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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss OWi 145/04 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Begründung der Entscheidung, von einem Fahrverbot absehen zu wollen.

Senat: 4

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Fahrverbot, Absehen; Begründung der Entscheidung, berufliche Gründe

Normen: BKatV 4

Beschluss: Bußgeldsache
gegen H.S.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg gegen das Urteil des Amtsgerichts Soest vom 28. Oktober 2003 hat der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 09. 03. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Soest zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Die Betroffene ist durch Urteil des Amtsgerichts Soest wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit zu einer Geldbuße von 200,00 € verurteilt worden. Von der Verhängung eines Fahrverbots hat das Amtsgericht abgesehen.

Nach den getroffenen Feststellungen überschritt die Betroffene am 10. März 2003 als Fahrerin des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen SO JA 845 in Werl (Stadtwald) außerhalb geschlossener Ortschaft auf der B 63 die außerorts dort zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h fahrlässig um 42 km/h.

Den Rechtsfolgenausspruch hat das Amtsgericht wie folgt begründet:

„Für die danach von der Betroffenen vorwerfbar und fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 42 km/h außerorts sieht die Bußgeldkatalogverordnung einen Regelsatz von 100,00 € sowie die Verhängung eines Fahrverbots für die Dauer von einem Monat vor. Das Gericht hat unter angemessener Verdoppelung der Geldbuße auf 200,00 € von der Anordnung des Fahrverbotes abgesehen. Dabei ist sich das Gericht bewusst, dass bei Vorliegen eines sogenannten Regelfalles von der Anordnung eines Fahrverbotes nur bei Verkehrsgegebenheiten mit denkbar geringer Gefährlichkeit und minimalem Handlungsunwert im Verhalten des Betroffenen oder dann abgesehen werden kann, wenn eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher und durchschnittlicher Umstände oder erhebliche Härten eine solche Ausnahme begründen. Die Betroffene ist beruflich auf den Führerschein angewiesen, um für sich und ihre beiden Kinder die Lebensgrundlage sicherzustellen. Als selbständige Vermögensberaterin die Betroffene hat hierzu eine entsprechende Visitenkarte in der Hauptverhandlung vorgelegt berät die Betroffene Kunden in der ganzen Bundesrepublik, wobei ihre Fahrleistung jährlich bei ca. 30.000 Kilometer liegt. Angestellte hat sie nicht. Urlaub für die Dauer eines Fahrverbots kann sie aufgrund der dann gegebenen Einnahmeausfälle nicht nehmen. Das Gericht glaubt den nachvollziehbaren, in sich schlüssigen Angaben der Betroffenen. Das Gericht ist vorliegend insbesondere aufgrund des von der Betroffenen in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks davon überzeugt, dass die mit dem an sich verwirkten Fahrverbot erstrebte Denkzettel und Besinnungsfunktionen bei dieser Betroffenen auch durch die erhöhte Geldbuße von 200,00 € erreicht werden kann. Die Betroffene hat ihr Fehlverhalten unumwunden eingeräumt und sich einsichtig gezeigt. Trotz ihrer nicht unbeträchtlichen jährlichen Fahrleistung ist sie verkehrsrechtlich gänzlich unbelastet. Zudem liegt die nunmehrige Geschwindigkeitsüberschreitung lediglich 1 km/h über der Grenze, ab welcher in der Regel ein Fahrverbot anzuordnen ist. Bei Betrachtung der gesamten Umstände ist nach Auffassung des Gerichts die Festsetzung einer erhöhten Geldbuße ausreichend, um die Betroffene künftig zur Einhaltung der Verkehrsvorschriften anzuhalten.“

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Arnsberg, mit der sie eine Verletzung materiellen Rechts rügt und sich insbesondere gegen das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes wendet. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Rechtsbeschwerde beigetreten.

II.
Die zulässige und wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde führt zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch. Die Entscheidung des Amtsgerichts über das Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, zwar in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (vgl. BGH NZV 1992, 286, 288). Diesem ist jedoch insoweit kein rechtlich ungebundenes freies Ermessen eingeräumt, das nur auf Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte oder von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht, und zwar insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzung eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbotes nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist (vgl. OLG Hamm, JMBl. 1996, 246).
Berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge eines angeordneten Fahrverbotes hat der oder die Betroffene regelmäßig hinzunehmen. Derartige Nachteile rechtfertigen daher kein Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbotes, sondern grundsätzlich nur Härten ganz außergewöhnlicher Art, wie z. B. ein drohender Verlust des Arbeitsplatzes oder der Verlust einer sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage (OLG Hamm, DAR 1996, 325 und VRS 90, 210). Die Urteilsausführungen lassen insbesondere jegliche Erwägungen zu der Möglichkeit vermissen, dass die Betroffene notwendige Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchführen kann und im Hinblick auf § 25 a StVG die Zeit des Fahrverbotes zumindest teilweise in ihren Urlaub legen kann.

Zudem hat das Amtsgericht nicht in Betracht gezogen, dass die Betroffene zumindest einen Teil der Fahrten mit Hilfe eines angestellten Fahrers durchführen könnte.

Die Entscheidung über das Absehen von dem Regelfahrverbot ist zudem eingehend zu begründen und durch ausreichende Tatsachen zu belegen (BGH MDR 1992, 278; OLG Hamm, NZV 1996, 118). Ob gravierende berufliche Nachteile ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen können, bedarf der positiven Feststellung durch den Tatrichter, der die entsprechenden Tatsachen in den Urteilsgründen darlegen muss. Die ungeprüfte Wiedergabe einer für nicht widerlegt gehaltene Einlassung der Betroffenen reicht insoweit nicht aus. Der Amtsrichter hat vielmehr die Angaben der Betroffenen auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen und darzulegen, aus welchen Gründen er diese für glaubhaft erachtet. Dies ist im vorliegenden Verfahren nicht geschehen. Die den Erwägungen zum Absehen vom Fahrverbot zugrunde gelegten Fakten beruhen allein auf den Angaben der Betroffenen, die „hierzu eine entsprechende Visitenkarte in der Hauptverhandlung vorgelegt“ hat. Mithin hat die Amtsrichterin nicht überprüft, ob die Angaben der Betroffenen zu ihren beruflichen Verhältnissen zutreffend sind. Dass die Vorlage einer Visitenkarte kein geeignetes Beweismittel ist, bedarf keiner Ausführungen.

Das angefochtene Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und in diesem Umfang zurückzuverweisen. Da der endgültige Erfolg des Rechtsmittels noch nicht feststeht, ist vom Amtsgericht auch eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels zu treffen.


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