Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. VIII- 50/04 OLG Hamm
Leitsatz: 1. Die Anwendung von § 97 Abs. 3 BRAGO kommt im Berufungsverfahren nicht in Betracht.
2. Zur Berücksichtigung von Besuchen in der Justizvollzugsanstalt bei der Bewilligung einer Pauschvergütung
Senat: 2
Gegenstand: Pauschvergütung
Stichworte:
Normen: BRAGO 99
Beschluss: Strafsache
gegen A.X.,
wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz u.a. (hier: Pauschvergütung für den gem. §§ 99 BRAGO bestellten Verteidiger).
Auf den Antrag des Rechtsanwalts O. aus M. vom 6. Januar 2004 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Verteidigung des ehemaligen Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 4. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:
Dem Antragsteller wird anstelle seiner gesetzlichen Gebühren in Höhe von 3.290,07 EURO eine Pauschvergütung von 4.000 EURO (in Worten: viertausend EURO) bewilligt.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Dem früheren Angeklagten ist im vorliegenden Verfahren neben einem Verstoß gegen das BTM-Gesetz auch eine räuberische Erpressung vorgeworfen worden. Der Antragsteller ist dem ehemaligen Angeklagten am 17. September 2001 während des Berufungsverfahrens zum Pflichtverteidiger bestellt worden. Das Landgericht hat die Berufung des
ehemaligen Angeklagten, der vom Amtsgericht zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und neun Monaten verurteilt worden war, verworfen. Hiergegen hat der ehemalige Angeklagte Revision eingelegt. Das OLG hat das landgerichtliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das Landgericht hat dann die Berufung des ehemaligen Angeklagten erneut verworfen. Die dagegen wiederum eingelegte Revision hatte keinen Erfolg.
II.
Der Antragsteller beantragt für seine von ihm für den ehemaligen Angeklagten erbrachten Tätigkeiten die Bewilligung einer Pauschvergütung nach § 99 Abs. 1 BRAGO.
Der Antragsteller hat für den ehemaligen Angeklagten folgende Tätigkeiten erbracht. Beigeordnet worden ist der Antragsteller als Pflichtverteidiger am 17. September 2001. Zuvor hatte er bereits an drei Hauptverhandlungsterminen im Berufungsverfahren teilgenommen. Insgesamt haben 17 Hauptverhandlungstermine und ein weiterer nach Zurückverweisung des Verfahrens durch das Oberlandesgericht stattgefunden. Die durchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine hat rund 2 Stunden und 20 Minuten betragen. Der Antragsteller hat den ehemaligen Angeklagten während des Berufungsverfahrens insgesamt 23 mal in der Justizvollzugsanstalt besucht. 15 der Besuche haben vor dem 17. September 2001 stattgefunden. Während des ersten Revisionsverfahrens hat der Antragsteller den ehemaligen Angeklagten 14 mal besucht und nach Zurückverweisung des Verfahrens hat er ihn noch weitere 8 mal besucht.
Der Senat hat dem Antragsteller Gelegenheit zur Erläuterung des Anlasses seiner zahlreichen Besuche in der Justizvollzugsanstalt gegeben. Dieser hat dazu ausgeführt, dass die Besuche erforderlich waren, um mit dem ehemaligen Angeklagten die mit der Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen zusammenhängenden Fragen zu erörtern. Wegen der weiteren Einzelheiten hinsichtlich der vom Antragsteller für den ehemaligen Angeklagten erbrachten Tätigkeiten wird auf die dem Antragsteller bekannte Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse vom 20. Februar 2004 Bezug genommen.
Der Vorsitzende der Strafkammer und auch der Leiter des Dezernats 10 der hiesigen Verwaltungsabteilung sind - mit dem Antragsteller - der Auffassung, dass es sich um ein im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO "besonders schwieriges" Verfahren gehandelt habe. Der Leiter des Dezernats 10 der hiesigen Verwaltungsabteilung ist weiterhin der Ansicht, dass das Verfahren aber nicht "besonders umfangreich" im Sinn von § 99 Abs. 1 BRAGO gewesen sei. Gegen die Gewährung einer angemessenen Pauschvergütung wegen der besonderen Schwierigkeit der Sache habe er jedoch keine Bedenken.
Die gesetzlichen Gebühren des Antragstellers betragen 3.290,07 EURO . Der Antragsteller hat eine Pauschvergütung in Höhe von 8.580 EURO beantragt.
III.
Dem Antragsteller war gemäß § 99 BRAGO eine Pauschvergütung zu bewilligen.
Der Antragsteller ist für den ehemaligen Angeklagten in einem im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO "besonders schwierigen" Verfahren tätig geworden. Insoweit nimmt der Senat, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Stellungnahme des Vorsitzenden der Strafkammer vom 12. Februar 2004, der sich auch der Leiter des Dezernats 10 angeschlossen hat, Bezug. Gründe, sich dieser Stellungnahme nicht anzuschließen (vgl. zur grundsätzlichen Maßgeblichkeit der Stellungnahme des Gerichtsvorsitzenden Senat in AnwBl. 1998, 416 = AGS 1998, 104 und in JurBüro 1999, 194 = AGS 1999, 104 = AnwBl. 2000, 56), sind nicht ersichtlich.
Der Antragsteller ist allerdings nicht in einem besonders umfangreichen Verfahren im Sinne des § 99 Abs. 1 BRAGO tätig gewesen.
Besonders umfangreich ist eine Strafsache nach ständiger Rechtsprechung des Senats, die der einhelligen Meinung in Rechtsprechung und Literatur entspricht (vgl. z.B. OLG Koblenz NStZ 1988, 371; siehe auch Gerold/Schmidt/v. Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., 1997, § 99 Rn. 3; Burhoff StraFo 1999, 261), wenn der von dem Verteidiger erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer "normalen" Sache zu erbringen hat. Vergleichsmaßstab sind dabei nur gleichartige Verfahren (OLG Koblenz Rpfleger 1985, 508, OLG München JurBüro 1976, 638 = MDR 1976, 689).
Legt man diesen Maßstab hier zugrunde hat es sich noch nicht um ein "besonders umfangreiches" Verfahren gehandelt. Zu berücksichtigen sind bei der Frage, ob es sich um ein besonders umfangreiches Verfahren gehandelt hat, allerdings nur die vom Antragsteller ab seiner Beiordnung erbrachten Tätigkeiten. Die vorher bereits als Wahlverteidiger erbrachten Tätigkeiten sind ohne Belang. Sie werden auch nicht über § 97 Abs. 3 BRAGO berücksichtigt. Die Anwendung dieser Vorschrift kommt im Berufungsverfahren nicht in Betracht (vgl. Gebauer/Schneider/N.Schneider, BRAGO, § 97 Rn. 25 mit weiteren Nachweisen).
Damit können die Hauptverhandlungstermine vom 30. August , 4. und 14. September 2001 nicht herangezogen werden. Die durchschnittliche Hauptverhandlungsdauer war im Übrigen mit einer durchschnittlichen Dauer von rund 2 Stunden und 20 Minuten nur unterdurchschnittlich. Lediglich zwei der berücksichtigungsfähigen Hauptverhandlungstermine haben mehr als vier Stunden gedauert. Die übrigen Termine waren teilweise erheblich kürzer, so haben drei Termine weniger als 30 Minuten gedauert. Die Termine waren auch locker terminiert.
Auch die vom Antragsteller geltend gemachten Besuche des ehemaligen Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt führen vorliegend nicht dazu, dass dem Antragsteller auch eine Pauschvergütung wegen des besonderen Umfangs zu bewilligen ist. Von den 23 geltend gemachten Besuchen, die der Antragsteller während des ersten Berufungsverfahrens erbracht hat, ist überhaupt nur der Teil berücksichtigungsfähig, der nach dem 17. September 2001 erbracht worden ist. Das sind acht Besuche. Dahinstehen kann in dem Zusammenhang, ob die vom Antragsteller zur Begründung der (hohen) Zahl seiner Besuche vorgetragenen Umstände ausreichen, um die Besuche bei der Bewilligung der Pauschvergütung zu berücksichtigen. Denn selbst wenn das der Fall wäre, werden diese Tätigkeiten durch die nur unterdurchschnittliche Dauer der Hauptverhandlungstermine kompensiert.
Die 14 während des Revisionsverfahrens erbrachten Besuche sind ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig. Insoweit hat der Vertreter der Staatskasse zu Recht darauf hingewiesen, dass der Antrag des Antragstellers jegliche Angaben zur Häufigkeit und Dauer dieser Besuche vermissen lässt (zur Begründung des Pauschvergütungsantrags grundlegend Senat in NStZ-RR 2001, 158 = AGS 2001, 154 = StV 2004, 92[ Ls.]). Das gilt auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats, wonach die Anforderungen an die Begründung des Pauschvergütungsantrags nicht überspannt werden dürfen (Senat in AGS 2001, 202 = StraFo 2001, 362 = NStZ-RR 2001, 352 = JurBüro 2001, 589). Denn auch der nachträglichen Begründung des Pauschvergütungsantrags im Schriftsatz des Antragstellers vom 15. April 2004 lässt sich nicht entnehmen, warum diese Besuche während des laufenden Revisionsverfahrens erforderlich waren. Zu diesem Zeitpunkt konnten die Fragen der Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen, die während der Tatsacheninstanz von Belang gewesen sein mögen, nicht mehr Anlass für die Besuche gewesen sein. Entsprechendes gilt für die vom Antragsteller geltend gemachten weiteren acht Besuche während des nach Zurückverweisung beim Landgericht durchgeführten Berufungsverfahrens. Der Antragsteller gibt keine Erklärung, warum er, nachdem das erste landgerichtliche Berufungsurteil im Schuldspruch rechtskräftig geworden war, noch so zahlreiche Besuche des ehemaligen Angeklagten erforderlich gewesen sind.
Bei der somit nach allem nur wegen der besonderen Schwierigkeit zu bewilligenden Pauschvergütung hat der Senat alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Insgesamt erschien dem Senat eine Pauschvergütung etwa in Höhe der so genannten Mittelgebühr des Wahlverteidigers, die rund 3.900 EURO betragen hätte, angemessen. Er hat deshalb auf eine Pauschvergütung in Höhe von 4.000 EURO erkannt.
Demgemäss war der weitergehende Antrag des Antragstellers zurückzuweisen. Eine Pauschvergütung in der von ihm geltend gemachten Höhe, die die Rahmenhöchstgebühr eines Wahlverteidigers noch überschritten hätte, kam nicht in Betracht. Eine Pauschvergütung in dieser Höhe ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats nur dann gerechtfertigt, wenn das Verfahren die Arbeitskraft des Pflichtverteidigers über einen längeren Zeitraum ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hat (vgl. Beschluss des Senats vom 16. September 1996 - 2 (s) Sbd. 4 95 u. 96/96 StraFo 1997, 63 = JurBüro 1997, 84). Das war hier indes wegen der unterdurchschnittlichen Dauer der Hauptverhandlungstermine nicht der Fall.
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