Aktenzeichen: (2) 4 Ausl. A 32/03 (157 und
158/03) OLG Hamm
Leitsatz: Im Auslieferungsverfahren ist
für die Anordnung einer längerfristigen Observation nach § 163 f
StPO nicht das Oberlandesgericht sondern die Staatsanwaltschaft
zuständig.
Senat: 2
Gegenstand:
Auslieferungsverfahren
Stichworte:
Auslieferungsverfahren, längerfristige Observation; Anordnung;
Zuständigkeit
Normen: StPO 163
f
Beschluss: Auslieferungssache
betreffend die armenischen Staatsangehörigen
1. A.Y.
2. K.H.,
3. A.S.,
4. H.M.
wegen Auslieferung der Verfolgten zu 1 - 4 aus der Bundesrepublik Deutschland nach Armenien zur Strafverfolgung wegen Mordes,
(hier: Anträge der Generalstaatsanwaltschaft auf Einsatz eines IMSI Catchers und Anordnung einer längerfristigen Observation)
Auf die über das Bundeskriminalamt mündlich gestellten Anträge der Generalstaatsanwaltschaft in Hamm vom 12. und 15. Dezember 2003 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15. 12. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht beschlossen:
Der Einsatz eines sogenannten IMSI-Catchers zur Ermittlung eventueller Handydaten (IMSI und IMEI) eines ggf. aktiv geschalteten Handys der S.S., alias S.M. wird für den 16. und 17. Dezember 2003 gestattet.
Der Antrag auf Anordnung einer längerfristigen Observation (§ 163 StPO) wird zurückgewiesen.
Gründe:
Interpol Erevan hat mit Fernschreiben vom 30.07.2003 um die Festnahme der vorgenannten Verfolgten zum Zwecke der Auslieferung wegen Mordes ersucht. Den Verfolgten wird vorgeworfen, am 25.06.2003 gegen 12.15 Uhr auf einer Autobahn bei Erevan das Feuer aus Maschinenpistolen auf ein vorbeifahrendes Taxi eröffnet zu haben. Dabei wurden drei der Taxiinsassen getötet, eine weitere Person schwer verletzt.
Im Auslieferungsverfahren hat der Senat inzwischen die Telefonüberwachung verschiedener Festnetz- und Mobilfunkanschlüsse angeordnet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlüsse des Senats vom 20. und 25. November sowie vom 8. Dezember 2003 Bezug genommen. Diese haben noch nicht zur Ermittlung des Aufenthaltsortes der Verfolgten geführt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat nunmehr über die Bundeskriminalamt den Einsatz eines IMSI-Catchers betreffend die Ermittlung der Handydaten der S.M.,der Ehefrau des A.S., beantragt. Diese wird sich voraussichtlich am 16. oder 17. Dezember 2003 beim Sozialamt der Stadt G. aufhalten. Sie hat außerdem gemäß § 163 f StPO die längerfristige Observation des Asylbewerberheims beantragt, in dem S.M. wohnt.
II.
Der Einsatz des IMSI-Catchers war zu gestatten, der Antrag auf längerfristige Observation (§ 163 f StPO) hingegen abzulehnen.
1.Die Voraussetzungen des § 100 i StPO, bei deren Vorliegen der Einsatz eines sog. IMSI-Catchers gestattet werden kann, liegen vor. Der Einsatz dient der Ermittlung eventueller Handydaten eines Handys der Ehefrau einer der Verfolgten, die dem Bundeskriminalamt derzeit nicht bekannt sind. Sie will die Überwachung des mit diesem Handy geführten Mobilfunkverkehrs anordnen lassen, um so ggf. den Aufenthaltsort des Verfolgten S. zu ermitteln. Die Voraussetzungen des § 100 a StPO liegen vor. Insoweit nimmt der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, auf seine o.a. Beschlüsse Bezug. Die Telefonüberwachung wäre auch ohne Ermittlung der Handydaten nicht möglich (§ 100 i Abs. 2 Satz 2 StPO). Sie war auf den 16. und 17. Dezember 2003 zu beschränken, da nur während dieser beiden Tage mit einem Auftauchen der Ehefrau des Verfolgten außerhalb des Asylbewerberheims zu rechnen ist.
2. Der Antrag auf längerfristige Observation (§ 163 f StPO) war hingegen abzulehnen.
Für die beantragte Entscheidung ist das Oberlandesgericht und damit der Senat nicht zuständig. Es handelt sich bei der beantragten Entscheidung nicht um eine Annexentscheidung im Sinne der Entscheidungen des Senats vom 22. Juni 1998, 4 Ausl. 419/97, NStZ-RR 1998, 350 = wistra 1999, 37 betreffend die Anordnung einer Telefonüberwachung bzw. vom 11. Februar 2000, 4 Ausl 67/2000 (7/2000), StV 2000, 352 [Ls.] = wistra 2000, 278 = NStZ 2000, 666 betreffend des Einsatzes technischer Mittel. Zuständig für die Anordnung der längerfristigen Observation ist vielmehr die Generalstaatsanwaltschaft. Nach § 77 IRG sind die Vorschriften der StPO im Auslieferungsverfahren entsprechend anwendbar. Diese Verweisung hat nach Auffassung des Senats zur Folge, dass es bei der grundsätzlichen Verteilung der Zuständigkeiten im Ermittlungsverfahren zwischen den Strafverfolgungsbehörden und den Gerichten verbleibt. Es ist nicht etwa für alle (Ermittlungs)Maßnahmen zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Verfolgten das Oberlandesgericht zuständig. Dieses ist bzw. wird vielmehr nur dann zuständig, wenn auch im Ermittlungsverfahren der (Ermittlungs)Richter zuständig wäre. Im Übrigen verbleibt es bei der Zuständigkeit der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Funktion als die das Auslieferungsverfahren betreibende Behörde. Für die längerfristige Observation hat dies zur Folge, dass diese gemäß § 163 f Abs. 3 Satz 1 StPO von der Generalstaatsanwaltschaft anzuordnen ist. Das Oberlandesgericht ist mit einer solchen Maßnahme allenfalls nach § 163 f Abs. 4 Satz 1 StPO befasst, wenn es um die Verlängerung der längerfristigen Observation über einen Monat hinaus geht.
Der Senat weist darauf hin, dass im Übrigen auch Bedenken gegen die Anordnung der Maßnahme insoweit bestehen, als bisher die Voraussetzungen des § 163 f Abs. 1 Satz 2 und 3 StPO nicht hinreichend dargelegt sind.
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