Aktenzeichen: 2 Ws 42/04 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Wirksamkeit eines in der Hauptverhandlung abgegebenen Rechtsmittelverzichts
Senat: 2
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Rechtsmittelverzicht, Wirksamkeit
Normen: StPO 302, StPO 322 ]BeschlussStrafsache
Gegen B.K.
wegen gefährlicher Körperverletzung,
(hier: sofortige Beschwerde gegen die Verwerfung der Berufung als unzulässig).
Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 20. November 2003 gegen den Beschluss der auswärtigen Strafkammer Recklinghausen des Landgerichts Bochum vom 11. November 2003 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 01. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.
G r ü n d e:
Durch Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 19. August 2003 ist der Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung verwarnt und mit einem Dauerarrest in Höhe von drei Wochen belegt worden. Im Hauptverhandlungsprotokoll befindet sich am Ende die Eintragung: Rechtsmittelbelehrung sowie Belehrung gem. §§ 11, 15 JGG wurden erteilt. Der Angeklagte erklärte Rechtsmittelverzicht.
Nachdem der Angeklagte gegen dieses Urteil mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 20. August 2003, beim Amtsgericht Recklinghausen per Telefax am selben Tage eingegangen, Berufung eingelegt und in diesem Schriftsatz gleichzeitig seine Rechtsmittelverzichtserklärung widerrufen und ausdrücklich angefochten hatte, gab der Gerichtsvorsitzende am 22. September 2003 zu den näheren Umständen des von dem Angeklagten abgegebenen Rechtsmittelverzichts folgende Stellungnahme ab:
Der Angeklagte erklärte nach der Rechtsmittelbelehrung, er müsse das Urteil wohl annehmen. Daraufhin erklärte der Unterzeichner, das müsse er nicht, er könne, er müsse aber nicht das Urteil annehmen bzw. Rechtsmittelverzicht erklären. Erst daraufhin erklärte der Angeklagte den Rechtsmittelverzicht. Entgegen der Auffassung des Verteidigers hat der Angeklagte ganz klar die Tragweite seines Rechtsmittelverzichts erkannt. Nach hiesiger Auffassung will der Angeklagte nunmehr mit Gewalt seinen Rechtsmittelverzicht beseitigen, da ihm sein Verzicht offenbar leid tut.
Mit Beschluss vom 11. November 2003 hat die auswärtige Strafkammer des Landgerichts Bochum die Berufung des Angeklagten wegen des von ihm nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung erklärten Rechtsmittelverzichts als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 20. November 2003 mit näherer Begründung rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Ihren Antrag hat sie wie folgt begründet:
Die gem. § 322 Abs. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist rechtzeitig eingelegt, in der Sache jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat die Berufung des Abgeklagten zu Recht als unzulässig verworfen, da die Vorschriften über die Einlegung der Berufung wegen des erklärten Rechtsmittelverzichts /vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Auflage, Rdnr. 1 zu § 322) nicht beachtet worden sind.
Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls des Amtsgericht hat der Angeklagte auf Rechtsmittel verzichtet. Die Erklärung ist auch wirksam. Der Form nach richtet sich der Rechtsmittelverzicht nach der für die Rechtsmitteleinlegung, also entweder schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle (zu vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 18 21 zu § 302 m. w. N.). Darüber hinaus kann der Rechtsmittelverzicht unmittelbar nach der Urteilsverkündung in der Hauptverhandlung erklärt und gem. § 273 Abs. 3 StPO protokolliert werden. Danach muss der Verzicht jedoch als prozessuale Erklärung des Angeklagten vorgelesen und genehmigt werden, was ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht geschehen ist. Ein Absehen von der Genehmigung der protokollierten Erklärung führt aber nicht zur Unwirksamkeit der Verzichtserklärung, sondern nur dazu, dass der Verzicht nicht der Beweiskraft des § 274 StPO unterliegt. Der im Protokoll als Erklärung des Angeklagten vermerkte Rechtsmittelverzicht stellt insoweit ein Beweisanzeichen dar (zu vgl. OLG Hamm, NStZ 86, 378, 379; KK-StPO, 5. Auflage, Rdnr. 9 zu § 302 StPO).
Bedenken hinsichtlich der Abgabe und Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts des Angeklagten ergeben sich, insbesondere auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens, nicht. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte sich tatsächlich der Tragweite seiner Verzichtserklärung nicht bewusst gewesen sein könnte und von dem Gericht zu einem Rechtsmittelverzicht gedrängt worden ist, sind nicht ersichtlich. Zwar sollte der Angeklagte in der Regel nicht vom Vorsitzenden im Anschluss an die Urteilsverkündung zu einem Rechtsmittelverzicht veranlasst werden (zu vgl. Nr. 142 Abs. 2 RiStBV).
Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers ergibt sich jedoch aus der dienstlichen Äußerung des Tatrichters, dass dieser den Angeklagten gerade nicht zu einem Rechtsmittelverzicht veranlassen wollte. Der Tatrichter hat in seiner Stellungnahme erklärt, der Angeklagte habe nach Rechtsmittelbelehrung geäußert, er müsse das Urteil wohl annehmen. Daraufhin habe er erklärt, ermüsse nicht, er könne. Er müsse das Urteil nicht annehmen bzw. Rechtsmittelverzicht erklären. Daraufhin habe der Angeklagte Rechtsmittelverzicht erklärt.
Aufgrund der dienstlichen Äußerung des Tatrichters und der protokollierten Erklärung des Angeklagten ist von einem eindeutigen, vorbehaltlosen ausdrücklichen Verzicht auszugehen. Die dienstliche Äußerung gibt überdies Aufschluss darüber, dass der Angeklagte die Tragweite seiner Erklärung sehr wohl erkannt hat. Dies ergibt sich bereits aus dessen Wortwahl.
Auch der Vortrag des Angeklagten, erhabe das Gericht so verstanden, dass eine weitere Verhandlung keinen Sinn gebe und sich im Hinblick auf die Kostentragungspflicht unter Druck gesetzt gefühlt habe, ohne Beratung mit einem Anwalt eine Erklärung abzugeben, deren Tragweite er sich nicht bewusst gewesen sei, vermag eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Denn lediglich die erwiesenen Irreführung durch unrichtige amtliche Auskünfte macht eine Erklärung unwirksam (zu vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., Rdnr. 22 zu § 302). Anhaltspunkte dafür hat der Angeklagte jedoch weder vorgetragen, noch sind diese ersichtlich.
Der sofortigen Beschwerde ist daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.
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