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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ws 251/04 OLG Hamm

Leitsatz: Das Begehren von Untersuchungsgefangenen, Telefonate mit Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalt zu führen oder von solchen zu empfangen, wird - von ganz außergewöhnlichen Umständen abgesehen - in der Regel dem Zweck der Untersuchungshaft und auch der Ordnung der Justizvollzugsanstalt widerstreiten.

Senat: 3

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte:

Normen: StPO 119

Beschluss: Strafsache
gegen H.B.
wegen Raubes, (hier: Verweigerung der Erlaubnis zum Führen unbegrenzter Telefongespräche während der Untersuchungshaft).

Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 05.05.2004 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der V. Strafkammer des Landgerichts Essen vom 29.04.2004 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17. 06. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Gründe:
Der Angeklagte hat mit einem an den Vorsitzenden der V. Strafkammer gerichteten handschriftlichen Schreiben folgendes Anliegen vorgetragen:

„Sehr geerther Herr Richter S.

Möchte Sie bitten, daß ich telefonieren darf. Da ich am arbeiten bin, und Geld auf meinem Konto zur verfügung habe, bitte ich Sie, mir die Genehmigung zugeben.
Vielen Dank.“

Der Strafkammervorsitzende hat daraufhin mit dem angefochtenen Beschluss am 29.04.2004 entschieden, dass die beantragte Erlaubnis, unbegrenzt Telefongespräche zu führen, verweigert wird. Zur Begründung wird in dem Beschluss ausgeführt, die Führung von Telefongesprächen könne nur in begründeten Einzelfällen bewilligt werden. Nur insoweit seien Telefonate mit der Ordnung der Justizvollzugsanstalt zu vereinbaren.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Angeklagten vom 05.05.2004, der der Strafkammervorsitzende durch Beschluss vom 26.05.2004 nicht abgeholfen hat.

Mit der sofortigen Beschwerde macht der Angeklagte geltend, sein Anwalt habe mit Schreiben vom 15.04.2004 einen Antrag mit der Bitte um Aufhebung der Besuchs- und Postüberwachung nebst der sonstigen Beschränkungen gestellt, da eine Verdunkelungsgefahr, die die Aufrechterhaltung derartiger Maßnahmen rechtfertigen würde, nicht mehr bestehe. Der angefochtene Beschluss verweigere dagegen die Erlaubnis, unbegrenzt Telefongespräche führen zu können, obwohl ein solcher Antrag in dieser Form nicht gestellt worden sei.

Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Der Strafkammervorsitzende hat nicht über den Antrag des Verteidigers des Angeklagten vom 15.04.2004, sondern über die oben wiedergegebene, von dem Angeklagten selbst verfasste Eingabe entschieden. Diese Eingabe ist von dem Strafkammervorsitzenden zu Recht dahingehend ausgelegt worden, dass der Angeklagte die Erlaubnis begehrt, uneingeschränkt Telefongespräche führen zu können. Die Verweigerung dieser Erlaubnis ist nicht zu beanstanden.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 11.06.2004 dazu Folgendes ausgeführt:

„Zu Recht hat das Landgericht Essen den Antrag des Angeklagten auf Führung von unbegrenzten Telefongesprächen zurückgewiesen. Das Begehren von Untersuchungsgefangenen, Telefonate mit Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalt zu führen oder von solchen zu empfangen, wird - von ganz außergewöhnlichen Umständen abgesehen - in der Regel dem Zweck der Untersuchungshaft und auch der Ordnung der Justizvollzugsanstalt widerstreiten (Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflg., § 119 Rdn. 14 m.w.N.). Telefongespräche mit Familienangehörigen können daher nicht für dauernd, sondern nur im Einzelfall bei besonders berechtigtem Interesse gestattet werden (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O. m.w.N.). Ein derartiges Interesse hat der Angeklagte nicht vorgetragen.
Auch das Beschwerdevorbringen vermag eine andere Entscheidung nicht zu rechtfertigen.
Dem Rechtsmittel ist deshalb der Erfolg zu versagen.“

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.

Aktenzeichen:

Leitsatz: Stützt der Tatrichter seine Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen auf dessen Inaugenscheinnahme im Hauptverhandlungstermin und die Feststellungen eines Sachverständigen für anthropologische Vergleichsgutachten ist in den Urteilsgründen eine verständliche und in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung erforderlich.

Senat: 1

Gegenstand: Revision

Stichworte: Täterschaft des Betroffenen; Identifizierung; Lichtbild; Vergleichsgutachten; Darstellung in den Urteilsgründen, Bezugnahme;

Normen: StPO 267

Beschluss: Bußgeldsache
gegen A.M.
wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit im Straßenverkehr.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 17. Februar 2004 gegen das Urteil des Amtsgerichts Siegen vom 17. Februar 2004 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 05. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Siegen zurückverwiesen.

Gründe:
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung nach den §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24, 25 StVG zu einer Geldbuße von 60,- € verurteilt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt.

Das Amtsgericht hat festgestellt, dass der Betroffene am 9. Juli 2003 gegen 14.15 Uhr mit seinem Fahrzeug in Burbach die B 54 in Richtung Rennerod Zollhaus/Siegerland Flughafen mit einer Geschwindigkeit von - nach Abzug der üblichen Toleranz von 3 km/h - 90 km/h befahren hat, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit an dieser Stelle 60 km/h betrug.

Der Betroffene hat von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen hat der Tatrichter wie folgt begründet:

„Aufgrund der überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Helmer in der Hauptverhandlung ist das Gericht auch davon überzeugt, dass der Betroffene am 09.07.2003 der Fahrer des genannten Fahrzeuges war. Der Sachverständige hat im Rahmen der Beweisaufnahme Fotos vom Betroffenen gemacht (Bl. 47 d.A.) und diese mit den Lichtbildern der Radarmessung (Bl. 19, 47 d.A.) verglichen. Durch den Vergleich der Bilder hat der Sachverständige sehr plastisch und nachvollziehbar nachgewiesen, dass es sich bei der Person auf den Meßbildern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um den Betroffenen handelt. Aufgrund von 8 Merkmalen (Gesichtsrelief, Gesichtsumriß, Augenbrauendichte, Stellung der Augenbrauen, Höhe der Augenlidräume, Breite der Nasenkuppe, Kinnform und Doppelkinn) hat der Sachverständige einen Individualitätswert von 1:5600 heraus-
gearbeitet. Insbesondere auch die Schläfen-Stirn-Region und die Form des Stirnhaaransatzes stehen in völliger Übereinstimmung mit den Messbildern. Die Fotos der Messung beinhalten nach seinen Ausführungen keine Merkmale, die nicht auch auf den Vergleichsfotos zu finden sind, was ebenfalls für eine Identität der Person spricht.

Im Ergebnis ist nach den Feststellungen des Sachverständigen daher davon auszugehen, dass es sich bei der auf dem Messfoto zu sehenden Person mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:5600 um den Betroffenen handelt. Relativiert hat der Sachverständige diesen Wert nur für nahe Familienangehörige bzw. Blutsverwandte.

Aufgrund dieser Ausführungen des Sachverständigen und der Tatsache, dass der Betroffene im Zusammenhang mit dem gefahrenen Fahrzeug ermittelt werden konnte, ist das Gericht von der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit überzeugt, dass es sich bei der Person auf den Fotos der Geschwindigkeitsmessung um den Betroffenen handelt. Das Gericht hält die sehr anschaulichen Ausführungen des Sachverständigen für überzeugend und nachvollziehbar. Anhaltspunkte für Fehler lassen diese nicht erkennen. Die Sachkunde und Kompetenz des Sachverständigen ist dem Gericht auch aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannt.“

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung materiellen Rechts gerügt hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat - zumindest vorläufig - Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Siegen. Die Gründe des angefochtenen Urteils sind lückenhaft (§ 71 OWiG, § 267 StPO). Sie ermöglichen dem Senat nicht die Prüfung, ob die vom Amtsgericht getroffene Feststellung, der Betroffene sei zur Tatzeit Fahrer des PKW gewesen, ohne Rechtsfehler getroffen worden ist.

Das Amtsgericht stützt seine Überzeugung von der Täterschaft des Betroffenen auf dessen Inaugenscheinnahme im Hauptverhandlungstermin und die Feststellungen des Sachverständigen für anthropologische Vergleichsgutachten Prof. Dr. Helmer. Stützt der Tatrichter den Schuldspruch auf ein Sachverständigengutachten, so ist in den Urteilsgründen eine verständliche und in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung erforderlich (BGHR StPO, § 267 Abs. 1 S. 1, Beweisergebnis 2; § 261 Sachverständiger 2; OLG Hamm NZV 2000, 428; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 71 Rdnr. 43 d). Eine solche geschlossene Darstellung der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungs-tatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung, die den Senat in die Lage versetzen würde, die Schlüssigkeit des Gutachtens zu überprüfen, enthält das Urteil jedoch nicht. Auch werden die von dem Sachverständigen festgestellten übereinstimmenden Merkmale - offenbar des Beweisfotos - mit Gesichtszügen des Betroffenen im Detail nicht angegeben.

Die alleinige Mitteilung des Ergebnisses des Sachverständigengutachtens kann - je nach Lage des Einzelfalles - nur etwa dann ausreichen, wenn der Sachverständige bei der Begutachtung ein weithin standardisiertes Verfahren angewendet hat, es sich um einen renommierten Sachverständigen handelt und wenn von keiner Seite Einwände gegen die der Begutachtung zugrunde liegende Tatsachengrundlage und die Zuverlässigkeit der Begutachtung selbst erhoben werden (BGHR StPO, § 261 Sachverständiger 4). Diese Voraussetzungen, unter denen die Mitteilung des Ergebnisses ausnahmsweise zur Beweisführung ausreicht, liegen ersichtlich nicht vor. Es lässt sich dem Urteil bereits nicht entnehmen, ob die Begutachtung auf der Grundlage eines weithin standardisierten Verfahrens erfolgt ist. Dies dürfte bei einem anthropologischen Vergleichsverfahren im Übrigen auszuschließen sein.

Soweit das Urteil darüber hinaus erkennen lässt, dass Grundlage für die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch die - für die Erstellung des Vergleichsgutachtens erforderliche - Inaugenscheinnahme des Beweisfotos war, fehlt es insoweit an einer wirksamen Bezugnahme auf das Messfoto gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG. Die Bezugnahme muss nämlich deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht sein (BGHSt 41, 377, 382). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Da vorliegend eine Bezugnahme nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO nicht erfolgt ist, sind die betreffenden Beweisfotos nicht Bestandteil der Urteilsgründe. Dem Senat ist es daher verwehrt, die Abbildungen aus eigener Anschauung zu würdigen, um zu beurteilen, ob die Beweisfotos als Grundlage einer Identifizierung tauglich sind.

Konkrete Identifizierungsmerkmale sind in dem angefochtenen Urteil ebenfalls nicht beschrieben. Der Bundesgerichtshof hat insoweit ausgeführt, dass dann, wenn - wie hier - eine prozessordnungsgemäße Verweisung auf das Beweisfoto nicht erfolgt ist, das Urteil Ausführungen zur Bildqualität enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere charakteristische Identifizierungsmerkmale so präzise beschreiben muss, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht wird, ob dieses zur Identifizierung generell geeignet ist (vgl. BGHSt 41, 376). Das kann anhand der Urteils-
gründe aber gerade nicht geschehen.

Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.


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