Aktenzeichen: 1 VAs 46/03 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 BtmG
Senat: 1
Gegenstand: Justizverwaltungssache
Stichworte:
Normen: BtMG 35
Beschluss: Justizverwaltungssache
betreffend A.K.
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justizbehörden, (hier: Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG).
Auf den Antrag des Betroffenen vom 30. Juli 2003 auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft Kleve vom 4. Juni 2003 in der Form des Beschwerdeentscheides der Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf vom 9. Juli 2003 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28. 10. 2003 durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Der Antrag wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.
Der Geschäftswert wird auf 2.500,00 festgesetzt.
Gründe:
Der Betroffene wurde am 27. Juli 1998 in dem Verfahren 13 VRs 132/98 StA Kleve von dem Landgericht Kleve wegen räuberischer Erpressung und anderer Delikte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Außerdem wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Eine Restfreiheitsstrafe von 395 Tagen ist noch zu verbüßen.
Darüber hinaus wurde der Betroffene am 28. Januar 2002 vom Landgericht Kleve in dem Verfahren 703 VRs 18/02 StA Kleve wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 34 Fällen, wegen Beleidigung, wegen gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung in drei weiteren Fällen sowie wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Im Februar 2004 wird der Betroffene 2/3 dieser Strafe verbüßt haben.
Der Betroffene hatte beantragt, die weitere Vollstreckung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafen gemäß § 35 BtMG zurückzustellen. Die Auswärtige Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers hat mit Beschluss vom 28. Mai 2003 der Zurückstellung nicht zugestimmt und dabei auf die Gründe des Urteils vom 28. Januar 2002 wie folgt Bezug genommen:
Die Kammer hat keine Hinweise darauf gewonnen, daß der Angeklagte eine Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln unter akutem Alkohol- oder Heroineinfluß begangen hätte. Den einschlägig erfahrenen Zeugen S. und H. wäre zur Überzeugung der Kammer mit Sicherheit aufgefallen, wenn der Angeklagte etwa dann, als er ihnen jeweils das Heroin zum Weiterverkauf übergab, erheblich angetrunken gewesen wäre oder unter dem Einfluß von Heroin gestanden hätte. Zudem hat auch der Angeklagte selbst angegeben, nach seiner letzten Haftentlassung allenfalls gelegentlich Heroin konsumiert zu haben, was auch die Zeugen A., bei dem der Angeklagte eine Zeitlang wohnte, H. und S. bestätigt haben.
Es ist des weiteren auszuschließen, daß der Angeklagte unter dem Einfluß von oder aus Furcht vor Entzugserscheinungen die festgestellten Taten begangen hat. Zum einen war er nach seiner eigenen Einlassung zur Tatzeit nicht drauf. Zum anderen wäre auch dies den Zeugen A., H. und S. mit Sicherheit aufgefallen.
Auch ansonsten steht nicht fest, dass die im Urteil vom 28.01.2002 abgeurteilten Taten primär ihre Ursache in einer zu den Tatzeiten bestehenden Betäubungsmittelabhängigkeit gehabt hätten.
Die Staatsanwaltschaft Kleve hat daraufhin den Antrag des Betroffenen ablehnend beschieden.
Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen blieb erfolglos. Der Generalstaatsanwalt in Düsseldorf hat mit Bescheid vom 9. Juli 2003 u.a. Folgendes aus-
geführt:
Voraussetzung für die Zurückstellung der Strafvollstreckung nach § 35 Abs. 1 BtMG ist u.a., dass sich aus den Urteilsgründen ergibt oder sonst feststeht, dass die zu Grunde liegenden Taten aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden sind. Es muss ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen Taten und Abhängigkeit bestehen, dass heißt die Taten müssen aus der Sucht erwachsen (zu vgl. Weber, BtMG, § 35 Rdnr. 33 m.w.N.; Körner in Handbuch des Betäubungsmittelstrafrechts, § 18 Rdnr. 21). Dies ist, wie die auswärtige große Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers in ihrem Urteil vom 28. Januar 2002 festgestellt hat (zu vgl. UA S. 46 ff.), nicht der Fall. Nach den Feststellungen der Kammer hat Ihr Mandant zu den Tatzeiten allenfalls gelegentlich Heroin und im Übrigen Alkohol konsumiert.
In welcher Weise die Polytoxikomanie den Entschluss zur Durchführung der Taten oder das eigentliche Tatgeschehen beeinflusst hat, wird auch aus der Beschwerde Ihres Mandanten nicht ersichtlich.
Da die auswärtige Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers als Gericht des ersten Rechtszugs in den Verfahren 13 Js 1231/97 = 13 VRs 132/98 und 13 Js 501/01 = 703 VRs 18/02 durch Beschluss vom 28. Mai 2003 (KLs 703 VRs 18/02 (19/01)) einer Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG nicht zugestimmt hat, sind im Übrigen bereits die formellen Voraussetzungen des § 35 BtMG nicht erfüllt.
Die Beschwerde weise ich daher zurück.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der zulässige Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG. Zu dessen Begründung trägt er vor, dass sich aus den Urteilsgründen eindeutig ergebe, dass er die dieser Verurteilung zugrunde liegenden Straftaten aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit" begangen habe. Es bestehe auch ein unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen Tat und Abhängigkeit, denn die Taten seien aus der Sucht erwachsen. In seinem Fall sei durch die Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf nicht korrekt ermittelt und nicht sorgfältig recherchiert worden. Seine Drogenabhängigkeit stehe fest und es liege bei ihm eine erhebliche Suchtproblematik vor, so dass alle Straftaten im Zusammenhang mit seiner Abhängigkeit zu sehen seien.
Der Antrag des Betroffenen bleibt erfolglos. Nachdem die Auswärtige Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers die für die Zurückstellung erforderliche Zustimmung verweigert hatte, hat die Staatsanwaltschaft Kleve demzufolge daraufhin den Antrag des Betroffenen auf Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 Abs. 1 BtMG abgelehnt, weil es an einer gesetzlichen Voraussetzung hierfür fehlte. Die Verweigerung der Zustimmung durch das Landgericht Kleve ist auch zu Recht erfolgt.
Denn gemäß § 35 Abs. 1 BtMG kann die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, deren Mindestverbüßungsdauer zwei Jahre nicht überschreitet, nur dann zum Zwecke einer Therapie zurückgestellt werden, wenn sich aus den Urteilsgründen ergibt oder sonst feststeht, dass die Tat aufgrund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden ist.
Diese Formulierung des Gesetzgebers lässt erkennen, dass die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde bei ihrer Entscheidung, ob die Strafvollstreckung zurückgestellt werden soll, nicht an die Feststellungen des Urteils über das Vorliegen einer Betäubungsmittelabhängigkeit gebunden ist. Die dahingehenden Feststellungen sind indes nicht bedeutungslos. Sie können ein sehr hohes Gewicht haben mit der Folge, dass im Vollstreckungsverfahren eine abweichende Feststellung nicht in Betracht kommt (zu vgl. Körner, BtMG, § 35 Rn. 43). Eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gemäß § 35 BtMG kommt danach nicht in Betracht, wenn es offensichtlich trotz eines erheblichen Konsums von Betäubungsmitteln an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Betäubungsmittelabhängigkeit und der jeweiligen Straftat fehlt. Ein solcher Zusammenhang ist vielmehr nur dann gegeben, wenn die Betäubungsmittelabhängigkeit nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass die Straftat als Folge entfiele. Eine Zurückstellung gemäß § 35 BtMG kann deshalb nicht für sämtliche Straftaten von Drogenkonsumenten in Betracht kommen, wenn diese Taten nur anlässlich, nicht aber aufgrund der Betäubungsmittelabhängigkeit be-
gangen wurden (vgl. Senatsbeschluss vom 15. April 1999 - 1 VAs 9/99 - m.w.N.).
In dem Urteil der auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Kleve in Moers vom 28. Januar 2002 ist zwar auch vermerkt, dass der Betroffene wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, jedoch auch wegen mehrfacher Körperverletzung und versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung verurteilt wurde. Das Landgericht hat sich aber mit der Frage, ob der Konsum von Betäubungsmitteln ursächlich für die Tatbegehung war, ausführlich auseinandergesetzt und dies im Ergebnis verneint. Das weitere Vorbringen des Betroffenen, das sich darin erschöpft, er sei bereits zum damaligen Zeitpunkt betäubungsmittelabhängig gewesen, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil sich aus der Abhängigkeit als solcher nicht schon ergibt, dass diese auch ursächlich für die Tat war, die zur Verurteilung in dem vorliegenden Verfahren führte.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung bleibt damit erfolglos.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO.
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