Aktenzeichen: 2 Ss OWi
647/03
Leitsatz: Die Zustellung des
Bußgeldbescheides an den bevollmächtigten Rechtsanwalt, dem nur eine
außergerichtliche Vollmacht ohne Zustellungsvollmacht erteilt ist,
unterbricht nicht die Verfolgungsverjährung.
Senat:
2
Gegenstand: Rechtsbeschwerde
Stichworte: Verjährungsunterbrechung; Zustellung;
Verteidigervollmacht; außergerichtliche Vollmacht;
Normen: OWiG 33; StPO 145 a
Beschluss: Bußgeldsache
gegen. M.S.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit (fahrlässige
Geschwindigkeitsüberschreitung).
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 10. Juli 2003 gegen das Urteil des Amtsgerichts Iserlohn vom 07. Juli 2003 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 11. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 6 OWiG beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird auf Kosten der Landeskasse, die auch
die der Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat,
aufgehoben.
Das Verfahren wird eingestellt.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Iserlohn hat
die Betroffene durch das angefochtene Urteil wegen fahrlässiger
Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer
Geldbuße in Höhe von 100,00 verurteilt sowie ein Fahrverbot
von einem Monat unter Beachtung der Vorschrift des § 25 Abs. 2 a StVG
verhängt.
Der Betroffenen wird zur Last gelegt, am 14. November 2002 gegen
11.46 Uhr in Iserlohn auf der Straße Im Wiesengrund in Fahrtrichtung
Westfalenstraße mit dem von ihr geführten Pkw die dort durch
entsprechendes Verkehrszeichen festgesetzte Höchstgeschwindigkeit von 30
km/h um 33 km/h überschritten zu haben. Die Geschwindigkeit des Fahrzeugs
der Betroffenen wurde mittels eines Radargerätes der Marke Multanova VR 6
F gemessen.
Die Stadt Iserlohn hat gegen die Betroffene unter dem 06.
Dezember 2002 durch Übersendung eines Anhörungsbogens ein
Bußgeldverfahren eingeleitet.
Der Bußgeldbescheid vom 05.
März 2003 ist sodann nicht der Betroffenen selbst, sondern ihren
Rechtanwälten zugestellt worden, denen die Betroffene folgende Vollmacht
erteilt hatte:
Außergerichtliche Vollmacht (es folgen die Namen
der Rechtsanwälte)
wird hiermit Vollmacht zu meiner
außergerichtlichen Vertretung erteilt
in der Angelegenheit
Bußgeldsache M.S.
gegen
wegen Ereignis vom 14.11.2002
und
etwaige weitere Beteiligte. Die Vollmacht ermächtigt insbesondere
1.
zu außergerichtlichen Verhandlungen aller Art, zum Abschluss eines
Vergleichs zur Vermeidung eines Rechtsstreits; 2. in Unfallsachen zur
Geltendmachung von Ansprüchen gegen Schädiger, Fahrzeughalter und
deren Versicherer;
3. zur Entgegennahme von Zahlungen, Wertsachen und
Urkunden;
4. zur Stellung von Strafanträgen sowie zu deren
Rücknahme, zur Vertretung als Nebenkläger in einem Strafverfahren; 5.
zur Akteneinsicht;
6. zur Begründung und Aufhebung von
Vertragsverhältnissen, zur Abgabe und Entgegennahme von einseitigen
Willenserklärungen (z. B. Kündigungen) in Zusammenhang mit der oben
unter wegen . genannten Angelegenheit.
Schwelm, den 18. 12.
2002 M S.-L.
Nach rechtzeitiger Einspruchseinlegung hat das Amtsgericht Iserlohn die Betroffene durch das angefochtene Urteil verurteilt.
Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Verfahren unter Aufhebung des angefochtenen Urteils gemäß § 206 a StPO einzustellen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch
in der Sache Erfolg.
Die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Prozessvoraussetzungen führt dazu, dass das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, § 206 a StPO einzustellen ist. Wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 14. November 2003 zutreffend ausgeführt hat, kann die der Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit wegen zwischenzeitlich eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr geahndet werden.
Die Verjährungsfrist beträgt bei einem Verstoß
gegen die StVO nach §§ 24, 26 Abs. 3 StVG grundsätzlich drei
Monate, beginnend mit dem Vorfallstag, es sei denn, der Lauf der
Verjährungsfrist ist durch eine der in § 33 OWiG genannten
Maßnahmen unterbrochen worden. Vorliegend ist die dreimonatige
Verjährungsfrist zwar gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG durch
den der Betroffenen übersandten Anhörungsbogen vom 06. Dezember 2002
unterbrochen worden; da eine weitere Unterbrechung der Verjährungsfrist
aber nicht stattgefunden hat, endete diese am 06. März 2003. Der weitere
Lauf der Verjährungsfrist ist in der Folgezeit auch nicht gemäß
§ 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG durch den Erlass des Bußgeldbescheides
unterbrochen worden, denn dieser ist nicht innerhalb von zwei Wochen nach
Erlass wirksam zugestellt worden.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu
in ihrer Stellungnahme vom 14. November 2003 Folgendes ausgeführt:
Die von der Verwaltungsbehörde am 06.03.2003 (Bl. 19 d.A.)
bewirkte Zustellung an die Rechtsanwälte der Betroffenen erweist sich als
unwirksam. Gemäß § 51 Abs. 3 OWiG gilt der gewählte
Verteidiger, dessen Vollmacht sich bei den Akten befindet, als ermächtigt,
Zustellungen in Empfang zu nehmen. Bei der von dem Rechtsanwalt der Betroffenen
zu den Akten gereichten Vollmacht handelt es sich jedoch ausdrücklich
nicht um eine Verteidigervollmacht, sondern um eine außergerichtliche
Vollmacht, die weder zur Entgegennahme von Zustellungen noch zur Vertretung im
Ordnungswidrigkeitenverfahren ermächtigt. Zwar ist die Vollmacht nicht an
eine besondere Form gebunden, sie muss jedoch eindeutig sein (zu vgl. KK-Lampe,
OWiG, 2. Aufl., § 51 Rdnr. 85). Gem. § 8 Abs. 1 S. 1 VwZG kann zwar
auch an einen Vertreter des Betroffenen ein Bescheid zugestellt werden. Auch
dabei ist allerdings der Umfang der Vollmacht zu berücksichtigen (zu vgl.
Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 51 Rdnr. 42). Die Entgegennahme von
Zustellungen war jedoch gerade nicht von der Vollmacht erfasst, so dass die
Verwaltungsbehörde den Bußgeldbescheid nicht, wie geschehen, an die
Anwaltskanzlei Hoffmann und Partner, sondern an die Betroffene hätte
zustellen müssen.
Somit war mangels wirksamer Zustellung des Bußgeldbescheides die Ordnungswidrigkeit spätestens am 06.03.2003 verjährt. Weitere verjährungsunterbrechende Maßnahmen sind nicht ersichtlich, so dass das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren wegen des Vorliegens eines Prozesshindernisses einzustellen ist.
Dass das angefochtene Urteil aus den oben genannten Gründen der Betroffenen bisher nicht ordnungsgemäß zugestellt worden ist, weil sich eine Zustellungsvollmacht des Verteidigers nicht bei den Akten befindet und auch eine Zustellung an die Betroffene persönlich nicht erfolgt ist, hindert eine Senatsentscheidung wegen des Eintritts der Verfolgungsverjährung nicht.
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigenständiger Prüfung und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46
Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO.
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