Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. VIII - 52/04 OLG Hamm
Leitsatz: Dem Pflichtverteidiger kann für seine Tätigkeit im Strafvollstreckungsverfahren eine Pauschvergütung nach § 99 BRAGO bewilligt werden. Hat er an einer Anhörung teilgenommen, ist Grundlage für die gesetzlichen Gebühren § 91 Nr. 2 BRAGO. Wegen der niedrigen gesetzlichen Gebühren kann eine die Wahlverteidigerhöchstgebühr übersteigende Pauschvergütung in Betracht kommen.
Senat: 2
Gegenstand: Pauschvergütung
Stichworte: Pauschvergütung, besonderer Umfang, Strafvollstreckungsverfahren, Wahlverteidigerhöchstgebühr
Normen: BRAGO 99
Beschluss: Strafsache
gegen M.P.
wegen Mordes (hier: Pauschvergütung für den bestellten Verteidiger).
Auf den Antrag des Rechtsanwalts Z. aus B. vom 21. Januar 2004 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Pflichtverteidigung des Verurteilten im Strafvollstreckungsverfahren hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29. 03. 2004 durch Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:
Gründe:
I.
Die Verurteilte ist durch Urteil des Landgerichts Münster vom 27. November 1990 wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der Verurteilte hat beantragt, nach Verbüßung von 15 Jahren Freiheitsstrafe am 21. August 2004 bedingt entlassen zu werden. Die Strafvollstreckungskammer hat daraufhin zunächst die Mindestvollstreckungsdauer auf 25 Jahre festgesetzt. Hiergegen hat der Verurteilte sofortige Beschwerde eingelegt, die teilweise Erfolg hatte. Der hiesige 4. Strafsenat hat die Mindestverbüßungsdauer auf 22 Jahre festgesetzt.
Der Antragsteller ist im vorliegenden Verfahren von der Strafvollstreckungskammer als Pflichtverteidiger des Verurteilten bestellt worden. Er hat in seiner Eigenschaft als Pflichtverteidiger mehrfach Akteneinsicht genommen. Er hat außerdem am Anhörungstermin teil genommen. Er hat gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer sofortige Beschwerde eingelegt und diese begründet. Darüber hinaus hat er auch noch zur Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft eine Erwiderung abgegeben.
Der Antragsteller, dessen gesetzliche Gebühren 100 EURO betragen, hat für seine Tätigkeit eine Pauschvergütung in Höhe von 300 EURO beantragt. Der Vertreter der Staatskasse hat gegen die Gewährung einer Pauschvergütung keine Einwände erhoben.
II.
Dem Antragsteller war gem. § 99 Abs. 1 BRAGO eine Pauschvergütung zu bewilligen, da er in einer "besonders umfangreichen" Strafsache tätig geworden ist.
1. Besonders schwierig im Sinn von § 99 Abs. 1 BRAGO war das Verfahren allerdings nicht. Mit der Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer und dem Vertreter der Staatskasse ist der Senat der Auffassung, dass es sich zwar schon um ein schwieriges, aber noch nicht um ein besonders schwieriges Verfahren gehandelt hat.
2. Das Verfahren war jedoch schon besonders umfangreich" i.S. des § 99 Abs. 1 BRAGO. Die dargelegten Tätigkeiten des Antragstellers gehen erheblich über das hinaus, was in vergleichbaren Strafvollstreckungssachen sonst von Pflichtverteidigern an Zeitaufwand für ihre Mandanten erbracht werden muss. Der Antragsteller hat nämlich nicht nur für den Verurteilten im schriftlichen Verfahren Stellung genommen, sondern war auch im Anhörungstermin vor der Strafvollstreckungskammer anwesend. Zudem hat er die Beschwerde gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer begründet und auch noch auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft erwidert. Beide Stellungnahmen waren zwei Seiten lang.
3. Bei der Bemessung der demnach zu gewährenden Pauschvergütung hat sich der Senat von seiner ständigen Rechtsprechung leiten lassen: Danach (vgl. zuletzt Senat in NStZ-RR 2003, 139 = StraFo 2003, 219 = StV 2004, 96 mit weiteren Nachweisen) ist mangels eines speziellen gesetzlichen Gebührentatbestandes für die Tätigkeit des (erstmals) im Strafvollstreckungsverfahren zum Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalts auf die Vorschrift des § 91 BRAGO zurückzugreifen (siehe auch OLG Düsseldorf StV 1985, 71; OLG Hamm MDR 1994, 736 = StV 1994, 501), die in ihrer Nr. 1 allgemein auf andere nicht in § 91 Nr. 2 und 3 BRAGO genannte Beistandsleistungen abstellt und in Nr. 2 die Beistandsleistung für den Beschuldigten bei Vernehmungen erwähnt. Die vom Antragsteller vorliegend erbrachten Tätigkeiten sind wegen der Teilnahme des Antragstellers an dem Anhörungstermin vorliegend - solange eine gesetzliche Regelung nicht gegeben ist dem § 91 Nr. 2 BRAGO vergleichbar. Legt man diese Gebührenvorschrift zugrunde, ist hier für den Wahlverteidiger grundsätzlich ein Gebührenrahmen von 25 bis 325 EURO eröffnet. Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 1 BRAGO ergibt sich für den Pflichtverteidiger somit eine gesetzliche (Mindest-)Gebühr von 100 EURO.
Im Hinblick auf den für den Senat erkennbaren, im Einzelnen bereits dargelegten Arbeitsaufwand des Antragstellers und unter weiterer Berücksichtigung der Dauer der Beiordnung hielt der Senat eine deutliche Erhöhung der gesetzlichen Gebühr von 100 EURO auf 300 EURO für geboten. Der Senat hatte keine Bedenken, eine Pauschvergütung im Bereich der Wahlanwaltshöchstgebühr von 325 EURO zu gewähren. Zwar ist eine Pauschvergütung in dieser Höhe nach ständiger Rechtsprechung des Senats grundsätzlich sonst nur dann gerechtfertigt, wenn das Verfahren den Pflichtverteidiger über einen längeren Zeitraum ganz oder fast überwiegend in Anspruch genommen hat (siehe u.a. Senat in AGS 2000, 249 und die Zusammenstellung bei Burhoff StraFo 2001, 119, 123). Die dieser Rechtsprechung zugrunde liegenden Fälle sind jedoch, worauf der Senat schon wiederholt hingewiesen hat (vgl. den o.a. Beschluss des Senats vom 20. Juni 1996 sowie auch noch Senat in ZAP EN-Nr. 417/2001 = AGS 2001, 201 = JurBüro 2001, 641), mit denen, in denen bei der Gewährung einer Pauschvergütung von der gesetzlichen Gebühr der §§ 91, 97 BRAGO auszugehen ist, nicht vergleichbar. Hinzu kommt, dass die gesetzliche Gebühr in den Fällen der §§ 91, 97 BRAGO völlig unzulänglich und unbillig niedrig ist. Dieser Mangel, dem der Gesetzgeber für die Zeit nach dem 1. Juli 2004 inzwischen durch die Neuregelung in Teil 4 Abschnitt 2 VV RVG abgeholfen hat, ist nach Auffassung des Senats zur Vermeidung eines - ansonsten verfassungswidrigen - Sonderopfers des Pflichtverteidigers (vgl. dazu zuletzt BVerfG StV 2001, 241) nur dadurch auszugleichen, dass die Wahlverteidigerhöchstgebühr überschritten werden muss.
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