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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ws 204/98 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Haftbeschwerde, Untersuchungshaft, zu erwartender Widerruf in anderer Sache, Verhältnismäßigkeit, nahezu vollständige Verbüßung

Normen: StPO 112, StPO 120 Abs. 1

Beschluss: Strafsache gegen P. L.,
wegen Diebstahls
(hier: Haftbeschwerde).

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 18.3. 1998 gegen den Beschluß der V. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster (Westf.) vom 17.03.1998 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15.04.1998 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Der Haftbefehl des Amtsgerichts Münster vom 03.07.1997 - 23 Gs 1769/97 - in der Fassung des angefochtenen Beschlusses der V. kleinen Strafkammer des Landgerichts Münster (Westf.) vom 17.03.1998 wird bezüglich des Angeklagten L. aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse, die auch die dem Beschwerdeführer insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.

Gründe: I. Dem Angeklagten, der sich in vorliegender Sache seit dem 03.07.1997 in Untersuchungshaft befindet, ist mit dem zuvor näher bezeichneten Haftbefehl des Amtsgerichts Münster vom selben Tage zur Last gelegt worden, am 02.07.1997 mit zwei weiteren Mitbeschuldigten das Gelände des RATIO-Marktes in Münster aufgesucht zu haben, um Waren arbeitsteilig zu entwenden und diese anschließend zu dem Zweck abzusetzen, sich aus dem Erlös auch dieser Tat, bei der Gegenstände im Wert von ca. DM 630 gestohlen worden sein sollten, eine laufende Einnahmequelle zu verschaffen. Als Firmenangestellte sie ansprachen, sind die drei Beschuldigten mit einem Fahrzeug geflüchtet und später von der Polizei festgenommen worden.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Münster hat den Angeklagten am 27.11.1997 wegen gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Diebstahls für schuldig befunden und zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die von dem Angeklagten eingelegte Berufung hat die V. kleine Strafkammer des Landgerichts Münster (Westf.) am 17.03.1998 "mit der Maßgabe verworfen, daß die Verurteilung (des) Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Diebstahls entfällt und daß der Angeklagte ... X. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt wird". Gleichzeitig hat sie gemäß § 268 b StPO beschlossen, daß die Untersuchungshaft fortdauert. Mit Schriftsätzen vom 18.03.1998 hat der Angeklagte gegen das Urteil Revision und gegen den Haftfortdauerbeschluß Beschwerde eingelegt. Er macht geltend, daß die Haftfortdauer unverhältnismäßig und der Haftbefehl deshalb aufzuheben sei.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Haftbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II. Die gemäß §§ 117 Abs.2, 304 Abs.1 StPO statthafte Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Voraussetzungen der Fortdauer der Untersuchungshaft liegen nicht mehr vor, wenn auch die Gründe für die Anordnung der Untersuchungshaft (vgl. § 112 StPO) weiterhin gegeben sind.
Der dringende Tatverdacht bezüglich der dem Angeklagten im Haftbefehl zur Last gelegten Tat ergibt sich schon daraus, daß dieser durch das Amtsgericht - Schöffengericht - Münster deswegen verurteilt worden ist und die V. kleine Strafkammer des Landgerichts Münster (Westf.) seine Berufung im wesentlichen verworfen hat. Auch der vom Landgericht zutreffend angenommene Haftgrund der Fluchtgefahr (vgl. § 112 Abs.2 Nr.2 StPO) bedarf keiner näheren Erörterung, weil nach Auffassung des Senats der weitere Vollzug der Untersuchungshaft zum jetzigen Zeitpunkt zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht (vgl. § 120 Abs.1 StPO).
Von der noch nicht rechtskräftigen Freiheitsstrafe von einem Jahr hat der Angeklagte inzwischen mehr als neun Monate durch die Untersuchungshaft verbüßt; bei dem derzeitigen Verfahrensstand ist eine alsbaldige Entscheidung über die Revision des Angeklagten nicht zu erwarten. Selbst wenn davon ausgegangen wird, daß der Haftbefehl nicht deswegen aufgehoben werden muß, weil die Strafe demnächst durch Untersuchungshaft verbüßt sein wird (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, 43. Aufl. (1997), § 120 StPO Rdnr. 4 m.w.N.), liegen angesichts des Rechtsmittelserfolges, der zu einer Verurteilung wegen gemeinschaftlichen Diebstahls geführt hat, keine Umstände vor, die aus dem Gesichtspunkt der Bedeutung der Sache für die Rechtsgemeinschaft eine Haftfortdauer rechtfertigten. Solche ergeben sich auch nicht daraus, daß der Angeklagte wegen der jetzt erfolgten Verurteilung mit dem Widerruf der Aussetzung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Münster vom 23.05.1997 - 36 Ds 41 Js 82/97(AK 219/97) - zu rechnen hat. Dieser Gesichtspunkt mag für die Einschätzung der Fluchtgefahr bedeutsam sein. Bei der Abwägung, ob die weitere Untersuchungshaft zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis steht, kommt es indes nur auf die Tat, die Gegenstand des Haftbefehls ist, an(BGH StV 1988, 65; OLG Hamm JMBl. NW 1977, 258).
Da die Voraussetzungen für eine Haftfortdauer nicht mehr vorliegen, war der Haftbefehl aufzuheben (§ 120 Abs.1 StPO).Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 467, 473 StPO.


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