Aktenzeichen: 3 Ss 1157/02 OLG Hamm
Leitsatz: Enthält ein vom Amtsrichter
unterzeichneter Beschluss kein vollständiges Rubrumn, sondern nur die
Angabe "in pp", fehlt die Bezeichnung des Betroffenen, so dass durch den
Beschluss die Verjährung nicht gehemmt wird.
Senat:
3
Gegenstand: Rechtsbeschwerde
Stichworte: Urteil, unterschriebener Beschluss, Rubrum,
Rubrum durch Kanzlei eingesetzt
Normen: StPO 275; OWiG 72
Beschluss: Bußgeldsache gegen R.F.
wegen
Verkehrsordnungswidrigkeit.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lübbecke vom 18.09.2002 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 10. 07. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Das Verfahren wird
gemäß § 206 a StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der dem Betroffenen
entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
I.
Der Landrat des Kreises
Minden-Lübbecke hat mit Bußgeldbescheid vom 01.02.2002 gegen den
Rechtsmittelführer R.F. wegen einer diesem vorgeworfenen
Geschwindigkeitsüberschreitung, die am 20.11.2001 erfolgt sein soll, ein
Bußgeld in Höhe 100,- EUR und ein Fahrverbot von einem Monat
festgesetzt. Hiergegen hat der Betroffene rechtzeitig Einspruch eingelegt.
Das Amtsgericht Lübbecke hat daraufhin in dem vorliegenden
Ordnungswidrigkeitsverfahren ohne Hauptverhandlung durch Beschluss
gemäß § 72 OWiG folgende Entscheidung getroffen:
"11 OWi 74
Js 384/02 (81/02)
Verfügung
1) Beschluss
In pp
hat das
Amtsgericht Lübbecke durch den Richter am Amtsgericht W. am 18.09.2002
beschlossen:
Der Betroffene wird wegen fahrlässiger
Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer
Geldbuße in Höhe von 100,- EUR verurteilt.
Dem Betroffenen wird
für die Dauer von 1 Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im
öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Das Fahrverbot wird erst
wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft in amtliche Verwahrung
gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der
Rechtskraft.
Die Kosten des Verfahrens sowie seine notwendigen Auslagen
trägt der Betroffene.
Gründe: ...."
Diese Entscheidung sowie
die sich unter Ziffer 2) anschließende Zustellungsverfügung und die
unter Ziffer 3) erfolgte Anordnung der Übersendung der Akte an die
zuständige Staatsanwaltschaft ist von dem eingangs des Beschluss genannten
Amtsrichter am 18.09.2002 unterzeichnet worden.
Die in den Akten
befindliche Leseabschrift sowie zwei beglaubigte Ausfertigungen des Beschlusses
vom 18.09.2002 enthalten anstelle der Angabe "In pp" folgenden Text:
"In
der Bußgeldsache
gegen R.F., geboren am xx.xx.xxxx in L., wohnhaft:
xxxxx, xxxxx, Staatsangehörigkeit: deutsch
Verteidiger:
Rechtsanwälte a & b
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit".
Die Leseabschrift ist durch den Amtsrichter nicht unterzeichnet
worden, sondern enthält nur dessen maschinenschriftlich gefertigte
Unterschrift.
Gegen den vorgenannten Beschluss richtet sich die
Rechtsbeschwerde des in der Leseabschrift des angefochtenen Beschlusses als
Betroffenen bezeichneten R.F., der eine Verletzung materiellen Rechts
rügt.
II. Die Rechtsbeschwerde führt zur Einstellung des
Verfahrens gemäß § 206 a StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG, da
vorliegend das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung gegeben ist.
Für die dem Rechtsmittelführer mit dem Bußgeldbescheid vom
01.02.2002 vorgeworfene Verkehrsordnungswidrigkeit galt ursprünglich die
dreimonatige Verjährungsfrist des § 26 Abs. 3 StVG, die durch die
Übersendung des Anhörungsbogens vom 13.12.2001 an den
Rechtsmittelführers gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG
unterbrochen worden ist. Mit Erlass des Bußgeldbescheides vom 01.02.2002,
der dem Rechtsmittelführer am 02.02.2002 zugestellt worden ist,
verlängerte sich die Verfolgungsverjährungsfrist gemäß
§ 26 Abs. 3 StVO i.V.m. § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG auf sechs
Monate. Diese Verjährungsfrist wurde gemäß § 33 Abs. 1 Nr.
9, 10 und 2 OWiG durch den Eingang der Akten beim Amtsgericht Lübbecke
(19.03.2002), die Anberaumung der Hauptverhandlung auf den 12.07.2002 (am
26.03.2002) sowie durch die richterliche Vernehmung des
Rechtsmittelführers im vorgenannten Hauptverhandlungstermin jeweils
unterbrochen. In der Folgezeit ist die Verfolgungsverjährung nicht erneut
unterbrochen und der Ablauf der Verjährung auch nicht gehemmt worden, so
dass die dem Rechtsmittelführer zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit mit
Ablauf des 12.01.2003 wegen Eintritts der Verfolgungsverjährung nicht mehr
verfolgbar ist.
Der im vorliegenden Verfahren vor Ablauf der
Verjährungsfrist nach § 72 OWiG ergangene Beschluss vom 18.09.2002
hat nicht gemäß § 32 Abs. 2 OWiG zu einer Ablaufhemmung
hinsichtlich der Verjährungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss
des Verfahrens geführt.
Der von dem Amtsrichter unterzeichnete
Beschluss vom 18.09.2003 enthält kein vollständiges Rubrum, da eine
Bezeichnung des Betroffenen fehlt. Gemäß § 275 Abs. 3 StPO ist
- auch wenn dies in der Vorschrift nicht ausdrücklich erwähnt ist -
im Urteilskopf eines Strafurteils der Angeklagte zu bezeichnen (vgl.
Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 275 Rdz. 24). Die Vorschrift des
§ 275 StPO (mit Ausnahme des Absatzes 2 Satz 3) gilt gemäß
§ 71 Abs. 1 OWiG auch für das gerichtliche Bußgeldverfahren
(Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 71 Rdz. 40). Ein Beschluss nach § 72
OWiG entspricht hinsichtlich seines Entscheidungsinhalts und in Bezug auf die
Anforderungen an seine Begründung einem Urteil in Strafsachen. Für
die Begründung des Beschlusses hat das Gesetz in Anlehnung an § 275
Abs. 1 S. 2 StPO eine Frist von 5 Wochen vorgeschrieben. Er kann zudem mit dem
gleichen Rechtsmittel angefochten werden wie ein ergangenes Urteil im
Ordnungswidrigkeitenverfahren (vgl. Göhler, a.a.O., § 72 Rdz. 49 und
63) und hat in bezug auf die Verfolgungsverjährung gemäß §
32 Abs. 2 OWiG dieselbe hemmende Wirkung wie ein ergangenes Urteil.
Der
Beschluss nach § 72 OWiG ist daher weitgehend einem Urteil gleich
gestellt.
Auch im Rubrum eines Beschlusses nach § 72 OWiG sind daher
der Betroffene und auch etwaige Nebenbeteiligte aufzuführen, da die
Entscheidung gegen sie wirkt und dies für die Vollstreckung aus dem Titel
erkennbar sein muss (vgl. Göhler a.a.O., § 72 Rdz. 49).
Die
erforderliche Bezeichnung des Betroffenen konnte auch nicht durch die Angabe
"In pp" ersetzt werden. Denn die Unterzeichnung eines solchen Beschlusses, der
völlig offen lässt, gegen wen er sich richtet, deckt nicht nicht die
spätere Einfügung der Bezeichnung eines Betroffenen durch die
Schreibkanzlei.
Da das Ruhen der Verfolgungsverjährung
gemäß § 32 Abs. 2 OWiG nur gegenüber demjenigen Täter
eintritt, gegen den ein Urteil des ersten Rechtszuges oder ein Beschluss nach
§ 72 OWiG ergangen ist (vgl. Göhler, a.a.O., § 32 Rdz. 2
m.w.N.), der im vorliegenden Verfahren ergangenen Beschluss vom 18.09.2002 sich
aber nicht gegen den Rechtsmittelführer richtet, sondern die Person des
Betroffenen offen lässt, ist hier durch den angefochtenen Beschluss die
Verjährung nicht gehemmt worden. Sie ist vielmehr mit Ablauf des
12.01.2003 eingetreten.
Der angefochtene Beschluss war daher schon wegen
Eintritts der Verfolgungsverjährung aufzuheben und gleichzeitig das
Verfahren einzustellen. Bei dieser Sachlage konnte es dahingestellt bleiben, ob
der angefochtene Beschluss möglicherweise als unwirksam anzusehen ist und
deshalb einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand hält.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1
OWiG.
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