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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss 121/99 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Einer erschöpfenden Mitteilung der der Wertung des Tatrichters zugrunde gelegten Tatsachen und Feststellungen im Verwerfungsurteil bedarf es auch dann, wenn der Tatrichter Entschuldigungsvorbringen des Angeklagten als unglaubhaft bzw. vorgebrachte Umstände als nur vorgeschoben ansieht und deshalb die Berufung des im Berufungshauptverhandlungstermin ausgebliebenen Angeklagten gem. § 329 Abs. 1 StPO verwirft. 2. Eine Autopanne wird in der Regel als genügende Entschuldigung im Sinn von § 329 Abs. 1 StPO anzusehen sein. Der Angeklagte ist auch nicht verpflichtet, sich zu erkundigen, bis wann sein Erscheinen bei Gericht sinnvoll ist, um dann ggf. mit einem Taxi zu dem rund 80 km weit entfernten Gerichtsort zu fahren.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Aufhebung, Ausbleiben in der Berufungshauptverhandlung, Nichterscheinen, mehrmaliges Ausbleiben, Panne, Verdacht auf vorgeschobene Entschuldigung, Amtsaufklärung, Umfang der Darlegung, Verfahrensrüge, ergänzende Ausführungen im gleichzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrag, Wiedereinsetzung, Zweifel am Entschuldigungsvorbringen

Normen: StPO 329 Abs. 1, StPO 344 Abs. 2 Satz 2

Beschluss: Strafsache gegen Ch.H.,
wegen Betruges u.a.

Fundstelle: DAR 1999, 277[ Ls.]; VRS 97, 44

Auf die Revision des Angeklagten vom 25.11.1998 gegen das Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 20.11.1998 und auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 11.01.1999 gegen den Beschluß der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 22.12.1998 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26.02.1999 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen.
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten ist gegenstandslos.

Gründe: I. Der Angeklagte ist vom Amtsgericht Hagen durch Urteil vom 28.04.1998 wegen Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden. Hiergegen hat er form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
Das Landgericht hat daraufhin zunächst Termin zur Berufungshauptverhandlung auf den 02.09.1998 bestimmt. In der Hauptverhandlung ist der Angeklagte nicht erschienen. Dies hat sein Verteidiger in der Hauptverhandlung damit entschuldigt, daß der Angeklagte ihm mitgeteilt habe, daß er sich einer Operation unterziehen müsse und sich deshalb ins Krankenhaus begeben habe. Die Strafkammer hat die Hauptverhandlung vertagt und neuen Berufungshauptverhandlungstermin auf den 30.09.1998 bestimmt. In diesem Termin war der Angeklagte wiederum nicht erschienen. Sein Verteidiger, der schon mit Schriftsatz vom 28.09.1998 unter Beifügung eines ärztlichen Attestes um Terminsverlegung gebeten hatte, erklärte, daß der Angeklagte seinem Sozius mitgeteilt habe, daß er wieder im Krankenhaus liege. Die Strafkammer hat sich erneut vertagt.
Der Vorsitzende bestimmte dann neuen Berufungshauptverhandlungstermin auf den 20.11.1998, 10.00 Uhr. In der Ladung wurde der Angeklagte darauf hingewiesen, daß im Fall der erneuten Erkrankung zur ausreichenden Entschuldigung die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes erforderlich sei. Im Hauptverhandlungstermin erschien der Angeklagte wiederum nicht. Sein Verteidiger erklärte, der Angeklagte habe zwischen 9.20 Uhr und 9.30 Uhr angerufen und telefonisch mitgeteilt, daß er eine Autopanne habe. Sein Auto sei abgeschleppt worden. Er werde eine Bescheinigung des Abschleppunternehmens nachreichen.
Das Landgericht hat sodann die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Diese Entscheidung hat es u.a. wie folgt begründet:
"Die Mitteilung des Angeklagten, er habe eine Autopanne erlitten, vermag das Ausbleiben des Angeklagten nicht ausreichend zu entschuldigen. Die Kammer ist der Überzeugung, daß dieser Grund nur vorgeschoben ist.
Der Angeklagte hat bereits zweimal kurz vor der Durchführung der Berufungshauptverhandlung eine telefonische Entschuldigung mitgeteilt, die in der Hauptverhandlung nicht überprüfbar war. Seine nachträgliche Entschuldigung für sein Ausbleiben im Termin am 30.09.1998 entsprach nicht der Mitteilung, wie sie im Termin gemacht worden war. In der Hauptverhandlung war erklärt worden, daß der Angeklagte mitgeteilt habe, daß er wieder im Krankenhaus liege, während in dem nachträglich eingereichten Attest lediglich von einem Krankenhausaufenthalt bis zum 11.09.1998 die Rede ist und ärztlicherseits die Aufhebung des Termins vom 30.09.1998 nur mit der Begründung empfohlen werde, daß Aufregungen und Anstrengungen aufgrund des Gesundheitszustandes des Angeklagten vermieden werden sollten. Aufgrund dieser Umstände hat der Vorsitzende in der Ladungsverfügung zur Anberaumung des Hauptverhandlungstermins mitgeteilt, daß nur die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes das Ausbleiben des Angeklagten aus gesundheitlichen Gründen ausreichend entschuldigen werde. Angesichts dieses Verlaufs ist die Kammer der Überzeugung, daß der nunmehr durch nichts belegte und nicht überprüfbare Entschuldigungsgrund einer Autopanne nicht zutrifft, sondern, daß der Angeklagte durch erneutes Nichterscheinen das Verfahren lediglich verzögern will.
Selbst wenn tatsächlich eine Autopanne das pünktliche Erscheinen des Angeklagten verhindert haben sollte, so kann sein Ausbleiben nicht als ausreichend entschuldigt angesehen werden. Die Panne entbindet den Angeklagten nicht von der Verpflichtung den Gerichtsort auszusuchen und so schnell wie möglich bei Gericht zu erscheinen, insbesondere nachzufragen, bis wann sein Erscheinen noch sinnvoll ist. Er muß damit rechnen, daß das Gericht aufgrund der Mitteilung zuwartet bis der Angeklagte in angemessener Zeit erscheint. Er hätte damit andere Möglichkeiten, von seinem Wohnort zum Gerichtsort zu kommen, wahrnehmen müssen. Das hat er nicht getan. Er ist bis 11.15 Uhr, also deutlich mehr als eine Stunde nach Terminsbeginn nicht erschienen. Nach Angaben des Verteidigers ist die telefonische Mitteilung zwischen 20 Minuten nach 9 Uhr - 10.30 Uhr (muß heißen: 9.30 Uhr) erfolgt. In dieser Zeit hätte der Angeklagte ausreichend Gelegenheit gehabt, von seinem Wohnort Marl oder der Stelle der Autopanne zwischen Marl und Hagen - notfalls mit einem Taxi - nach Hagen zu kommen. Dies hat er nicht getan, so daß auch insoweit sein Ausbleiben auf seinem Verschulden beruht."
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision und seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Unter Vorlage der Bescheinigung eines Abschleppunternehmens macht er geltend, daß es ihm am Terminstag nicht gelungen sei, eine Transportmöglichkeit zu organisieren. Er habe deshalb mit der Bahn fahren müssen und sei beim Landgericht erst angekommen, als die Sitzung bereits beendet gewesen sei.
Den Wiedereinsetzungsantrag hat das Landgericht inzwischen durch Beschluß vom 22.12.1998 als unbegründet verworfen. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit der sofortigen Beschwerde.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision und die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II. Die Revision des Angeklagten hat - zumindest vorläufig - Erfolg, so daß das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen war.
1. Die Revision ist noch ausreichend begründet. Wird mit der Revision gegen eine gemäß § 329 Abs. 1 StPO ergangenes Verwerfungsurteil geltend gemacht, dieses gehe zu Unrecht davon aus, daß der Angeklagte nicht genügend entschuldigt gewesen sei, setzt die Überprüfung der vom Landgericht vorgenommenen Wertung die Erhebung einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensrüge voraus (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 43. Aufl., § 329 Rn. 48; siehe u.a. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung OLG Köln StV 1989, 53 mit weiteren Nachweisen). An die Zulässigkeit dieser Verfahrensrüge werden jedoch keine strengen Anforderungen gestellt (OLG Köln, a.a.O.). Ergibt sich aus dem Verwerfungsurteil, daß der Angeklagte Entschuldigungsgründe vorgebracht hat, ist es ausreichend, wenn ausgeführt wird, das Berufungsgericht habe das Ausbleiben des Angeklagten nicht als unentschuldigt ansehen zu dürfen.
Diese Rüge ist vorliegend zumindest in dem gleichzeitig mit der Revision (weiter) begründeten Wiedereinsetzungsantrag enthalten. Das ist ausreichend (OLG Köln, a.a.O.). Die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils brauchen nicht wiederholt zu werden. Das wäre reiner Formalismus (OLG Düsseldorf NStZ 1994, 331 = StV 1994, 148).
2. Die somit zulässig mit der Verfahrensrüge begründete Revision hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
a) Die Revision des Angeklagte hat schon deshalb Erfolg, weil die Begründung des angefochtenen Verwerfungsurteils aus Rechtsgründen zu beanstanden ist. Sie genügt nämlich nicht den von der Rechtsprechung an den notwendigen Inhalt eines gemäß § 329 Abs. 1 StPO ergangenen Verwerfungsurteils zu stellenden Anforderungen (vgl. dazu u.a. Beschluß des Senats vom 08.04.1998 in 2 Ss 394/98 = StraFo 1998, 233 = NStZ-RR 1998, 281; siehe dazu auch schon u.a. OLG Hamm NJW 1963, 65; KG StV 1987, 11; siehe auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 329 Rn. 33 mit weiteren Nachweisen). Nach der ständigen Rechtsprechung der Obergerichte, die der des erkennenden Senats entspricht, muß das nach § 329 Abs. 1 StPO ergangene Verwerfungsurteil so begründet sein, daß das Revisionsgericht die maßgebenden Erwägungen des Berufungsgerichts nachprüfen kann. Insbesondere müssen etwa vorgebrachte Entschuldigungsgründe und sonstige ggf. als Entschuldigung in Betracht kommende Tatsachen wiedergegeben und gewürdigt werden (OLG Hamm in 2 Ss 394/98; OLG Köln, a.a.O.). Das folgt schon daraus, daß das Revisionsgericht bei der Prüfung der Frage, ob das Berufungsgericht die in § 329 StPO enthaltenen Rechtsbegriffe verkannt hat, an die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Verwerfungsurteil gebunden ist. Es darf sie weder in Frage stellen noch im Freibeweisverfahren ergänzen (BGHSt 28, 384; KG, a.a.O.; OLG Köln, a.a.O.).
Das gilt nicht nur, wenn es um die Wertung bestimmter vorgebrachter Umstände als Entschuldigungsgrund geht, sondern auch, wenn das Landgericht das Vorbringen des Angeklagten als unglaubhaft bzw. vorgebrachte Umstände als nur vorgeschoben angesehen und deshalb eine genügende Entschuldigung des ausgebliebenen Berufungsführers verneint hat. Gerade in diesem Fall bedarf es einer erschöpfenden Mitteilung der der Wertung des Landgerichts zugrundegelegten Tatsachen und Feststellungen. Anderenfalls kann das Revisionsgericht nämlich nicht überprüfen, ob das Landgericht aufgrund des Vorbringens des Angeklagten und/oder aufgrund seiner eigenen Feststellungen zu Recht davon ausgegangen ist, daß die vom Antragsteller zur Entschuldigung seines Ausbleibens vorgetragenen Umstände nur vorgeschoben waren. Das bedeutet, daß, wenn wie vorliegend, aus früherem Verhalten eines Angeklagten, der bereits mehrfach nicht zur Hauptverhandlung erschienen ist, der Schluß gezogen werden soll, daß eine erneute Entschuldigung nur vorgeschoben ist, die früheren Entschuldigungen im einzelnen mitgeteilt werden müssen. Dazu gehört auch, daß das Landgericht darlegt, aufgrund welcher, ggf. von ihm festgestellter Umstände, es aus diesem früheren Vorbringen nun den Schluß ziehen will, daß das neue Entschuldigungsvorbringen nur vorgeschoben ist. Dieser Umstand bedarf deshalb so eingehender Darlegung, da anderenfalls für das Revisionsgericht weder nachvollziehbar noch überprüfbar ist, ob das Landgericht nun zu Recht davon überzeugt gewesen ist, daß das früher als ausreichend angesehene Entschuldigungsvorbringen jetzt Grundlage für eine andere, dem widersprechende Wertung sein kann. Wird die Begründung des Verwerfungsurteils diesen Anforderungen nicht gerecht und verbleiben insoweit Zweifel, liegt die Annahme nahe, daß auch das Landgericht nur Zweifel an der genügenden Entschuldigung des Angeklagten gehabt hat. Diese genügen aber ebenso wie der bloße Verdacht, der vorgebrachte Entschuldigungsgrund treffe nicht zu, für eine Verwerfung der Berufung nicht (OLG Köln, a.a.O.).
Das angefochten Urteil entspricht diesen Grundsätzen nicht. Konkrete tatsächliche Feststellungen dazu, warum die in der Vergangenheit vom Angeklagten vorgebrachten Entschuldigungsgründe nicht zutrafen, sind nicht mitgeteilt. Allein der Umstand, daß der Angeklagte "bereits zweimal kurz vor der Durchführung der Berufungshauptverhandlung eine telefonische Entschuldigung mitgeteilt (hat), die in der Hauptverhandlung nicht überprüfbar war", reicht nicht aus, wobei der Senat nicht übersieht, daß ein solcher zeitlicher Ablauf und ein solches Verhalten eines Angeklagten die Annahme, er wolle den Abschluß des Verfahrens verzögern, nahe legen kann. In diesem Zusammenhang hätte das Landgericht weitere Feststellungen treffen müssen. So hätte es z.B. feststellen/mitteilen müssen, welchen Inhalt das erste Entschuldigungsvorbringen des Angeklagten hatte und warum es in der Hauptverhandlung nicht überprüft werden konnte. Auch das zweite Entschuldigungsvorbringen hätte vollständiger dargelegt werden müssen. So enthält das angefochtene Urteil schon keine konkreten Angaben zum Inhalt des vorgelegten Attestes, auch an dieser Stelle fehlen zudem Ausführungen dazu, warum diese Entschuldigung nicht hat überprüft werden können. Auch ist der aus diesem Vorbringen vom Landgericht gezogene Schluß nach den getroffenen Feststellungen nicht zwingend. Denn selbst wenn sich der Angeklagte - so offenbar der Inhalt des Attestes - nur bis zum 11.09.1998 im Krankenhaus befunden haben sollte, muß damit die Mitteilung in der Hauptverhandlung, die am 30.09.1998 stattfand, - "daß er wieder im Krankenhaus liege" -, nicht falsch sein.
b) Das angefochtene Urteil leidet darüber hinaus an einem weiteren Rechtsfehler, der ebenfalls zur Aufhebung führt. Nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO ist, wenn der Angeklagten trotz ordnungsgemäßer Ladung und Belehrung über die Folgen seines Ausbleibens in der Berufungshauptverhandlung ausbleibt, die Verwerfung seiner Berufung nur zulässig, wenn das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt ist. Dabei ist nach übereinstimmender obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 329 Rn. 18 mit weiteren Nachweisen; siehe auch Senat in VRS 93, 122 sowie in MDR 1997, 686 = NZV 1997, 411 (Ls.) = ZAP EN-Nr. 691/97 = VRS 93, 450 (für den vergleichbaren Fall des § 74 Abs. 2 OWiG a.F.) sowie in ZAP EN-Nr. 389/97 = NStZ-RR 1997, 240 = DAR 1997, 361 und den o.a. Beschluß des Senats vom 08.04.1998) nicht entscheidend, ob der Angeklagte sich genügend entschuldigt hat, sondern ob er genügend entschuldigt ist. Das Landgericht muß, wenn ein konkreter Hinweis auf einen Entschuldigungsgrund vorliegt, dem im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht nachgehen (vgl. u.a. OLG Hamm NJW 1965, 410; Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 329 StPO Rn. 19 mit weiteren Nachweisen; zur Amtsaufklärungspflicht siehe auch BayObLG NJW 1998, 172). Das ist auch ständige Rechtsprechung des Senats (vgl. die o.a. Rechtsprechungsnachweise).
Diese gilt nach Auffassung des Senats auch, wenn das Landgericht - wie vorliegend - die Berufung eines Angeklagten mit der Begründung verwerfen will, von ihm vorgebrachtes Entschuldigungsvorbringen sei nur vorgeschoben und deshalb sei er nicht genügend entschuldigt. Will das Landgericht seine Überzeugung insoweit auf früheres Entschuldigungsverhalten des Angeklagten, das es damals als ausreichend angesehen hat, stützen, muß es, wenn dieses nun als nicht mehr ausreichend angesehen werden soll, aufklären, ob der Angeklagte damals ausreichend entschuldigt gewesen ist oder nicht. Das gebietet schon der Grundsatz des fairen Verfahrens. Das Landgericht verhält sich sonst nämlich zumindest widersprüchlich, wenn dieses Entschuldigungsvorbringen, daß es zunächst als ausreichend angesehen hat, nun ohne weitere, nähere Feststellungen als nicht (mehr) ausreichend ansehen und zur Grundlage einer für den Angeklagten nachteiligen Wertung machen will. Diese Wertung ist vielmehr nur zulässig, wenn - jetzt - nachträglich aufgeklärt wird, ob das damalige Fernbleiben des Angeklagten tatsächlich entschuldigt war oder nicht. Dies wäre dem Landgericht vorliegend auch ohne weiteres, z.B. durch einen Anruf bei dem Krankenhaus, in dem der Angeklagte sich am 30.09.1998 befunden haben soll, möglich gewesen. Jedenfalls durfte das Landgericht nicht einfach die Berufung des Angeklagten gegen das amtsgerichtliche Urteil, das immerhin eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten ohne Strafaussetzung zur Bewährung verhängt hatte, verwerfen und den Angeklagten auf das Wiedereinsetzungs- und Revisionsverfahren verweisen. Dabei ist sich der Senat der Schwierigkeiten, denen sich der Tatrichter in Fällen wie dem vorliegenden, in denen bereits mehrfach Berufungshauptverhandlungstermine wegen vom Angeklagten zur Entschuldigung vorgebrachter Krankheit vertagt werden mußten, gegenüber sieht, bewußt. Andererseits ist aber die Annahme, die der Anwendung des § 329 StPO zugrunde liegt, nämlich, daß der säumige Angeklagte an der Durchführung der Hauptverhandlung kein Interesse habe und damit auf eine sachliche Prüfung des angefochtenen Urteils verzichte (vgl. vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 329 Rn. 2 mit weiteren Nachweisen), nur dann gerechtfertigt, wenn der Angeklagte auch tatsächlich "säumig", d.h. unentschuldigt ausgeblieben, ist. Bloße Zweifel an der Richtigkeit einer vorgebrachten Entschuldigung rechtfertigen die Verwerfung der Berufung nicht (OLG Köln StV 1989, 53, 54).
c) Auch die Hilfsbegründung des Landgerichts, mit der es das vom Angeklagten als Entschuldigung vorgetragene Vorbringen: Autopanne, als nicht ausreichend für eine genügende Entschuldigung im Sinn von § 329 Abs. 1 StPO angesehen hat, trägt die Berufungsverwerfung nicht. Insoweit scheint das Landgericht zwar nicht zu verkennen, daß eine "Autopanne" grundsätzlich das Ausbleiben eines Angeklagten im Termin entschuldigen kann (Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 329 Rn. 27 mit weiteren Nachweisen aus der obergerichtlichen Rechtsprechung; siehe auch den Beschluß des Senats in 2 Ws 270/97 = ZAP EN-Nr. 771/97 = NZV 197, 493 = zfs 1998, 115 = VRS 94, 274 (für den vergleichbaren Fall der Verspätung aufgrund einer Verkehrsstörung)). Das Landgericht überspannt aber die Anforderungen an eine genügende Entschuldigung und damit an die Verpflichtung des Angeklagten, vor Gericht zu erscheinen, wenn es die Mitteilung von der Autopanne nicht als ausreichend ansieht, sondern den Angeklagten darüber hinaus offenbar grundsätzlich für verpflichtet hält, bei Gericht nachzufragen, bis wann sein Erscheinen sinnvoll ist, um dann ggf. noch mit einem Taxi zum Gerichtsort gelangen zu können. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß die Frage der genügenden Entschuldigung zugunsten des Angeklagten weit auszulegen ist (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 329 StPO Rn. 22 mit weiteren Nachweisen). Das Ausbleiben des Angeklagten ist dann genügend entschuldigt, wenn er bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge mit seinem rechtzeitigen Eintreffen rechnen konnte. Das ist vorliegend der Fall, da zugunsten des Angeklagten davon auszugehen ist, daß die Autopanne sich einige Zeit vor dem Anruf des Angeklagten bei seinem Verteidiger ereignete, so daß damit genügend Zeit verblieben wäre, um rechtzeitig zur anberaumten Terminsstunde (10.00 Uhr) beim Landgericht Hagen einzutreffen. Die Autopanne hat der Angeklagte dem Landgericht über seinen Verteidiger rechtzeitig mitgeteilt. Damit konnte er davon ausgehen, daß sein Fernbleiben im Berufungshauptverhandlungstermin entschuldigt werden würde. Eine Erkundigungspflicht, ob sein - ggf. späteres - Erscheinen noch sinnvoll wäre, ergibt sich aus dem Gesetz nicht. Auch erscheint dem Senat eine Verpflichtung, ggf. mit einem Taxi zum Termin zu fahren, wegen der insoweit entstehenden Kosten zumindest bei der hier in Rede stehenden Entfernung von Marl nach Hagen, was über die BAB etwa 80 km betragen dürfte, unzumutbar. Im übrigen hat das Landgericht auch nicht festgestellt, ob es dem Angeklagten überhaupt möglich gewesen wäre, noch so zeitgerecht ein Taxi rufen zu können, daß er rechtzeitig bei Gericht hätte sein können. Dabei ist auf den Zeitpunkt der Ladung, also 10.00 Uhr, abzustellen. Damit, daß das Landgericht bereit war, mit dem Beginn der Hauptverhandlung ggf. bis 11.15 Uhr zu warten, konnte und brauchte der Angeklagte - wie dargelegt - nicht zu rechnen.
III. Nachdem aufgrund der Revision des Angeklagten das angefochtene Urteil des Landgerichts aufzuheben war, ist die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den seinen Wiedereinsetzungsantrag ablehnenden Beschluß des Landgerichts prozessual überholt und damit gegenstandslos. Insoweit weist der Senat nur daraufhin, daß es grundsätzlich zutreffend ist, wenn das Landgericht darauf abstellt, ob zur Entschuldigung geeignete, dem Berufungsgericht noch nicht bekannte, also neue Tatsachen vorgetragen werden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 329 Rn. 42 mit weiteren Nachweisen). In diesem Zusammenhang wird das Berufungsgericht aber ggf. auch zu erwägen haben, ob nicht der Umstand, daß für eine bereits dem Berufungsgericht vorgetragene Tatsache nun eine "neues" Beweismittel vorgelegt wird, auch diese Tatsache als "neu" im Sinn von § 329 Abs. 3 StPO erscheinen läßt. Diese Frage bedurfte, da schon die Revision des Angeklagten zum Erfolg geführt hat, indes keiner abschließenden Beurteilung.


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