Aktenzeichen: 1 Ws 74/04 OLG Hamm
Leitsatz: Die gemäß § 314 StPO für die Einlegung der Berufung erforderliche Schriftform verlangt nicht unbedingt die handschriftliche Unterzeichnung der schriftlichen Rechtsmittelbelehrung
Senat: 1
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Berufung; Schriftform; Anforderungen
Normen: StPO 314
Beschluss: Strafsache
gegen M.D.
wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 18. Dezember 2003 gegen den Beschluss der XII. Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 12. Dezember 2003 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11. 03. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.
Gründe:
I.
Mit Urteil vom 10. September 2003 hat das Amtsgericht Lünen den Angeklagten wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt sowie eine isolierte Sperrfrist gemäß § 69 a StGB von zwei Jahren angeordnet. Gegen dieses in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte mit Schreiben vom 11. September 2003, eingegangen beim Amtsgericht Lünen am 12. September 2003, Widerspruch eingelegt. Das mit der Absenderangabe M. und J.D. versehene Schreiben, in dem der Angeklagte um eine nochmalige Bewährungschance bittet, endet mit der Grußformel:
Mit freundlichem Gruß
M.D.,
ist jedoch nicht handschriftlich unterzeichnet.
Mit Beschluss vom 12. Dezember 2003 hat das Landgericht Dortmund - XII. Strafkammer - auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Berufung des Angeklagten als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, die in § 314 StPO vorgeschriebene Schriftform sei wegen Nichtunterzeichnung des Schreibens vom 11. September 2003 nicht gewahrt.
Gegen diesen Beschluss, der dem Angeklagten am 18. Dezember 2003 zugestellt worden ist, hat der Angeklagte mit Schreiben vom 18. Dezember 2003, welches den Poststempel vom selben Tag trägt, Widerspruch eingelegt. Der Eingang dieses Widerspruchsschreibens bei Gericht ist nicht in der Akte vermerkt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
II.
Bei dem schriftlichen Widerspruch des Angeklagten vom 18. Dezember 2003 handelt es sich der Sache nach um eine gemäß § 322 Abs. 2 StPO statthafte sofortige Beschwerde gegen den Verwerfungsbeschluss des Landgerichts vom 12. Dezember 2003. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, sie wurde form- und fristgerecht - von einem Eingang der Beschwerdeschrift innerhalb einer Woche nach Zustellung ist aufgrund des Poststempels auszugehen - eingelegt.
Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Lünen vom 10. September 2003 zu Unrecht gemäß § 322 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen. Mit seinem Schreiben vom 11. September 2003, das am 12. September 2003 bei dem Amtsgericht Lünen einging, hat der Angeklagte form- und fristgerecht gemäß § 314 StPO Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Lünen vom 10. September 2003 eingelegt. Entgegen der von dem Landgericht vertretenen Auffassung wurde mit diesem Schreiben die Schriftform des § 314 Abs. 1 StPO gewahrt. Zwar hat der Angeklagte sein als Berufungsschrift anzusehendes Widerspruchsschreiben nicht handschriftlich unterzeichnet. Die gemäß § 314 StPO für die Einlegung der Berufung erforderliche Schriftform verlangt jedoch, worauf auch das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss hingewiesen hat, nicht unbedingt die handschriftliche Unterzeichnung der schriftlichen Rechtsmittelbelehrung. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des für bestimmte Prozesshandlungen vorgesehenen Schriftformerfordernisses genügt zur Wahrung der Schriftform, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können; ferner muss zweifelsfrei feststehen, dass es sich nicht um einen bloßen Entwurf handelt, sondern dass das Schriftstück mit Wissen und Wollen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (zu vgl. GmS-OGB, NJW 1980, 172; GmS-OGB in BGHZ 144, 160; BGH NStZ-RR 2000, 305; OLG Zweibrücken, NStZ-RR 2000, 350; NStZ 1984, 576; Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., Einl. Rdnr. 128). Diesen Anforderungen an das Schriftformerfordernis genügt das Schreiben des Angeklagten vom 11. September 2003. Aufgrund der Absenderangabe, des Inhalts des Schreibens, mit dem der Angeklagte - insoweit in Übereinstimmung mit seinem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag - nochmals um die Einräumung einer Bewährungschance bittet, und der abschließenden Grußformel Mit freundlichen Grüßen M.D. besteht kein Zweifel daran, dass das Rechtsmittelschreiben von dem Angeklagten stammt und mit seinem Wissen und Willen dem Amtsgericht Lünen auf dem Postweg übermittelt worden ist. Dass auf dem Briefkopf neben dem Namen des Angeklagten der seiner Ehefrau J. angegeben ist, ändert nichts an dem eindeutig erkennbaren Umstand, dass die Rechtsmittelschrift vom 11. September 2003 jedenfalls auch von dem Angeklagten herrührt und, von seinem Willen getragen, dem Amtsgericht Lünen zugesandt worden ist. Den gleichen Briefkopf und eine identische Grußformel hatte der Angeklagte im Übrigen bereits in seinem an die Staatsanwaltschaft Lünen gerichteten und von ihm unterzeichneten Schreiben vom 2. August 2003 verwendet, in dem er zur Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 8. Juli 2003 Stellung genommen hat.
Nach alledem war der angefochtene Beschluss des Landgerichts aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 467, 473 StPO.
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