Aktenzeichen: 1 Ss 28/04 OLG Hamm
Leitsatz: Zum erforderlichen Umfang der Feststellungen für einen Diebstahl mit Waffen, wenn der Täter ein Taschenmesser bei sich führt.
Senat: 1
Gegenstand: Revision
Stichworte: Diebstahl mit Waffen; Taschenmesser; Gebrauchsbereitschaft; Beisichführen
Normen: StGB 244
Beschluss: Strafsache
gegen S.B.
wegen Diebstahls mit Waffen.
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Schöffen-
gericht - Hamm vom 6. Oktober 2003 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05. 02. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird, soweit es sich auf den Angeklagten bezieht, mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Hamm zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 6. Oktober 2003 unter Freisprechung im Übrigen wegen Diebstahls mit Waffen zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt worden. Zu dem zugrunde liegenden Tatgeschehen enthält das angefochtene Urteil folgende Feststellungen:
Am 10.04.2003 gegen 13:20 Uhr hielt sich der Angeklagte B. auf dem Markplatz auf. Als er an dem Marktstand der später geschädigten M.K., nördliche Paulus-Kirche (gegenüber der Pizzeria Torino) stand, sah er die Geldkassette der Zeugin, nahm diese an sich und flüchtete zunächst in Richtung Weststraße und dann weiter in Richtung Nordstraße. Die Geschädigte, die diesen Diebstahl bemerkt hatte, schrie laut um Hilfe, so dass der Angeklagte sofort verfolgt wurde. Der Angeklagte ließ dann die Geldkassette fallen und wurde in Höhe des Nordausgangs der Sparkasse in der Weststraße gestellt. Bei der Tat führte er ein feststellbares Taschenmesser und eine Dose k.o.-Spray mit sich.
Zur Beweiswürdigung ist ausgeführt:
Dieser Sachverhalt beruht auf dem umfassenden Geständnis des Angeklagten B.. Dieser hat sich über seinen Verteidiger weiter dahin eingelassen, er sei im Zeitpunkt der Tat entzügig gewesen, er sei des Mitführens des Messers und des k.o.-Sprays nicht bewußt gewesen.
Zur rechtlichen Würdigung des festgestellten Geschehens enthält das angefochtene Urteil folgende Ausführungen:
Zu Ziff. 2 hat er (B.) sich des Diebstahls mit Waffen gemäß §§ 224 (gemeint ist offensichtlich 242), 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB schuldig gemacht, weil er bei der Tat ein Sprungmesser und ein k.o.-Spray mit sich führte.
Wenn sich der Angeklagte über seinen Verteidiger insoweit dahin einläßt, er habe überhaupt nicht mehr daran gedacht, dass er das Messer und das k.o.-Spray mit sich führte, so hält das Gericht dies zum einen für unglaubhaft und kann den rechtlichen Konsequenzen, dass es sich nämlich nur um einen einfachen Diebstahls gehandelt hat, nicht folgen:
Dass der Angeklagte B. nicht gewußt habe, dass er diese beiden Dinge mit sich führte, ist als reine Schutzbehauptung zu bewerten, da unmittelbar nach seinem Stellen an der Sparkasse sowohl das Messer als auch das k.o.-Spray bei ihm aufgefunden wurden. Der Angeklagte war nicht betrunken, nicht angetrunken, er stand nicht unter Drogen, er war leicht entzügig. - Aus den Gründen hat das Gericht keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte hier wegen Diebstahls mit Waffen gem. § 244 Abs. 1 Ziff. 1 a StGB zu verurteilen war.
Das amtsgerichtliche Urteil gibt dann die Strafzumessungserwägungen des Schöffengerichts wieder.
Gegen dieses in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte durch seinen Verteidiger mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2003, bei dem Amtsgericht Hamm eingegangen am 9. Oktober 2003, Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2003, am selben Tage eingegangen beim Amtsgericht Hamm, hat der Verteidiger den Übergang zur Revision erklärt und diese mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet. In der Revisionsbegründungsschrift wird insbesondere eine unzulängliche, von § 261 StPO nicht gedeckte Beweiswürdigung des Schöffengerichts gerügt, das allein aus der Tatsache, dass bei dem Angeklagten kurz nach der Tatbegehung ein Messer und ein k.o.-Spray aufgefunden wurden, den Schluss gezogen habe, dass sich der Angeklagte der Präsenz der beiden Gegen-
stände und der Möglichkeit des jederzeitigen Zugriffs auf sie bewusst gewesen sei.
II.
Die in zulässiger Weise eingelegte sowie form- und fristgerecht begründete Revision des Angeklagten hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg. Die Sachrüge ist begründet und führt, was den Angeklagten betrifft, zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den zugrunde liegenden Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts.
1. Die Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils tragen die Verurteilung wegen Diebstahls mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1 a StGB nicht. Zwar dürfte es sich bei dem feststellbaren Taschenmesser, das der Angeklagte bei sich trug, im Gegensatz zu der Dose k.o.-Spray, welche einen Diebstahl mit Waffen nur im Rahmen des § 244 Abs. 1 Nr. 1 b) unter der Voraussetzung einer - hier nicht festgestellten - konkreten Verwendungsabsicht des Angeklagten begründen würde, um ein gefährliches Werkzeug i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1 a) handeln, obwohl das angefochtene Urteil keinerlei Angaben zur Länge der Klinge des Taschenmessers enthält. Als gefährliches Werkzeug gelten solche Gegenstände, die objektiv gefährlich d.h. nach ihrer objektiven Beschaffenheit geeignet sind, bei einer Verwendung erhebliche Verletzungen herbeizuführen (vgl. BGH NJW 2002, 2889; Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 244 Rdnr. 7; Schönke/Schröder-Eser, StGB, 26. Aufl., § 244 Rdnr. 5; Lackner/Kühl, StGB, 24. Aufl., § 244 Rdnr. 3 jeweils m.w.N.). Messer, auch soweit sie nicht als Spring-, Fall- oder Faustmesser als Waffe im technischen Sinne gelten und damit dem Anwendungsbereich des Waffengesetzes unterfallen, sind von der Rechtsprechung bislang durchweg als (abstrakt) gefährliche Werkzeuge i.S.d. §§ 244 Abs. 1 Nr. 1 a), 250 Abs. 1 Nr. 1 a) StGB angesehen worden (vgl. BGH NStZ 1999, 136; NStZ-RR 2001, 41; BGHR StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 Verwenden 1; BayObLG NJW 1999, 2535; OLG Hamm NJW 2000, 3510; für kleinere Taschenmesser verneinend BayObLG NStZ-RR 2001, 202; für Taschenmesser zuletzt offengelassen von BGH NStZ-RR 2003, 12).
Aus den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich jedoch schon nicht, ob das Tatbestandsmerkmal des Bei-Sich-Führens in objektiver Hinsicht erfüllt ist. Das Merkmal des Bei-Sich-Führens i.S.d. § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt objektiv voraus, dass der Täter oder ein Beteiligter die Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug gebrauchsbereit bei sich hat. Erforderlich ist nicht, dass der Täter oder Teilnehmer den Gegenstand in der Hand hält oder ihn am Körper trägt; es genügt, dass der gefährliche Gegenstand sich in Griffweite des Täters befindet und dieser sich seiner jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne besondere Schwierigkeiten bedienen kann, die Waffe oder das gefährliche Werkzeug dem Täter also zu jedem von ihm gewünschten Zeitpunkt einsatzbereit zur Verfügung steht (vgl. OLG Hamm NJW 2000, 3510; BayObLG NJW 1999, 2535; OLG Hamm, Beschluss vom 24.06.2003 - 3 Ss 385/03 -; Tröndle/Fischer, a.a.O., § 244 Rdnr. 12 m.w.N.). Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen, die sich darauf beschränken, dass der Angeklagte bei der Tatausführung ein feststellbares Taschenmesser und eine Dose mit k.o.-Spray mit sich führte, ist bereits unklar, ob vorliegend eine objektive Gebrauchsbereitschaft des Taschenmessers im vorstehend dargelegten Sinn gegeben war. Daran würde es beispielsweise fehlen, wenn der Angeklagte das Messer in einem auf dem Rücken befindlichen verschlossenen Rucksack mitgeführt hätte, denn der Angeklagte hätte dann zum Einsatz dieses Taschenmessers erst den Rucksack vom Rücken nehmen und den verschlossenen Rucksack sodann öffnen müssen, um an das Messer zu gelangen (zu vgl. BayObLG NJW 1999, 2535, 2536). Insoweit bedarf es daher ergänzender Feststellungen.
2. Das angefochtene Urteil hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung zudem auch deshalb nicht Stand, weil die erforderlichen Feststellungen zum subjektiven Tatbestand des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a) StGB nicht frei von Rechtsfehlern sind. Das Schöffengericht kommt zwar zu der Bewertung, dass die in den Urteilsgründen wiedergegebene Einlassung des Angeklagten, er habe bei der Diebstahlstat an das Messer und das k.o.-Spray überhaupt nicht mehr gedacht, als reine Schutzbehauptung einzustufen sei. Eine nachvollziehbare und plausible Begründung für diese Wertung enthält das angefochtene Urteil jedoch nicht. Die Beweiswürdigung des Tatgerichts ist daher insoweit von § 261 StPO nicht gedeckt. Die Überzeugung des Amtsgerichts, dass der Angeklagte das Taschenmesser und das k.o.-Spray bei dem Dieb-
stahl bewusst bei sich führte, gründet sich ausschließlich auf die vom Gericht getroffene Feststellung, dass bei dem Angeklagten diese Gegenstände kurz nach der Tatbegehung aufgefunden wurden. Damit schließt das Amtsgericht - ohne Hinzuziehung und Berücksichtigung weiterer Indizien oder Tatsachen - aus der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a) StGB auf das Vorhandensein des nach § 16 StGB erforderlichen Vorsatzes. Dabei ist unberücksichtigt geblieben, dass ein entsprechendes Bewusstsein beim Bei-Sich-Führen eines Messers der hier in Rede stehenden Art nicht ohne weiteres auf der Hand liegt (vgl. BGH NStZ-RR 2003, 12; BayObLG NJW 1999, 2535; OLG Hamm, Beschluss vom 25.06.2003 - 3 Ss 385/03 -), zumal das amtsgerichtliche Urteil keinerlei Angaben darüber enthält, wo sich die beiden später sichergestellten Gegenstände konkret befanden. Wären die Gegenstände beispielsweise in einem vom Angeklagten mitgeführten Rucksack aufgefunden worden, würde dies eher gegen die Annahme des Bewusstseins des Bei-Sich-Führens sprechen. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts in diesem Zusammenhang ist auch deshalb lücken- und deshalb fehlerhaft, weil das Schöffengericht auf den von ihm festgestellten Umstand, dass der Angeklagte bei der Tat leicht entzügig gewesen sei, im Rahmen der Frage, ob der Angeklagte ein gefährliches Werkzeug bewusst bei sich geführt hat, in keiner Weise eingegangen ist. Auch hinsichtlich des erforderlichen Tatbestandsvorsatzes in Bezug auf das Qualifikationsmerkmal des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a) StGB bedarf es daher ergänzender Feststellungen und Ausführungen.
Aufgrund der aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mängel war das angefochtene Urteil
nebst den zugrunde liegenden Feststellungen in Bezug auf den Angeklagten aufzu-
heben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverwei-
sen.
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