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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 VAs 35/77 OLG Hamm

Leitsatz:

Senat: 1

Gegenstand: Justizverwaltungsakt

Stichworte:

Normen:

Beschluss: Justizverwaltungssache
betreffend I.P.
wegen Entfernung einer Eintragung im Bundeszentralregister.
Auf den Antrag der Betroffenen vom 7. September 1977 auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG hat der 1.Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 14. 07. 1978 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung des Generalstaatsanwalts beschlossen:
Der Antrag wird auf Kosten der Antragstellerin verworfen.
Der Geschäftswert wird auf 2,000,-- DM festgesetzt.
1.) Das Bundeszentralregister enthält in Bezug auf die Antragstellerin folgende Eintragung:
"18. 9. 74 - 31 Js 221/74 - StA München II Verfahren eingestellt wegen Schuldunfähigkeit
Tatbezeichnung: Totschlag.
Angewendete Vorschriften: StGB § 212 "
Die Antragstellerin begehrt die Entfernung dieser Eintragung gemäß § 23 Abs. 1 BZRG. Ihren Antrag vom 8. 1. 1976 hat der Generalbundesanwalt - Bundeszentralregister - durch Bescheid vom 2. 4. 1976 zurückgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde ist auf Veranlassung des Bundesministers der Justiz ein medizinisches Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt worden, ob die Antragstellerin geheilt ist oder ob die Möglichkeit von Fehlhandlungen mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Daraufhin hat Prof. Dr. M., Abteilungsvorsteher der forensisch-psychiatrischen Abteilung der Nervenklinik der Universität München ein 56 Seiten umfassendes Gutachten vom 16. 2. 1977 unter Auswertung eines elektroenzephalographischen Zusatzgutachtens des Prof. Dr. K. vom 14. 2. 1977 erstattet. Außerdem hat auf Veranlassung von Prof. Dr. M. der an derselben Klinik tätige Psychologe Dr. S. ein testpsychologisches Zusatzgutachten angefertigt. In ihrer Stellungnahme vom 13. 6. 1977 zu dem Antrag der Antragstellerin hat sich die Staatsanwaltschaft bei dem LG München II auch unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Gutachten gegen eine Entfernung der Eintragung ausgesprochen. In Übereinstimmung damit hat die Registerbehörde der Beschwerde der Antragstellerin nicht abgeholfen. Der Bundesminister der Justiz hat die Beschwerde durch Bescheid vom 19. 8. 1977 zurückgewiesen.
Dagegen richtet sich der Antrag der Antragstellerin auf gerichtliche Entscheidung nach den §§ 23 ff. EGGVG.
2.) Der bezeichneten Registereintragung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 8. 5. 1974 erdrosselte die Antragstellerin ihre am 16. 9. 1972 geborene, mithin etwa 1 1/2 Jahre alte - einzige - Tochter A.. Anschließend stieß sie sich in offenbarer Selbsttötungsabsicht die Klinge eines Taschenmessers in die Brust. Die Antragstellerin hatte auf Veranlassung des Facharztes Dr. M. in Weilheim, in deren Behandlung sie sich Ende April 1974 wegen zunehmender Krampfanfälle begeben hatte, verschiedene antiepileptische Medikamente eingenommen. Nach Anhörung von Dr. M. erließ das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen gegen die Antragstellerin einen Unterbringungsbefehl. Auf Grund dieser Anordnung wurde die Antragstellerin im Bezirkskrankenhaus Haar vorläufig untergebracht. Sie erklärte bei ihrer Vernehmung am 6. 6. 1974, dass nach ihrer Auffassung nur die von Dr. M. verordneten Tabletten die auslösende Ursache für ihr verhalten gewesen sein könnten. Auf Grund einer stationären Untersuchung der Antragstellerin im Frühjahr 1967 in der Neurologischen Klinik der Universität München war bei ihr ein cerebrales Anfallsleiden ohne nachweisbare Ursache diagnostiziert worden. Mit der Erstattung eines Gutachtens für das Ermittlungsverfahren wurde die Abteilungsärztin Dr. S. vom Bezirkskrankenhaus Haar beauftragt. Bei ihrer mündlichen Anhörung am 25. 7. 1974 erklärte die Sachverständige im Rahmen einer vorläufigen gutachtlichen Stellungnahme, sie halte die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 StGB für gegeben, könne aber nicht sagen, ob die reaktive Komponente oder die Menge der vor der Tat verabreichten Medikamente den Ausschlag gegeben habe. In ihrem schriftlichen Gutachten vom 8. 8. 1974 bezeichnet die Sachverständige die Antragstellerin als geistig ungestört. Der epileptische Ausnahmezustand, in welchem die Tat begangen worden war, sei kurz danach abgeklungen. Ins Gewicht fallende Anzeichen einer epileptischen Wesensveränderung seien nicht vorhanden. Eine Verschlechterung des Anfallsleidens sei zwar nicht auszuschließen, doch seien bei ständiger nervenfachärztlicher Betreuung und einer Umstellung auf andere
Medikamente gefährliche Verhaltensweisen der Antragstellerin wenig wahrscheinlich. Auf Grund dieses Gutachtens hob das Amtsgericht den Unterbringungsbefehl am 16. 8. 1974 mit der Begründung auf, dass die öffentliche Sicherheit die Verwahrung der Antragstellerin in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht erfordere. In ihrem abschließenden schriftlichen Gutachten vom 26. 8. 1974 kam die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. S. zu folgendem Ergebnis: Die Antragstellerin leide an einer Epilepsie und neurotischer Entwicklung. Nach einem lange Zeit milden Krankheitsverlauf mit nur gelegentlich auftretenden Krampfanfällen sei es nach der Geburt der Tochter im Jahre 1972 zu einer Anfallshäufung gekommen, die im April 1974 die Einleitung einer antiepileptischen Behandlung notwendig gemacht habe. In der besonders gefährdeten Einstellungsphase habe ein epileptischer Ausnahmezustand eingesetzt. Am Tattage habe zweifellos ein schwerer epileptischer Verstimmungszustand bestanden.
Nachdem das Landgericht die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die vom Amtsgericht beschlossene Aufhebung des Unterbringungsbefehls verworfen hatte, stellte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 18. 9. 1974 das Ermittlungsverfahren mit der Begründung ein, dass auf Grund des Gutachtens der Sachverständigen Dr. S. feststehe, dass die Antragstellerin die Tat infolge eines epileptischen Verstimmungszustandes und somit im Zustande der Zurechnungsunfähigkeit i.S., des § 51 Abs. 1 StGB damaliger Fassung begangen hat.
3.) Ihren Antrag vom 8. 1. 1976 auf Entfernung der Registereintragung hat die Antragstellerin im wesentlichen wie folgt begründet: Ihr grauenhafter Zustand, der zu den Geschehnissen am 8. 5. 1974 geführt habe, sei ausschließlich auf die verheerenden Wirkungen der medikamentösen Fehlbehandlung durch Dr. M. zurückzuführen. Seit ihrem damaligen Krankenhausaufenthalt werde sie mit einem Medikament behandelt, das keinerlei Nebenwirkungen habe. Seitdem habe sie auch keine Anfälle mehr gehabt. Eine Wiederholungsgefahr sei mit Sicherheit ausgeschlossen. Die Eintragung im Register stehe ihrer Rehabilitation im beruflichen und sozialen Leben entgegen. Alle ihre Versuche, eine ihrer Ausbildung als Volksschullehrerin angemessene Beschäftigung bei Behörden oder anderen Stellen zu erreichen, seien an der Eintragung gescheitert. Dies sei wegen des inzwischen eingetretenen Zeitablaufs seit der durch Fremdumstände herbeigeführten Ausnahmesituation unbegründet.
4.) Die Registerbehörde hat ihre ablehnende Entscheidung vom 2. 4. 1976 im wesentlichen wie folgt begründet: Das öffentliche Interesse stehe einer Entfernung der Eintragung gemäß § 23 Abs. 1 BZRG erst dann nicht mehr entgegen, wenn auf Grund sehr langen Zeitablaufs oder nach psychiatrischen Gutachten anzunehmen sei, dass die Gefahr künftigen krankheitsbedingten Fehlverhaltens ausgeschlossen sei. Diese Voraussetzungen lägen noch nicht vor, da nach der Verfahrenseinstellung erst eine verhältnismäßig kurze Zeit verstrichen sei, die Krankheit fortbestehe und nach den seinerzeit erstellten Gutachten die Möglichkeit künftigen krankheitsbedingten Fehlverhaltens nicht völlig ausgeschlossen sei.
5.) Der Sachverständige Dr. M. hat sein Gutachten vom 16. 12. 1977 wie folgt zusammengefasst: Nachdem seit April 1974 Anfallsfreiheit bestehe, eine antiepileptische Dauermedikation offenbar exakt eingehalten werde, der elektroenzephalographische Befund praktisch normal sei und auch keine psychischen Leistungsminderungen oder Wesensveränderungen jetzt nachweisbar seien, brauche mit einem weiteren Fehlverhalten infolge Bewusstseinsstörungen oder krankhafter Störungen der Geistestätigkeit nicht mehr gerechnet zu werden. Die Antragstellerin werde auch in Zukunft entsprechend ihrer Gesamtpersönlichkeit zweifellos in ärztlicher Betreuung bleiben und die jeweils angesetzten Medikamenten-Verordnungen exakt einhalten. Unter diesen Voraussetzungen seien weitere Fehlverhaltensweisen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu erwarten. Zur Förderung einer adäquaten Verarbeitung des Tatgeschehens sei aus psychologisch-psychodynamischer Sicht eine Streichung der Eintragung im Bundeszentralregister wünschenswert. Im wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen ist Dr. S. in seinem testpsychologischen Zusatzgutachten vom 22. 3. 1977 gekommen.
6.) Die ablehnende Beschwerdeentscheidung des Bundesministers der Justiz ist im wesentlichen wie folgt begründet: Das Interesse der Öffentlichkeit daran, dass die in das Bundeszentralregister einzutragenden Entscheidungen auch darin enthalten seien, stehe dem Begehren der Antragstellerin entgegen. Von diesem Interesse der Öffentlichkeit könne auch im Interesse der Rehabilitation der Antragstellerin nicht abgesehen werden, mithin auch nicht aus beruflichen oder anderen persönlichen Gründen. Nur in Ausnahmefällen könne das öffentliche Interesse entfallen, so etwa dann, wenn aus besonderen Gründen die hinreichende Gewähr bestehe, dass keine neuen Fehlverhaltensweisen aufträten oder wenn im Register nur lange zurückliegende Taten eingetragen seien. Diese Voraussetzungen seien nicht zu bejahen, da sich aus dem nervenfachärztlichen Gutachten von Prof. Dr. M. nicht ergebe, dass die Antragstellerin inzwischen völlig gesundet sei. Vielmehr halte der Sachverständige eine fortdauernde ärztliche Betreuung und eine weitere antiepileptische Medikation für erforderlich. Abgesehen davon falle die Entscheidung über eine Einstellung in den öffentlichen Dienst grundsätzlich in den eigenen Verantwortungsbereich der jeweiligen Einstellungsbehörden, und die Registerbehörde sei nicht befugt, die Einstellungsentscheidung in der Weise zu beeinflussen, dass den Einstellungsbehörden durch Entfernung der Registereintragung ein Teil der Beurteilungsgrundlage entzogen werde.
7.) Demgegenüber macht die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung im wesentlichen geltend: Die Entscheidung der Registerbehörde beruhe deswegen auf einem Ermessenfehler, weil sie in tatsächlicher Hinsicht zu Unrecht das Fortbestehen der Gefahr erneuten krankheitsbedingten Fehlverhaltens angenommen habe. Dabei sei ihr ständig wiederholter Hinweis übersehen worden, dass ihr damaliger Ausnahmezustand nicht entscheidend durch ihre epileptische Erkrankung, sondern allein durch die medikamentöse Fehlbehandlung hervorgerufen worden sei. Deswegen, so meint sie, komme für die prognostische Beurteilung der Tatsache, dass sie noch nicht völlig gesund sei, im Hinblick auf das Gutachten von Prof. Dr. M. keine maßgebliche Bedeutung ZU.
Der zulässige Antrag kann keinen Erfolg haben,
Nach § 12 Abs.1 Nr.1 BZRG sind u.a. Verfügungen einer Strafverfolgungsbehörde, durch die ein Strafverfahren wegen erwiesener oder nicht auszuschließender Schuldunfähigkeit ohne Bestrafung abgeschlossen wird, in das Register einzutragen. Die Entfernung einer solchen Eintragung aus dem Register kann nach § 23 Abs. 1 BZRG der Generalbundesanwalt auf Antrag oder von Amts wegen im Benehmen mit der Stelle, welche die Entscheidung getroffen hat, anordnen, soweit nicht das öffentliche Interesse einer solchen Anordnung entgegensteht, Bei der Entscheidung über einen auf die Kann-Bestimmung des § 23 Abs. 1 BZRG gestützten Antrag handelt es sich nach der Rechtsprechung des Senats (Beschl, v, 27, 1. 1975 - 1 VAs 303/74 -; ebenso unter Hinweis auf diesen Beschluss Götz, BZRG, 2, Aufl., Rz.27 zu § 23) um eine Ermessensentscheidung, weswegen der Senat das Verwaltungsermessen nicht durch eigenes Ermessen ersetzen darf, wie sich aus § 28 Abs. 3 EGGVG eindeutig ergibt. Deswegen ist ohne Bedeutung, dass, worauf die Antragstellerin zwar zutreffend hinweist, der Generalbundesanwalt im Anschreiben an die Staatsanwaltschaft München vom 29, 4. 1977 zum Ausdruck gebracht hat, er neige im Hinblick auf die eingeholten positiven Gutachten dazu, dem Antrag stattzugeben. Daraus ergibt sich zwar, dass der Generalbundesanwalt eine Ermessensentscheidung zu Gunsten der Antragstellerin in Betracht gezogen hat. Die Möglichkeit der Wahl zwischen mehreren Entscheidungen liegt jedoch gerade im Wesen des der Behörde eingeräumten Ermessens, und ein Umschwenken von der ursprünglich ohne endgültige Festlegung in Erwägung gezogenen zu der gegenteiligen Entscheidung bedeutet für sich allein noch keinen Ermessensfehler, der dem Gericht ein Eingreifen gestattet.
Erheblich ist dagegen der Einwand der Antragstellerin, die Registerbehörde sei bei der Beurteilung des öffentlichen Interesses am Fortbestand der Eintragung von unrichtigen tatsächlichen Erwägungen ausgegangen. Dieser Einwand greift jedoch im Ergebnis nicht durch. Richtig ist allerdings, dass in keinem der vorliegenden Gutachten die Frage, ob ohne Einnahme der von Dr. M. verordneten Medikamente es nicht zu dem Tatgeschehen am 8, 5. 1974 gekommen wäre, beantwortet und auch in den angefochtenen Bescheiden nicht auf diese Frage eingegangen worden ist. Selbst wenn diese Frage jetzt überhaupt noch sicher zu klären sein sollte, was schon zweifelhaft sein dürfte, so beruht doch deswegen, weil diese Frage ungeklärt geblieben ist, die angefochtene Entscheidung der Registerbehörde weder mit Sicherheit noch auch nur möglicherweise auf einer falschen tatsächlichen Grundlage oder auf einem unzureichend ermittelten Sachverhalt. In tatsächlicher Hinsicht ist die Behörde davon ausgegangen, dass für eine noch nicht absehbare Zeit eine Behandlung der Antragstellerin unter ständiger ärztlicher Aufsicht erforderlich ist. Dieser tatsächliche Ausgangspunkt steht außer Zweifel. Seine Bedeutung für die Entscheidung nach § 23 Abs. 1 BZRG ist eine andere Frage.
Die Registerbehörde hat daraus die Folgerung gezogen, dass deswegen die Gefahr neuer krankheitsbedingter Fehlverhaltensweisen nicht mit dem Grad an Sicherheit, der nach ihrer Auffassung für einen Wegfall des öffentlichen Interesses an der Eintragung erforderlich ist, ausgeschlossen werden kann. Soweit diese Beurteilung auf tatsächlichem Gebiet liegt, steht sie zum Ergebnis der eingeholten Gutachten nicht im Widerspruch. Die darin mit der Vorhersage der Sachverständigen Dr. S. übereinstimmend beurteilte Prognose, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit krankheitsbedingte Verhaltensstörungen nicht zu erwarten seien, steht unter dem Vorbehalt, dass bei der erforderlichen medikamentösen Behandlung der Antragstellerin keine Störungen auftreten, wie es damals nach den Gutachten möglicherweise, nach der Ansicht der Antragstellerin sicher der Fall war. Wenn auch Prof. Dr. M. solche Störungen mit einem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad ausschließt, wofür die durch den Zeitablauf bestätigte Prognose von der Sachverständigen Dr. S. spricht, so bleibt doch nach sämtlichen Sachverständigengutachten ein gewisser Unsicherheitsfaktor. Dass die Registerbehörde den Grad dieses Unsicherheitsfaktors in tatsächlicher Hinsicht falsch eingeschätzt hätte, vermag der Senat den ablehnenden Bescheiden nicht zu entnehmen. Eine andere Frage ist, welche Bedeutung diesem Unsicherheitsfaktor für die rechtliche Beurteilung des Rechtsbegriffs des "entgegenstehenden öffentlichen Interesses" zukommt. Insoweit ist davon auszugehen, dass der gesetzgeberische Grund für die in § 12 BZRG normierte Eintragungspflicht das Interesse der Öffentlichkeit an einer Speicherung dieser Daten ist, Ein Ermessen der Registerbehörde, unter den in § 23 Abs. 1 BZRG bestimmten Voraussetzungen von vornherein von der Eintragung abzusehen, sieht das Gesetz ebenso wenig vor wie eine Tilgung nach Ablauf bestimmter Fristen. Das bedeutet, dass nach Auffassung des Gesetzgebers ein grundsätzlich unbefristetes öffentliches Interesse an einem Fortbestand der nach § 12 BZRG vorzunehmenden Eintragungen besteht. Indem der Gesetzgeber in § 23 Abs. 1 BZRG den Generalbundesanwalt ermächtigt hat, die Entfernung einer solchen Eintragung anzuordnen, soweit das öffentliche Interesse nicht entgegensteht, hat er ersichtlich der Möglichkeit Rechnung tragen wollen, dass das öffentliche Interesse an einem Fortbestand der Eintragung ausnahmsweise im Laufe der Zeit nachlassen und geringer als das Interesse des Betroffenen an einer Entfernung sein kann. Aus dieser Sicht ist die Vorschrift des § 23 Abs. 1 BZRG nicht so zu verstehen, dass sie die sichere Feststellung eines völligen Wegfalls des öffentlichen Interesses an einer weiteren Datenspeicherung voraussetzt, sondern der Registerbehörde die Möglichkeit eröffnen will, zwischen dem Interesse des Betroffenen an einer Entfernung und dem - nachlassenden - öffentlichen Interesse an einem weiteren Fortbestand der Eintragung abzuwägen. Dafür spricht zunächst, dass bei einem völligen Wegfall des öffentlichen Interesses an einem Fortbestand der Eintragung zugleich der rechtspolitische Grund für die in § 12 BZRG normierte Eintragungspflicht entfällt und es deswegen nicht der Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 BZRG sein kann, der Registerbehörde nur für diesen extremen Ausnahmefall ein Ermessen einzuräumen, das dann wohl kaum jemals zu Ungunsten des Betroffenen ausgeübt werden könnte. Ferner wäre die Vorstellung, bei der Beantwortung der Frage nach einem Wegfall des öffentlichen Interesses sei nur eine richtige Lösung möglich, ebenso eine Fiktion wie etwa bei der Anwendung des Begriffs der "Eignung zur Jugendgefährdung" (vgl. dazu BVerwGE 39, 197 = NJW 1972, 596, 597; ferner zum Stand der Meinungen zur Lehre vom unbestimmten Rechtsbegriff Schmidt in NJW 1975, 753 m.w.Nachw.). Schließlich spricht für diese Auffassung die Formulierung: "... Soweit das öffentliche Interesse ... nicht entgegensteht". Auch diese Formulierung deutet an, dass es auf die Prüfung des Umfangs ("soweit") des noch entgegenstehenden öffentlichen Interesses ankommen soll. Das bedeutet, dass es nach dem Sinn und Zweck des § 23 Abs. 1 BZRG bei dem Merkmal des "entgegenstehenden öffentlichen Interesses" nicht um einen unbestimmten Rechtsbegriff im Sinne einer vom Gericht im vollen Umfang nachprüfbaren Voraussetzung der Ermächtigungsnorm handelt, sondern dass die Ermessensausübung sich gerade auf die Abwägung zwischen dem Interesse des Betroffenen und dem Interesse der Öffentlichkeit erstrecken soll. Infolgedessen ist die Nachprüfung der von der Registerbehörde nach § 23 Abs. 1 BZRG getroffenen Ermessensentscheidung insgesamt darauf beschränkt, ob die Behörde von einem zutreffend und vollständig ermittelten
Sachverhalt sowie von richtigen in der Ermächtigungsnorm zum Ausdruck kommenden Maßstäben ausgegangen ist und sich innerhalb des ihr eingeräumten Ermessens gehalten hat, ohne sich insoweit von sachfremden Erwägungen leiten zu lassen.
Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung unter diesen Gesichtspunkten lässt einen solchen zur Rechtswidrigkeit führenden Ermessensfehler nicht erkennen. Dadurch, dass die Registerbehörde im vorliegenden Fall dem bezeichneten - wenn auch sicherlich geringen - Unsicherheitsfaktor bei der Beurteilung der Prognose in Anbetracht des im Verhältnis zu dem Anlass der Eintragung geringen Zeitablaufs von jetzt 4 Jahren das Übergewicht gegenüber dem durchaus verständlichen Interesse der Antragstellerin an einer Entfernung der Eintragung eingeräumt hat, hat sie von ihrem Ermessen noch nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Dem steht auch nicht entgegen, dass in den von der Registerbehörde eingeholten Gutachten die Entfernung der Eintragung aus psychologischer Sicht als wünschenswert bezeichnet worden ist. Dass die Registerbehörde diesen Gesichtspunkt bei ihrer Abwägung unberücksichtig gelassen hätte, ist auszuschließen, da der Generalbundesanwalt bei der erneuten Vorlage der Akten an den Bundesminister der Justiz auf diese Empfehlung der Sachverständigen ausdrücklich hingewiesen hat. Wenn die Registerbehörde der Empfehlung der Sachverständigen nicht gefolgt ist und dem öffentlichen Interesse an einem Fortbestand der Eintragung die größere Bedeutung eingeräumt hat, so hat sie damit ihr Ermessen weder missbraucht noch willkürlich oder in sonstiger Weise ermessensfehlerhaft ausgeübt.
Auf die von der Antragstellerin beantragte persönliche Anhörung durch den Senat oder einen beauftragten Richter des Senats kommt es nicht an. Der Zweck einer solchen Anhörung könnte nur darin bestehen, dem Senat die Möglichkeit zu eröffnen, sich einen persönlichen Eindruck von der Antragstellerin zu verschaffen. Welche Bedeutung einem solchen persönlichen Eindruck für eine Ermessensentscheidung eingeräumt werden könnte, kann dahingestellt bleiben, da der Senat kein eigenes Ermessen ausüben, sondern lediglich das von der Registerbehörde ausgeübte Ermessen in den aufgezeigten engen Grenzen nachzuprüfen hat. Dafür ist aber ein persönliches Erscheinen der Antragstellerin ohne Bedeutung.
Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen sowie die Wertfestsetzung beruhen auf den §§ 30 EGGVG, 30, 130 KostO.


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