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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss 73/04 OLG Hamm

Leitsatz: Vom Tatrichter sind bei einem Verstoß gegen das BtM-Gesetz konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt zu treffen oder es ist von der für den Angeklagten günstigsten Qualität auszugehen, die nach den Umständen in Betracht kommt.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Feststellungen; Umfang; Verstoß gegen das BtM-Gesetz; konkrete Feststellungen; Wirkstoffgehalt

Normen: StPO 267

Beschluss: Strafsache
gegen M.E.
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts
- Schöffengerichts - Lüdenscheid vom 27. November 2003 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 04. 03 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Lüdenscheid zurückverwiesen.

G r ü n d e :
I.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Lüdenscheid hat den Angeklagten mit Urteil vom 27. November 2003 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die Einziehung des sichergestellten Heroins sowie eines Geldbetrages von 365,- € wurde angeordnet. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit am 1. Dezember 2003 beim Amtsgericht Lüdenscheid eingegangenen Schriftsatz seines ehemaligen Verteidigers Berufung eingelegt. Nach Zustellung des schriftlichen Urteils an den ehemaligen Verteidiger am 19. Dezember 2003 hat der Angeklagte mit am 19. Januar 2004 eingegangenen Schriftsatz seines jetzigen Verteidigers das Rechtsmittel als Revision bezeichnet und begründet. Der Angeklagte rügt die Verletzung sachlichen Rechts und beantragt, das Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Lüdenscheid zu verweisen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat ebenfalls beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Lüdenscheid zurückzuverweisen.

II.
Die (Sprung-)Revision des Angeklagten ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufigen - Erfolg.

Die Überprüfung des Urteils auf die allein erhobene Sachrüge hin lässt einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen. So hat das Amtsgericht keine eindeutigen Feststellungen zu dem dem Angeklagten zur Last gelegten Schuldumfang getroffen. Vorliegend wird dem Angeklagten vorgeworfen, in zwei Fällen mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel getrieben zu haben. Dabei hat das Amtsgericht festgestellt, dass es sich um Heroin handelte und auch Angaben zur jeweiligen Menge des Heroins gemacht. Es fehlen jedoch Angaben zu dessen Qualität bzw. zu dessen zumindest vorhandenem Wirkstoffgehalt. Insoweit sind die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen lückenhaft und nicht ausreichend.

Neben der Art und der Menge des Betäubungsmittels, auf das sich die Tat bezieht, ist insbesondere dessen Qualität von wesentlicher Bedeutung für die Strafzumessung. Für den Schuldumfang ist es erheblich, welche betäubungsmittelrelevanten Wirkstoffmengen sich in dem jeweiligen Betäubungsmittelgemisch befunden haben (vgl. Körner, BtMG, 5. Aufl., § 29 Rn. 425; OLG Köln, VRS 100, 187, 189; jew. m.w.N.). Vom Tatrichter sind daher konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt zu treffen oder es ist von der für den Angeklagten günstigsten Qualität auszugehen, die nach den Umständen in Betracht kommt. Ist eine genaue Bestimmung des Wirkstoffgehalts nicht möglich, ist die Qualität des Betäubungsmittels unter Berücksichtigung anderer hinreichend sicher feststellbarer Tatumstände wie beispielsweise Herkunft, Preis und Beurteilung der Betäubungsmittel durch Tatbeteiligte sowie letztlich des Grundsatzes „in dubio pro reo“ zu ermitteln (vgl. Körner, a.a.O., § 29 Rn. 425, 433, § 29 a Rn. 97; OLG Köln, a.a.O.). Von genaueren Feststellungen darf lediglich dann abgesehen werden, wenn auszuschließen ist, dass eine genaue Angabe des Wirkstoffgehalts das Strafmaß zugunsten des Angeklagten hätte beeinflussen können (vgl. Körner, a.a.O., § 29 a Rn. 85). Hiervon kann im vorliegenden Fall angesichts der jeweils verhängten nicht unerheblichen Einzelfreiheitsstrafen von sechs und neun Monaten jedoch nicht ausgegangen werden. Da die jeweiligen Heroinmengen sichergestellt wurden, dürften sich zudem die Wirkstoffgehalte und damit die Qualität des Heroins noch feststellen lassen.

Das angefochtene Urteil konnte somit keinen Bestand haben, so dass es mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Lüdenscheid zurückzuverweisen war (§ 354 Abs. 2 StPO).


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