtlichkeiten„ angeht, zu unbestimmt ist. Die Weisung erfasst in der von der Strafvollstreckungskammer gewählten (weiten) Fassung nämlich ohne jede Einschränkung jede von Jugendlichen und Kindern besuchte Örtlichkeit, also z.B. auch Kinos, Eisdielen, Diskotheken u.a. So weitgehend kann die Weisung aber, wenn sie nicht gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot des Art. 19 GG verstoßen soll, nicht gefasst werden. Sie wäre in der von der Strafvollstreckungskammer gewählten Fassung auch kaum gerichtlich zu überwachen, da ggf. Streit in der Frage entstehen könnte, ob es sich bei einer bestimmten Örtlichkeit um eine „von Kindern und Jugendlichen frequentierte“ handelt. Deshalb hat der Senat die Weisung konkreter gefasst und auf „Kinderspielplätze, Schulen und Schulhöfe, Jugendheime, Jugendtreffs, Kindergärten und Sportveranstaltungen von Jugendmannschaften“ beschränkt. Die Örtlichkeit „Sportveranstaltungen von Jugendmannschaften“ in den Katalog der zu meidenden Örtlichkeiten mitaufzunehmen, erscheint insbesondere deshalb sachgerecht, weil nach den Feststellungen des Urteils des Landgerichts Bochum vom 22. Juli 1997 der Verurteilte seine Opfer gerade in diesem Bereich ausgespäht und angesprochen hat.

Da die angefochtene Entscheidung im Übrigen nicht zu beanstanden war, war die Beschwerde mit der ausgesprochenen Maßgabe zu verwerfen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1, 4 StPO. Der Erfolg des Verurteilten war so gering, dass er kostenmäßig nicht zu berücksichtigen war.


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