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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss OWi 752/03 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den Anforderungen an die Urteilsgründe, wenn der Betroffene anhand eines von einem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes als Fahrer identifiziert werden soll.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Lichtbild; Täteridentifizierung; Bezugnahme; Beschreibung

Normen: StPO 267

Beschluss: Bußgeldsache
gegen W.F.
wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 5. August 2003 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 12. 01. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 79 Abs. 5 S. 1, Abs. 3 S. 1 OWiG in Verbindung mit § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung
- auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Recklinghausen zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach §§ 41 Abs. 2 (Zeichen 274), 49 StVO, 24 StVG zu einer Geldbuße von 375,- € verurteilt. Zudem hat es unter Beachtung des § 25 Abs. 2 a StVG gegen den Betroffenen ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen überschritt der Betroffene am 17. Februar 2003 auf der BAB A 43 in Recklinghausen die an der Vorfallstelle auf 80 km/h begrenzte zulässige Höchstgeschwindigkeit um 86 km/h. Der Betroffene hat bestritten, das Fahrzeug zur Vorfallszeit geführt zu haben. Das Amtsgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen auf ein vom Vorfall gefertigtes Lichtbild/Radarfoto gestützt und zur Begründung der getroffenen Feststellungen Folgendes ausgeführt:

„Vorstehende Feststellungen beruhen auf der Einlassung des Betroffenen, soweit das Gericht dieser folgen kann, dem im Hauptverhandlungstermin verlesenen Meßprotokoll Bl. 20/21 d.A. sowie der Erörterung des Eichscheins Bl. 22/23 d.A. sowie der Inaugenscheinnahme des Radarfotos Bl. 2 d.A. nebst Inaugenscheinnahme der Vergrößerung Bl. 7 d.A.“
...
„Wenn aus der Haltereigenschaft des Betroffenen auch nicht gefolgert werden kann und nicht gefolgert werden darf, er sei Fahrer des Fahrzeugs zum Tatzeitpunkt gewesen, so muß immerhin auch der Schluß möglich sein, daß ein Halter zumindestens gelegentlich sein Fahrzeug selbst führt. Das qualitativ schlechte Radarfoto (Bl. 2 d.A.) sowie die Vergrößerung (Bl. 7 d.A.) läßt zumindest erkennen, daß zum Zeitpunkt der Messung ein Mann in mittleren Jahren und zwar ein Brillenträger das Fahrzeug geführt hat. Das Gericht hatte in der Hauptverhandlung hinreichend Gelegenheit, eine Ähnlichkeit des Betroffenen mit dem Messfoto zu überprüfen. Dabei hat das Gericht festgestellt, daß auch der Betroffene eine Brille trägt, seine Kopfform von der Augenpartie an über das rechte Ohr bis hin zum Kinn spitz zuläuft und größte Ähnlichkeit mit dem Foto Bl. 2 d.A. aufweist. Unter diesen Umständen hat das Gericht keinerlei Zweifel daran, daß der Betroffene tatsächlich zur Tatzeit sein eigenes Fahrzeug geführt hat und daß die Berufung auf einen angeblichen nahen Angehörigen eine Schutzbehauptung darstellt. Insoweit ist zum einen zu fragen, welche Gründe auch heute noch bestehen, den angeblichen Fahrer nicht zu benennen. Diesem drohen ja, nachdem insoweit Verjährung eingetreten ist, keinerlei Nachteile. Außerdem erhebt sich naturgemäß die Frage, welcher nahe Verwandte neben dem Betroffenen so große Ähnlichkeit mit dem auf dem Foto Bl. 2 d.A. befindlichen Fahrer haben soll.“

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er unter näheren Ausführungen die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg.

Schon die Überprüfung des Urteils auf die vom Betroffenen erhobene Sachrüge hin lässt einen Rechtsfehler zu seinem Nachteil erkennen. Die Ausführungen im Urteil zur Identifizierung des Betroffenen als Fahrzeugführer anhand des anlässlich des Vorfalls gefertigten Lichtbildes/Radarfotos halten einer rechtlichen Prüfung nicht Stand. Sie entsprechen nicht den Anforderungen, die seitens der obergerichtlichen Rechtsprechung an die Darlegung der Identifizierung des Betroffenen in den Urteilsgründen gestellt werden. Danach müssen die Urteilsgründe dem Rechtsbeschwerdegericht die Möglichkeit zur Prüfung der Geeignetheit des Fotos zur Identifizierung des Betroffenen eröffnen. Dies kann in der Weise geschehen, dass sofern das bei den Akten befindliche Foto für eine Identifizierung grundsätzlich geeignet ist, auf dieses vom Tatrichter in den Urteilsgründen gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG Bezug genommen wird. Eine zusätzliche Beschreibung einzelner Identifizierungsmerkmale ist dann entbehrlich (vgl. BGH, NZV 1996, 157; Senat, Beschluss vom 19. Mai 1998 in 2 Ss OWi 553/98 = NStZ-RR 1998, 238, 239; OLG Hamm, Beschluss vom 6. Februar 2003 in 3 Ss OWi 631/02). Das anlässlich des Vorfalls gefertigte Foto wird aufgrund einer solchen Bezugnahme zum Bestandteil der Urteilsgründe. Die Bezugnahme muss jedoch deutlich und zweifelsfrei sein. Den Ausführungen muss eindeutig zu entnehmen sein, dass das Foto zum Bestandteil der Urteilsurkunde gemacht werden soll (vgl. Senat, Beschluss vom
19. Mai 1998, a.a.O.). Das Rechtsbeschwerdegericht kann dann das Foto aus eigener Anschauung würdigen und beurteilen, ob es als Grundlage einer Identifizierung geeignet ist.

Eine prozessordnungsgemäße Verweisung i.S.d. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf das bei der Akte befindliche Lichtbild findet sich im Urteil des Amtsgerichts jedoch nicht. Den Urteilsgründen lässt sich lediglich entnehmen, dass das Radarfoto Bl. 2 d.A. sowie dessen Vergrößerung Bl. 7 d.A. in Augenschein genommen wurden und ein Vergleich mit dem Betroffenen erfolgte. Diese Ausführungen beschreiben nur den Beweiserhebungsvorgang, aufgrund dessen sich der Tatrichter seine Überzeugung von der Identität des Betroffenen als Fahrzeugführer gebildet hat. Sie stellen keine deutliche und zweifelsfreie Bezugnahme i.S.d. § 267 Abs. 1 S. 3 StPO dar.

Fehlt aber eine solche Verweisung, muss der Tatrichter durch eine ausführliche Beschreibung der Bildqualität und der charakteristischen Identifizierungsmerkmale der abgebildeten Person dem Rechtsbeschwerdegericht in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglichen, dass dieses zur Identifizierung geeignet ist (vgl. BGH, a.a.O.; Senat, Beschluss vom 19. Mai 1998, a.a.O.). Dabei ist es nicht ausreichend, wenn der Tatrichter allein das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung mitteilt bzw. die von ihm zur Identifizierung herangezogenen Merkmale lediglich auflistet (vgl. BGH, a.a.O).
Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil ebenfalls nicht. Nähere Angaben zur Bildqualität werden nicht gemacht, sie wird lediglich als „schlecht“ beschrieben. Die aufgeführten Identifizierungsmerkmale (Mann in mittleren Jahren, Brillenträger, Beschreibung der Kopfform) sind sehr allgemein gehalten und treffen auf eine Vielzahl von Personen zu. Eine Aufzählung charakteristischer, individueller Merkmale findet sich nicht.

Dem Senat ist es somit nicht möglich, die Geeignetheit des beim Vorfall gefertigten Lichtbildes zur Identifizierung des Betroffenen zu prüfen.
Die Rechtsbeschwerde hat damit bereits mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts Erfolg. Eines Eingehens auf die vom Betroffenen damit gleichzeitig erhobene Verfahrensrüge bedurfte es deshalb nicht mehr.
Das angefochtene Urteil war demnach mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 345 Abs. 2 StPO). Dieses hat in der neuen Entscheidung auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu befinden, da deren Erfolg noch nicht feststeht.


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