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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ss 168/04 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Wird ein Urteil im Strafausspruch mit den dazu gehörenden Feststellungen aufgehoben, können diese für das neue Urteil nicht mehr, auch nicht im Wege der Bezugnahme oder Verweisung herangezogen werden. Werden sie dennoch herangezogen, handelt es sich um einen Rechtsfehler, der jedoch nur dann zur Aufhebung des neuen Urteils führt, wenn er sich auf die Höhe der verhängten Strafen ausgewirkt hat.
2. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen darf nämlich bei der Gesamtstrafenbildung in einfach gelagerten Fällen auch auf die bis dahin im Urteil zur Bildung der Einzelstrafen niedergelegten Erwägungen Bezug genommen werden

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Strafausspruch; Aufhebung; neue Feststellungen erforderlich; Bezugnahme auf die aufgehobenen, Rechtsfehler; Beruhen; Gesamtstrafenbildung

Normen: StPO 267; StGB 55

Beschluss: Strafsache
gegen M.S.
wegen Diebstahls

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Schöffengerichts Minden vom 13. Januar 2004 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13. 05. 2004 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gem. § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:

Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Gründe:
I.
Das Schöffengericht Minden hatte den Angeklagten am 06. Juni 2003 wegen Diebstahls in zwei Fällen, Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und gewerbsmäßigen Diebstahls in vier Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt.

Auf die Sprungrevision des Angeklagten hat der Senat durch Beschluss vom 23. September 2003 den Schuldspruch des Urteils des Schöffengerichts Minden vom 06. Juni 2003 dahingehend berichtigt, dass der Angeklagte des Diebstahls in fünf Fällen, des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls schuldig ist. Darüber hinaus hatte der Senat das seinerzeit angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, und zwar im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe sowie im Ausspruch hinsichtlich der Einzelfreiheitsstrafen für die Taten vom 08. Oktober 2002, vom 24. November 2002 und vom 10. Dezember 2002, und im Umfang der Aufhebung die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Schöffengerichts Minden zurückverwiesen. Die weitergehende Revision des Angeklagten hatte der Senat als offensichtlich unbegründet verworfen. Der Senat hatte beanstandet, dass sich die Taten vom 08. Oktober 2002, vom 24. November und vom 10. Dezember 2002 jeweils auf geringwertige Sachen bezogen, so dass im Hinblick auf § 243 Abs. 2 StGB keine Bestrafung wegen gewerbsmäßigen Diebstahls in diesen Fällen erfolgen durfte.

Mit dem nunmehr abermals angefochtenen Urteil vom 13. Januar 2004 hat das Schöffengericht im Tenor festgestellt, dass der Angeklagte des Diebstahls in fünf Fällen, des Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und des versuchten gewerbsmäßigen Diebstahls schuldig ist und ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Für die Taten vom 08. Oktober 2002, vom 24. November 2002 und vom 10. Dezember 2002 hat es dabei jeweils Einzelfreiheitsstrafen von drei Monaten Freiheitsstrafe verhängt. Damit ergaben sich insgesamt zwei Einzelfreiheitsstrafen von jeweils sieben Monaten, vier Einzelfreiheitsstrafen von jeweils drei Monaten und eine Einzelfreiheitsstrafe von vier Monaten, aus denen das Schöffengericht sodann „unter erneuter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände“ unter Erhöhung der Einzelstrafe von sieben Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten gebildet hat. Eine weitere Begründung für die Gesamtstrafenbildung findet sich abgesehen von dem Hinweis darauf, dass die Gesamtstrafe einerseits die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen durfte und andererseits den Angeklagten auch nicht schlechter stellen durfte, als er durch das Urteil des Amtsgerichts Minden vom 26. Juni 2003 stand, nicht.

Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Sprungrevision beanstandet der Angeklagte insbesondere die Gesamtstrafenbildung des angefochtenen Urteils als formelhaft und erhebt im Übrigen die allgemeine Sachrüge.

II.
Die zulässige Sprungrevision des Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Revision war als unbegründet zu verwerfen. Das angefochtene Urteil ist zwar nicht frei von Rechtsfehlern, es kann aber ausgeschlossen werden, dass es auf den Rechtsfehlern, auf die im Folgenden näher einzugehen sein wird, beruht.

1. Als rechtsfehlerhaft zu beanstanden ist zunächst, dass das Schöffengericht unter Verletzung der §§ 267 Abs. 3; 353 Abs. 2 StPO die Feststellungen in dem durch den Senatsbeschluss vom 23. September 2003 aufgehobenen Urteil des Schöffengerichts Minden vom 06. Juni 2003 zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten als bindend angesehen und es rechtsfehlerhaft unterlassen hat, insoweit eigene, vollständige und in sich geschlossene Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten zu treffen.

Wird ein Urteil nur im Strafausspruch mit den dazu gehörenden Feststellungen aufgehoben, so bleiben zwar alle den Schuldspruch tragenden Feststellungen bestehen. Durch die Entscheidung des Revisionsgerichts aufgehoben sind dann aber andererseits alle die Feststellungen, die sich ausschließlich auf den Strafausspruch beziehen. Diese Feststellung kann deshalb für das neue Urteil nicht mehr, auch nicht im Wege der Bezugnahme oder Verweisung herangezogen werden. Insoweit muss vielmehr der erneut entscheidende Tatrichter umfassend eigene Feststellungen treffen und in den Urteilsgründen mitteilen. Dabei müssen die neuen Feststellungen mit den aufrechterhaltenen Feststellungen aus dem früheren Urteil ein einheitliches und widerspruchsfreies Ganzes bilden (BGHSt 24, 274, 275 f; vgl. BGHR StPO § 353 Abs. 2 Teil Rechtskraft 16; BGH NStZ 1994, 25 (bei Kusch); BGH NStZ 1992, 29 (bei Kusch); BGH NStZ 1987, 220 (bei Pfeiffer/Miebach); BGH NStZ 1985, 309). Solche Feststellungen sind Voraussetzungen für die bei der Strafzumessung unerlässliche Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten (§ 46 Abs. 2 StGB), ihr Fehlen stellt einen Sachmangel dar, der bereits auf die allgemeine Sachrüge zu beachten ist (BGH NStZ 1985, 309). Dies gilt auch dann, wenn neben dem Hinweis bzw. der Bezugnahme auf die früher getroffenen Feststellungen von dem neu entscheidenden Tatrichter wie hier ergänzende Feststellungen getroffen worden sind (BGH, NStZ 1987, 220 (bei Pfeiffer/Miebach).

Dieser sachlich-rechtliche Mangel nötigt hier jedoch nicht zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, da er sich auf die Höhe der verhängten Einzelfreiheitsstrafe für die Taten vom 08. Oktober 2002, vom 24. November 2002 und vom 10. Dezember 2002 sowie auf die Höhe der gegen den Angeklagten verhängten Gesamtfreiheitsstrafe nicht ausgewirkt hat (vgl. zur Beruhensfrage auch BGHR, StPO, § 353 Abs. 2, Teilrechtskraft 16).

Nach dem Verlauf der Hauptverhandlung, in der Beweis nur durch Verlesung des Urteils des Schöffengerichts Minden vom 06. Juni 2003 und des Beschlusses des Senats vom 23. September 2003 sowie durch die Einlassung des Angeklagten zu seinen persönlichen Verhältnissen in Ergänzung zu den insoweit in dem Urteil des Amtsgerichts Minden vom 06. Juni 2003 getroffenen Feststellungen erhoben worden ist, lag für alle Verfahrensbeteiligten auf der Hand, dass das Schöffengericht den neuen Urteil im Übrigen die im Urteil vom 06. Juni 2003 getroffenen Feststellungen, insbesondere auch zur Person des Angeklagten, zugrunde legen würde. Angesichts dessen, dass das Schöffengericht hinsichtlich der Entwicklung der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten seit dem Urteil vom 06. Juni 2003 ergänzende Feststellungen getroffen hat, die die weitere Entwicklung des Angeklagten in jenem Zeitraum abdecken, ist nichts dafür ersichtlich, dass das Schöffengericht von den Feststellungen in dem Urteil vom 06. Juni 2003 abweichende, für den Angeklagten günstigere eigene Feststellungen hätte treffen können, zumal auch mit der Revision keine konkreten Behauptungen in dieser Richtung aufgestellt werden (vgl. BGHR, StPO, § 353 Abs. 2 Teilrechtskraft 16).

2. Entgegen der Ansicht der Revision enthält auch die Gesamtstrafenbildung des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten. Allerdings ist der Revision zuzugeben, dass sich die Gesamtstrafenbildung auf die Bezugnahme auf die bereits im Rahmen der Bildung der Einzelstrafen für die Taten vom 08. Oktober 2002, vom 24. November 2002 und vom 10. Dezember 2002 getroffenen Erwägungen beschränkt. Eine solche Vorgehensweise ist indes nicht stets rechtsfehlerhaft. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen darf nämlich bei der Gesamtstrafenbildung in einfach gelagerten Fällen auch auf die bis dahin im Urteil zur Bildung der Einzelstrafen niedergelegten Erwägungen Bezug genommen werden (BGHR, StGB, § 55 Abs. 1 Satz 1 Strafen, einbezogene 1, 6; BGHSt 24, 268, 271). Diesem Erfordernis ist u. a. dadurch entsprochen, dass das Gericht wie hier die Gesamtstrafe „unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte“ gebildet hat (vgl. BGHR, StGB, § 55 Abs. 1 Satz 1 Strafen, einbezogene 6). Im vorliegenden Fall hat sich die Strafkammer bei den Erwägungen zu den genannten drei Einzelstrafen ausführlich mit den für die Strafzumessung maßgebenden Gesichtspunkten auseinandergesetzt und schon dabei in sachgerechter Weise das Gesamtbild der abzuurteilenden Taten mit in Betracht gezogen (vgl. BGHR, StGB, § 54 Abs. 1 Bemessung 1). Insbesondere hat das Schöffengericht die einschlägigen strafrechtlichen Vorbelastungen und die hohe Rückfallgeschwindigkeit des Angeklagten mit einer erneuten Serie einschlägigen Straftaten bereits im Rahmen der Bemessung der Einzelstrafen herausgearbeitet, andererseits aber auch sein umfassendes Geständnis, seine Betäubungsmittelabhängigkeit und die zum Zeitpunkt der erneuten Hauptverhandlung bereits dreizehn Monate anhaltende Untersuchungshaft des Angeklagten. Es handelt sich hierbei sämtlich um Umstände, die vor allem auch für die Bildung der Gesamtstrafe von Bedeutung sind. Bei dieser Sachlage durfte sich das Amtsgericht daher mit der von ihm getätigten Bezugnahme auf die im Rahmen der Bildung der Einzelstrafen getroffenen Strafzumessungserwägungen begnügen. Auch das Verhältnis der verhängten Einzelstrafen zu der festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe (vgl. hierzu BGHSt 24, 268, 271) erforderte hier keine eingehendere Begründung gerade der Gesamtstrafe. Das Schöffengericht hat insgesamt dreißig Monate Einzelfreiheitsstrafe verhängt und daraus eine Gesamtfreiheitsstrafe von achtzehn Monaten gebildet. Damit liegt die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe im mittleren Bereich der Summe der Einzelfreiheitsstrafen, so dass sich auch insofern keine Besonderheiten ergeben haben (vgl. BGHSt 24, 268, 271).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


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