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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ss 543/03 OLG Hamm

Leitsatz:

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Verstoß gegen BtM-Gesetz; Strafzumessung; kurzfristige Freiheitsstrafe; unerlässlich

Normen: StGB 47, StGB 46 BtMG 29

Beschluss: Strafsache
gegen M.I.
wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der IX. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 28.05.2003 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06. 11. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 17.02.2003 wegen unerlaubten Erwerbs von Heroin zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten, die wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden ist, hat das Landgericht Essen mit dem angefochtenen Urteil verworfen.

Die Strafkammer ist von folgenden, durch das Amtsgericht getroffenen Feststellungen ausgegangen:

Am 18.09.2002 gegen 19.00 Uhr konnte anläßlich einer Personenkontrolle auf der Gungstraße in Bottrop bei dem Angeklagten ein Pack Heroin (0,2 g) sicher gestellt werden, welches er zuvor am Essener Hauptbahnhof von einer unbekannten Person für 20,00 Euro gekauft hatte.“

Ergänzend zum Tatgeschehen hat die Kammer festgestellt, dass das von dem Angeklagten erworbene Heroin von schlechter Qualität war und lediglich einen Wirkstoffgehalt von 5 % hatte.

Die gegen den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG verhängte Freiheitsstrafe von drei Monaten hat die Strafkammer wie folgt begründet:

„Bei der Strafzumessung hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten sein Geständnis sowie die Tatsache berücksichtigt, dass das Heroin lediglich einen Wirkstoffgehalt von 0,01 g hatte. Es handelte sich damit um eine sehr kleine Menge, die lediglich für den Eigenkonsum gedacht war.

Auf der anderen Seite fiel strafschärfend ins Gewicht, dass der Angeklagte mit Heroin eine der gefährlichsten Drogen erworben hat, die ein hohes Suchtpotential aufweist. Zu Lasten des Angeklagten waren zudem seine einschlägigen Vorstrafen zu werten. Die am 10.12.1998 gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe von 1 Jahr war erst am 13.02.2002 erlassen worden. Wegen der am 25.01.2000 gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten stand er zum Zeitpunkt der Tatbegehung noch unter laufender Bewährung.

In Anbetracht der erheblichen Freiheitsstrafen, die in der Vergangenheit gegen den Angeklagten verhängt worden sind und die ihn nicht davon abgehalten haben wieder straffällig zu werden, kam im vorliegenden Fall die Verhängung einer Geldstrafe nicht mehr in Betracht. Auch unter Berücksichtigung von § 47 StGB erschien der Kammer die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe geboten. Diese ist mit 3 Monaten tat- und schuldangemessen.“

Nach den weiteren Feststellungen des Landgerichts erfolgte die Verurteilung des Angeklagten vom 10.02.1998 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Heroin in 15 Fällen und die weitere Verurteilung vom 25.01.2000 wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Heroin in vier Fällen, davon in zwei Fällen in nicht geringen Mengen.

Zur Person des Angeklagten wird in den Urteilsgründen u.a. ausgeführt, dass er seit vielen Jahren drogenabhängig ist und seit 1992 Heroin raucht. Eine stationäre Therapie hat er noch nie durchgeführt und war dazu bisher auch freiwillig nicht bereit gewesen. Alle zwei Wochen sucht er die Drogenberatungsstelle in der Jugendhilfe Bottrop e.V. auf. Seit zwei bis drei Jahren wird er mit Methadon substituiert. Während dieser Zeit ist es immer wieder zu Rückfällen gekommen. Wie der Angeklagte selbst eingeräumt hat, kam es zu Rückfällen, sobald er ohne Arbeit ist. Er ist seit längerer Zeit arbeitslos und hat keine sichere Aussicht auf eine Arbeitsstelle.

Gegen das vorgenannte Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der eine Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

II.
Die Revision ist zulässig und hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Essen.

Allerdings greift der Einwand der Revision, das Landgericht habe es rechtsfehlerhaft unterlassen, sich mit der Möglichkeit des Absehens von Strafe gemäß § 29 Abs. 5 BtMG zu befassen, nicht durch.

Die Vorschrift des § 29 Abs. 5 BtMG soll in erster Linie dem Ersttäter zugute kommen. Nur in Ausnahmefällen kommt eine Anwendung dieser Vorschrift auf Dauerkonsumenten, Wiederholungstäter oder einschlägig vorbestrafte Täter in Betracht. So erscheint etwa ein Absehen von Strafe angebracht, wenn der Dauerkonsument seine Drogenkarriere bereits überwunden hat oder im Begriff ist, diese erfolgreich abzuschließen und die entdeckte Tat als einmaliger Rückfall erscheint. Bei einem Wiederholungstäter oder einem vorbestraften Täter setzt ein ausnahmsweises Absehen von Strafe gemäß § 29 Abs. 5 BtMG voraus, dass eine staatliche Intervention durch Strafe entbehrlich erscheint (vgl. Körner, BtMG, 5. Aufl., § 29 Randziffer 1653 und 1674 ff., m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Wie sich aus den Urteilsfeststellungen ergibt, hat der Angeklagte seine Drogenabhängigkeit keineswegs überwunden. Angesichts der Tatsache, dass der Angeklagte die hier in Rede stehende Tat während einer laufenden Bewährungszeit begangen hat und nach den Urteilsfeststellungen offensichtlich eine ausreichende und ernsthafte Auseinandersetzung mit seinem Drogenproblem bisher nicht stattgefunden hat, kann eine Bestrafung desAngeklagten als Reaktion auf sein neuerliches Fehlverhalten auch nicht als ent-
behrlich angesehen werden.

Das angefochtene Urteil erweist sich jedoch aus einem anderen Grunde als rechtsfehlerhaft.

Gemäß § 46 Abs. 1 S. 2 StGB sind im Rahmen der Strafzumessung die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, zu berücksichtigen. Zu diesen „Wirkungen“, die die Auswirkungen der Bestrafung in weitem Sinn umfassen, gehört auch der drohende Widerruf einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe in einer anderen Sache (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 46 Randziffer 7).

Im vorliegenden Fall droht dem Angeklagten der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich der durch Urteil des Amtsgerichts Bottrop vom 25.01.2000 verhängten Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, falls er wegen der hier in Rede stehenden Tat zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt werden würde. Im Falle eines Widerrufs erwartete den Angeklagten letztlich eine Strafvollstreckung von eindreiviertel Jahr, und zwar letztlich aus Anlass einer Tat, die angesichts der geringen Menge Heroin - von einer solchen Menge ist bei einem Wirkstoffgehalt von 0,03 g Heroinhydrochlorid auszugehen, vgl. Körner, a.a.O., § 29 Randziffer 1659 -, die der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen nur zum Eigenverbrauch erworben hatte, als relativ geringfügig einzustufen ist. Diese Auswirkungen hätte die Strafkammer im Rahmen der Strafzumessungserwägungen erörtern und insbesondere auch bei der Prüfung der Frage, ob vorliegend gemäß § 47 Abs. 1 StGB die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Angeklagten unerlässlich ist, oder ob ggf. eine Geldstrafe als Reaktion auf das Fehlverhalten des Angeklagten noch als ausreichend angesehen werden kann, erörtern müssen.

Als rechtsfehlerhaft ist außerdem, wie die Revision zu Recht rügt, zu beanstanden, dass die Strafkammer strafschärfend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte mit Heroin eine der gefährlichsten Drogen erworben hat, die ein hohes Suchtpotential aufweist. Zwar stellen auch beim Erwerb die Art und Gefährlichkeit der Betäubungsmittel entscheidende Strafzumessungsgesichtspunkte dar. Die Gefährlichkeit einer Droge darf einem Angeklagten aber dann nicht strafschärfend angelastet werden, wenn er die Drogen nur zum Eigenverbrauch erworben hat, weil bei bestimmungsgemäßem Gebrauch nur eine straflose Selbstgefährdung des Täters herbeigeführt wird (vgl. Körner, a.a.O., § 29 Randziffer 1028; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 46 Randziffer 35, jeweils m.w.N.). Ein solcher Fall war hier gegeben, da nach den Urteilsfeststellungen das von dem Angeklagten erworbene Heroin lediglich für den Eigenkonsum gedacht war.


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