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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 Ws 129/04 OLG Hamm

Leitsatz: Die Fehlerhaftigkeit der Ladung eines Angeklagten steht der Verwerfung seines Rechtsmittels nach § 329 Abs. 1 StPO nur entgegen bzw. rechtfertigt ein darauf gestütztes Wiedereinsetzungsgesuch nach § 329 Abs. 3 StPO nur, wenn der Ladungsmangel auch kausal für die Versäumung der Berufungshauptverhandlung war.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Berufungsverwerfung; Ausbleiben des Angeklagten, eigenes Verschulden, Fehlerhaftigkeit der Ladung;

Normen: StPO 329; StPO 44

Beschluss: Strafsache
gegen C.F.
wegen Betruges
(hier: Sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung).

Auf die sofortige Beschwerde der Angeklagten vom 2. April 2004 gegen den Beschluss der XII. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Dortmund vom 24. März 2004 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18. 05. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Angeklagten als unbegründet verworfen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Hamm verurteilte die Angeklagte durch Urteil vom 02. April 2003 (12 Ds 103 Js 658/02) wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten (ohne Bewährung). Gegen dieses Urteil legte die Angeklagte form- und fristgerecht Berufung ein.

Der Vorsitzende der XII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund bestimmte daraufhin Termin zur Berufungshauptverhandlung auf den 26. Juni 2003, wobei die Hauptverhandlung im Saal 136 des Landgerichtsgebäudes stattfinden sollte. Wegen einer Erkrankung der Angeklagten wurde dieser Termin mit Verfügung vom 26. Juni 2003 aufgehoben. Mit Verfügung vom 29. August 2003 beraumte der Strafkammervorsitzende neuen Termin zur Hauptverhandlung auf den 06. Oktober 2003, 10.15 Uhr, an, wobei die Hauptverhandlung nunmehr im Saal 101 stattfinden sollte. Aufgrund eines Kanzleiversehens wurden die Angeklagte, ihr Verteidiger sowie die Zeugen nicht auf Saal 101, sondern auf Saal 136 des Landgerichts geladen.

In der Hauptverhandlung vom 06. Oktober 2003, die in der Zeit von 10.48 Uhr bis 11.00 Uhr in Saal 101 durchgeführt wurde, waren der Verteidiger der Angeklagten und die Zeugen J. und B., nicht aber die Angeklagte und ihr als Zeuge geladener Sohn M.F. erschienen, worauf das Landgericht Dortmund mit Urteil vom selben Tage die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 02. April 2003 gem. § 329 Abs. 1 StPO verwarf. Das Verwerfungsurteil wurde dem Verteidiger der Angeklagten am 17. Oktober 2003 zugestellt.

Dieser legte daraufhin mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2003, beim Landgericht Dortmund eingegangen am 23. Oktober 2003, Revision gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 06. Oktober 2003 ein und beantragte gleichzeitig die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung. Mit der Revision - die nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist - und dem Wiedereinsetzungsantrag wird geltend gemacht, dass die Angeklagte zur Berufungshauptverhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden sei. So habe die Angeklagte, wie sich aus der gerichtlichen Ladung vom 03. September 2003 ergebe, eine Ladung zum Termin am 06. Oktober 2003, 10.15 Uhr, Raum 136, erhalten. Tatsächlich habe die Hauptverhandlung jedoch nicht im Saal 136, sondern im Saal 101 stattgefunden, ohne dass sich vor dem Sitzungssaal 136 ein entsprechender Hinweis befunden habe. Die Angeklagte sei am 06. Oktober 2003 gegen 10.10 Uhr vor dem in der Ladung bezeichneten Sitzungssaal 136 erschienen. Sie habe dort keinen Zettel gefunden, dass die Hauptverhandlung dort stattfinden werde. Sie sei dennoch davon ausgegangen, dass noch zur Terminszeit oder kurz danach die Verhandlung gegen sie dort aufgerufen werden würde. Sie habe dann vor dem Sitzungssaal bis ca. 10.30 Uhr 10.35 Uhr gewartet. Da sich an dem Sitzungssaal 136 bis zu diesem Zeitpunkt immer noch nichts getan habe, habe sie das Landgerichtsgebäude dann verlassen, weil sie der Meinung gewesen sei, sie habe sich im Terminstage geirrt und die Verhandlung würde nicht am 06. Oktober 2003, sondern am 16. Oktober 2003 stattfinden. Da sie die Ladung nicht bei sich gehabt habe, sei sie nicht in der Lage gewesen, die Terminszeit oder den Terminsort zu kontrollieren. Da sie zudem über kein Aktenzeichen verfügt habe, sei sie auch nicht in der Lage gewesen, sich zu erkundigen. Die Angeklagte habe dann noch mehrfach versucht, im Büro ihres Verteidigers anzurufen, das dortige Telefon sei zu den Anrufzeiten jedoch stets besetzt gewesen. Zur Glaubhaftmachung waren dem Schriftsatz eidesstattliche Versicherungen der Angeklagten und ihres Ehemannes S.F. sowie ein Aktenvermerk des Verteidigers, dessen Richtigkeit dieser anwaltlich versicherte, beigefügt.

Die Strafkammer hat nach Einholung schriftlicher Äußerungen der Zeugen B. und J. sowie dienstlicher Äußerungen der am Terminstag an der Sicherheitsschleuse im Eingangsbereich des Landgerichtsgebäudes eingesetzten Wachtmeister durch Beschluss vom 24. März 2004, der dem Verteidiger der Angeklagten am 30. März 2004 zugestellt wurde, den Antrag der Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung als unbegründet verworfen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass ausweislich der dienstlichen Äußerung der Justizwachtmeister L. und A. sämtliche Besucher des Landgerichts am Vormittag des 06. Oktober 2003 einer entsprechenden dienstlichen Anweisung folgend von den an der Sicherheitsschleuse eingesetzten Wachtmeistern danach befragt worden seien, wohin sie wollten, wobei den Besuchern anhand einer Liste über die an dem betreffenden Tag stattfindenden Strafkammersitzungen eine korrekte Auskunft über Termine und Sitzungssäle erteilt worden sei. Eine diesbezügliche tatsächliche Handhabung habe auch der Zeuge B. in seiner Stellungnahme bestätigt. Daraus ergebe sich, dass Mängel in der Angabe des Sitzungssaales an jenem Tage nicht zum Tragen gekommen und nicht relevant geworden sein. Angesichts dieser Umstände sei die Ladung der Angeklagten als ordnungsgemäß anzusehen. Im Übrigen beruhe die Säumnis der Angeklagten nicht auf der Angabe eines falschen Sitzungssaales in der Ladung. Die Kammer sei entgegen den eidesstattlichen Versicherungen der Angeklagten und ihres Ehemannes davon überzeugt, dass die Angeklagte zur fraglichen Zeit überhaupt nicht im Gerichtsgebäude gewesen sei oder sich zumindest nach Entdeckung des Fehlers mutwillig wieder entfernt habe. So hätten die Zeugen J. und B., beide mit der Angeklagten persönlich bekannt, diese zur Terminszeit nicht im Landgerichtsgebäude gesehen, obwohl sich die Angeklagte nach eigenem Vorbringen in deren Sichtweite hätte befinden müssen. Zum anderen sei es nicht nachvollziehbar, dass die hinreichend geschäftstüchtige und „gerichtserfahrene“ Angeklagte, wenn sie mit ihrem Ehemann tatsächlich am Terminstag im Landgerichtsgebäude gewesen wäre, sich nicht auf einer Geschäftsstelle oder im Büro ihres Verteidigers, das nur fünf Gehminuten vom Haupteingang des Landgerichts entfernt liege, nach Ort und Zeit der Berufungshauptverhandlung erkundigt habe.

Gegen diesen, den Wiedereinsetzungsantrag verwerfenden Beschluss des Landgerichts wendet sich die Angeklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 02. April 2004, die am 06. April 2004 bei dem Landgericht Dortmund eingegangen ist. Zur Begründung der sofortigen Beschwerde wird im Wesentlichen auf das Vorbringen zum Wiedereinsetzungsantrag Bezug genommen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Beschluss des Landgerichts Dortmund vom 24. März 2004 aufzuheben und der Angeklagten auf ihre Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung zu gewähren.

II.
Die gem. § 46 Abs. 3 StPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen die Ablehnung der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung ist nicht begründet. Die Strafkammer hat den Wiedereinsetzungsantrag im Ergebnis zu Recht verworfen. Zwar ist ein auf das Fehlen einer ordnungsgemäßen Ladung gestütztes Wiedereinsetzungsgesuch entsprechend § 329 Abs. 3 StPO nach ganz herrschender Auffassung, der auch die Strafkammer gefolgt ist, statthaft (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 329 Rdnr. 41 m. w. N.). Der damit statthafte und auch im Übrigen in zulässiger Weise gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung ist jedoch unbegründet. Als Grund für ihr Nichterscheinen in der Berufungshauptverhandlung, die am 06. Oktober 2003 in der Zeit von 10.48 Uhr bis 11.00 Uhr im Saal 101 des Landgerichts Dortmund durchgeführt wurde, beruft sich die Angeklagte auf einen Fehler bei der Ladung, nämlich der Angabe eines falschen Sitzungssaales. Zu diesem Fehler bei der Ladung ist es zwar tatsächlich gekommen, wie sich aus dem Vermerk des Strafkammervorsitzenden vom 04. Dezember 2003 (Bl. 154 d. A.) und aus der zur Akte gereichten Ablichtung der gerichtlichen Ladung der Angeklagten vom 03. September 2003 (Bl. 155 d. A.) ergibt. Die Ladung der Angeklagten war somit insoweit folgt der Senat der in dem angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung der Strafkammer nicht nicht ordnungsgemäß. Die Fehlerhaftigkeit der Ladung eines Angeklagten steht aber der Verwerfung seines Rechtsmittels nach § 329 Abs. 1 StPO nur entgegen bzw. rechtfertigt ein darauf gestütztes Wiedereinsetzungsgesuch nach § 329 Abs. 3 StPO nur, wenn der Ladungsmangel auch kausal für die Versäumung der Berufungshauptverhandlung war, d. h. der Ladungsmangel verhindert hat, dass der erscheinungswillige Angeklagte an der Hauptverhandlung teilnehmen konnte (vgl. KG GA 1975, 148; OLG Düsseldorf, StV 1982, 216; OLG Oldenburg, GA 1993, 462; OLG Frankfurt, NStZ-RR 1996, 75; OLG Koblenz, JBlRP 2001, 250; OLG Köln, NStZ-RR 2002, 142; Meyer-Goßner, a. a. O., § 216 Rdnr. 8 und § 329 Rdnr. 9; KK-Tolksdorf, StPO, 5. Aufl., § 216 Rdnr. 10). Ist eine solche (Mit-)Ursächlichkeit gegeben, kommt es nicht darauf an, ob den Angeklagten hinsichtlich des Ladungsmangels oder dessen Nichterkennen (z. B. durch Unterlassen von Nachfragen) ein Verschulden trifft (OLG Frankfurt und OLG Köln, jew. a. a. O.). Da es sich bei dem Erfordernis der ordnungsgemäßen Ladung um eine von Amts wegen zu beachtende Verfahrensvoraussetzung für den Erlass eines Verwerfungsurteils nach § 329 Abs. 1 StPO handelt und bei Ladungsmängeln wie beispielsweise der Angabe eines falschen Sitzungssaales ein Kausalzusammenhang zwischen dem Mangel und der Säumnis des Angeklagten zu vermuten ist, muss der Angeklagte im Wiedereinsetzungsverfahren nach § 329 Abs. 3 StPO diesen Kausalzusammenhang nicht glaubhaft machen; vielmehr muss zur Überzeugung des Gerichts feststehen, dass der Ladungsmangel für das Fernbleiben des Angeklagten nicht (mit-)ursächlich geworden ist (vgl. OLG Oldenburg und OLG Koblenz, jew. a. a. O.; OLG Hamm, Beschluss vom 27. Juni 1989 3 Ws 391/89 -).

Der Senat ist insoweit ebenso wie die Strafkammer davon überzeugt, dass die Angabe eines falschen Sitzungssaales in der schriftlichen Ladung der Angeklagten nicht ursächlich dafür war, dass sie der am 06. Oktober 2003 in Saal 101 durchgeführten Berufungshauptverhandlung ferngeblieben ist. Angesichts der räumlichen Verhältnisse im Landgerichtsgebäude, wie sie sich aus dem Vermerk II. des Strafkammervorsitzenden vom 04. Dezember 2003 (Bl. 152 d.A.) und aus der diesem Vermerk beigefügten Grundrisszeichnung (Bl. 153 d.A.) ergeben, der von den an der Sicherheitsschleuse im Eingangsbereich des Landgerichtsgebäudes eingesetzten Justizwachtmeistern zu beachtenden und nach deren dienstlicher Äußerung am Sitzungstag auch tatsächlich befolgten Dienstanweisung sowie unter Berücksichtigung der schriftlichen Äußerungen der Zeugen J. und B. besteht auch aus Sicht des Senats kein vernünftiger Zweifel daran, dass die Angeklagte entgegen ihrer eidesstattlichen Versicherung und der ihres Ehemannes am Terminstag zur fraglichen Zeit das Gebäude des Landgerichts Dortmund überhaupt nicht betreten hat. Auf die diesbezüglichen und aus Sicht des Senats zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in dem angefochtenen Beschluss wird insoweit Bezug genommen. Angesichts der dienstlichen Äußerung der Justizhauptwachtmeisterin L.und des Justizhauptwachtmeisters A.erscheint es bereits äußerst unwahrscheinlich, dass der Angeklagten, hätte sie am Terminstage tatsächlich die Sicherheitsschleuse im Eingangsbereich des Landgerichtsgebäudes passiert, von den jeden Besucher nach dem Zweck seines Besuches fragenden Wachtmeistern kein Hinweis auf den Saal 101 als dem Ort, an dem die Strafsache gegen die Angeklagte nach der den Wachtmeistern vorliegenden Liste der Strafkammersitzungen stattfinden sollte,
erteilt worden ist. Noch unwahrscheinlicher wird die Schilderung der Angeklagten, sie sei gegen 10.10 Uhr vor dem Sitzungssaal 136 erschienen und habe dort bis ca. 10.30 Uhr 10.35 Uhr gewartet, wenn man des weiteren die schriftlichen Erklärungen der Zeugen J. und B. berücksichtigt, die die ihnen persönlich bekannte Angeklagte am Terminstag im Landgerichtsgebäude nicht gesehen haben wollen. Angesichts der räumlichen Verhältnisse im Landgerichtsgebäude (die Sitzungssäle 136 und 101 befinden sich auf derselben Etage; von der vor dem Sitzungssaal 101 aufgestellten Wartebank aus ist der gesamte Mitteltraktflur über das offene Treppenhaus hinweg bis hin zu dem lediglich durch Glastüren abgetrennten Bereich vor dem Saal 136 voll einsehbar) hätten die zum „richtigen“ Sitzungssaal 101 geleiteten und dort vor diesem Saal auf den Beginn der Hauptverhandlung wartenden Zeugen J. und B. die Angeklagte, die nach eigenem Bekunden ab ca. 10.10 Uhr immerhin 25 30 Minuten vor dem Sitzungssaal 136 auf den Aufruf ihrer Strafsache gewartet haben will, sehen müssen. Dies gilt insbesondere für den Zeugen B., der erklärt hat, er sei, nachdem ihn die Protokollführerin über die zeitliche Verschiebung der Verhandlung um ca. 30 Minuten nach hinten informiert habe, durch die Gänge des Gebäudes gegangen und dabei auch an dem Saal 136 vorbei gekommen. Die Erklärungen der Zeugen J. und B. erscheinen glaubhaft. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die beiden Zeugen die Anfrage des Strafkammervorsitzenden, ob sie die Angeklagte am Terminstag im Landgerichtsgebäude gesehen haben, bewusst wahrheitswidrig negativ beantwortet haben sollen. Die Angeklagte gibt schließlich auch keine einleuchtende Erklärung dafür ab, warum sie sich nach vergeblichem längeren Warten vor dem Sitzungssaal 136, an dem sich kein schriftlicher Hinweis auf die Berufungshauptverhandlung in ihrer Sache befand nicht noch vor Verlassen des Landgerichtsgebäudes bei einer dortigen Geschäftsstelle oder bei den Wachtmeistern, die sie bei Passieren der Sicherheitsschleuse bemerkt haben musste, nach den Gründen für den „Nichtaufruf“ ihrer vermeintlich in Saal 136 verhandelten Strafsache erkundigt hat. Die Angeklagte war und ist, wie sich insbesondere aus dem betreffenden Bundeszentralregisterauszug ergibt, im Umfang mit Gerichten erfahren. Sie hatte sich zuvor bereits in mehreren Hauptverhandlungen strafrechtlich verantworten müssen. Sie wusste somit, dass vor dem jeweiligen Sitzungssaal ein Terminszettel angeheftet ist, auf dem die am betreffenden Tag verhandelten Strafsachen aufgelistet sind. Sie wusste ferner, dass bei den Gerichten Geschäftsstellen eingerichtet sind, wo Erklärungen abgegeben werden und Erkundigungen eingeholt werden können. So ergibt sich aus einem Vermerk der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Hamm im Verfahren 10 Ds 26 Js 107/93 269/93 StA Dortmund, dass die Angeklagte dort am 23. August 1993 angerufen hatte, um ihr Nichterscheinen zu der an diesem Tag stattfindenden Hauptverhandlung zu entschuldigen. Auch im vorliegenden Verfahren hatte die Angeklagte Kontakt zur Geschäftsstelle des Amtsgerichts Hamm aufgenommen und dort zu diesem Zeitpunkt noch ohne Beistand eines Verteidigers am 07. April 2003 zu Protokoll der Geschäftsstelle Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 02. April 2003 eingelegt. Angesichts dieser „Gerichtserfahrenheit“ der Angeklagten und ihres offenkundigen Interesses, eine Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils zu ihren Gunsten zu erreichen, leuchtet nicht ein, warum die Angeklagte wenn sie denn tatsächlich am 06. Oktober 2003 zu der in der Ladung angegebenen Uhrzeit vor dem Sitzungssaal 136 erschienen wäre nach etwa halbstündiger Wartezeit das Landgerichtsgebäude wieder verließ und mit ihrem Ehemann nach Hause ging, ohne dem Grund für das Nichtverhandeln ihrer Strafsache in dem in der Ladung angegebenen Sitzungssaal 136 zu der betreffenden Zeit nachzugehen. Die Erklärung der Angeklagten, sie sei nach der vergeblichen Wartezeit der Meinung gewesen, sich im Terminstage geirrt und den 16. Oktober 2003 mit dem 06. Oktober 2003 verwechselt zu haben, überzeugt insoweit nicht. Zum einen ist nicht nachvollziehbar, dass die Angeklagte, die nach eigenem Bekunden die Terminsladung zu Hause liegen gelassen hatte, der festen Überzeugung war, dass die Berufungshauptverhandlung im Saal 136 stattfinden würde insoweit also die Möglichkeit eines eigenen Irrtums hinsichtlich der numerischen Bezeichnung des Sitzungssaales von vornherein ausschloss -, andererseits aber ohne greifbare Anhaltspunkte von einem eigenen Irrtum im Datum (16.10. statt 06.10.2003) ausging. Zum anderen war die von der Angeklagten geltend gemachte Überzeugung, sich im Terminstag geirrt zu haben, nach ihrem eigenen Vorbringen nicht so gefestigt, dass für jegliche Überprüfungen und Nachfragen kein Anlass bestand. So gibt die Angeklagte selbst an, nach Verlassen des Landgerichtsgebäudes mehrfach vergeblich versucht zu haben, telefonisch Kontakt zum Büro ihres Verteidigers aufzunehmen, das dortige Telefon sei jedoch stets besetzt gewesen. Eine Antwort auf die naheliegende Frage, warum die Angeklagte dann die nur fünf Gehminuten vom Landgerichtsgebäude entfernt liegende Kanzlei des Verteidigers nicht persönlich aufgesucht oder sich nicht zeitnah beim Landgericht Dortmund nach möglichen Gründen für die vermeintliche Nichtdurchführung der Berufungshauptverhandlung erkundigt hat, ist die Angeklagte schuldig geblieben. Nach alledem geht der Senat davon aus, dass der Ladungs-mangel (Angabe eines falschen Sitzungssaales in der Ladung) nicht ursächlich für das Ausbleiben der Angeklagten in der Berufungshauptverhandlung geworden ist, die Säumnis der Angeklagten vielmehr auf anderen, von der Angeklagten zu vertretenden Gründen beruht. Die sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung war daher als unbegründet zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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