Aktenzeichen: 2 Ss OWi 126/04 OLG Hamm
Leitsatz: Die der Verurteilung zugrunde liegende Handlung muss im Bußgeldbescheid eine Grundlage finden und damit die abgeurteilte Tat mit der im Bußgeldbescheid bezeichneten und verfolgten Tat identisch sein.
Senat: 2
Gegenstand: Rechtsbeschwerde
Stichworte: Bußgeldbescheid; Verfahrensgrundlage; Identität; Verfahrensgegenstand
Normen: StPO 264; OWiG 46
Beschluss: Bußgeldsache
gegen M:K.
wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 13. November 2003 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 18. 03. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Amtsgericht Herne-Wanne zurückverwiesen.
G r ü n d e :
Der Betroffene ist durch das angefochtene Urteil wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit nach §§ 41 II, 49 StVO i.V.m. § 24 StVG, also einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, zu einer Geldbuße von 600,- verurteilt worden. Außerdem ist ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet worden, dessen Wirksamkeit eintritt, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
Nach den getroffenen Feststellungen, die der Betroffene geständig eingeräumt haben soll, befuhr er am 8. September 2001 um 12.01 Uhr mit dem PKW amtliches Kennzeichen XXXXXXXXX in Herne in Richtung Duisburg. Bei der in Höhe des Kilometers 44,5 mit dem ProViDa-System durchgeführten Geschwindigkeitsmessung sei eine Geschwindigkeit des PKW von 171 km/h gemessen worden, woraus sich abzüglich des vorgeschriebenen Toleranzwertes von 5 km/h - gemeint ist offensichtlich 5 % - daraus eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 62 km/h ergebe.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben, u.a. wie folgt begründet:
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 und 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist zumindest hinsichtlich der erhobenen Sachrüge zulässig. Ihr ist auch ein (vorläufiger) Erfolg nicht zu versagen.
Die auf das zulässige Rechtsmittel hin von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung der Verfahrensvoraussetzungen ergibt, dass die der Verurteilung zugrunde liegende Handlung im Bußgeldbescheid keine Grundlage findet und damit die abgeurteilte Tat im Gegensatz zu dem Erfordernis des § 264 StPO
i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG mit der in dem Bußgeldbescheid bezeichneten und verfolgten Tat nicht identisch ist.
Grundlage für das gerichtliche Verfahren in Bußgeldsachen ist der Bußgeldbescheid, der den Prozessgegenstand der Person und der Sache nach begrenzt (vgl. Göhler, OWiG, 13. Auflg., vor § 71 , Rdn. 2; OLG Düsseldorf,
DAR 91, 29, 31). Auf eine andere Tat, die nicht im Bußgeldbescheid erfasst ist, darf die gerichtliche Entscheidung nicht erstreckt werden (vgl. Göhler, a.a.O.; OLG Koblenz, VRS 71, 43; BayObLG NJW 94, 2303). Das Amtsgericht hat hier als Tatzeit den 08.09.2001 gegen 12.01. Uhr festgestellt, während der Bußgeldbescheid von einer Tat am 06.04.2002 gegen 07.01. Uhr ausgeht. Es ist zu besorgen, dass das Amtsgericht insoweit von einer anderen Tat, als im Bußgeldbescheid bezeichnet, ausgegangen ist.
Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles letztlich bei, auch wenn es sich bei der im Urteil festgestellten Tatzeit möglicherweise lediglich um ein Schreibversehen handelt, durch das die Tatidentität nicht in jedem Fall in Frage gestellt wäre.
Letztlich Anlass für die Aufhebung des angefochtenen Urteils gibt jedoch auch das ohne Hinzuziehung eines Protokollführers gefertigte Protokoll über die Hauptverhandlung, das bereits ein Datum nicht enthält, während ein Hauptverhandlungsprotokoll über die dann ausgesetzte Hauptverhandlung vom 14. August 2003 ein unzutreffendes Datum enthält. Widersprüchlich ist das Protokoll über die Hauptverhandlung vom 13. November 2003 schon deshalb, weil danach der Betroffene von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden ist und
lediglich sein Verteidiger anwesend war (Seite 1 des Protokolls), während nach den Angaben auf Seite 2 der Betroffene und der Verteidiger auf Verlesung des ihnen bekannten Bußgeldbescheides vom 6. Mai 2002 verzichtet haben sollen und der Betroffene zudem sich zur Äußerung bereiterklärt hat und auch zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen und zur Sache vernommen worden ist. Darüber hinaus soll aber auch nach dem von der Kanzlei offenbar vorbereiteten Protokoll und den insoweit ebenfalls in der jeweiligen Rubrik angebrachten Kreuzen der Bußgeldbescheid vom 6. Mai 2002 sowohl verlesen worden sein als auch lediglich seinem wesentlichen Inhalt nach bekannt gegeben worden sein.
Unter diesen Umständen vermag der Senat auch nicht nachzuvollziehen, auf welcher Grundlage das Geständnis des Betroffenen und seine weiteren Einlassungen prozessordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt worden sind, wobei sich den Urteilsgründen auch nur indirekt und aus ihrem Gesamtzusammenhang entnehmen lässt, dass wohl durch die aufgestellten Verkehrszeichen eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h bestanden haben muss.
Demgemäß war das angefochtene Urteil entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Dabei weist der Senat darauf hin, dass auch der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand hätte haben können.
Unter Reduzierung des vorgesehenen Regelfahrverbots von zwei auf einen Monat hat das Amtsgericht den in Nr. 11.3.9 der Tabelle 1 c der Anlage zu § 1 BKatV vorgesehenen Regelsatz von 275,- nämlich auf 600,- erhöht, obwohl die Geldbuße gemäß § 17 Abs. 1 u. 2 OWiG für fahrlässiges Handeln höchstens 500,- betragen darf (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 24 StVG Rdnr. 43).
Darüber hinaus wird das Amtsgericht für den Fall, dass von einem Fahrverbot nicht abgesehen wird, zu beachten haben, dass dieses dann angesichts des Zeitablaufs
besonderer Begründung bedarf (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2004 in
2 Ss OWi 35/04 m.w.N.; Hentschel, a.a.O., § 25 StVG Rdnr. 24).
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