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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 (s) Sbd. VI I I - 39 + 57/04 OLG Hamm

Leitsatz: In jedem Überprüfungsverfahren entsteht eine neue Gebühr, für die eine die Wahlverteidigerhöchstgebühr übersteigende Pauschgebühr festgesetzt werden kann. Der Pauschantrag enthält hinsichtlich des Betrages nur eine Anregung, von der das OLG nach oben abweichen kann.

Senat: 1

Gegenstand: Pauschvergütung

Stichworte: Pauschvergütung; Überprüfungsverfahren, Strafvollstreckung; Wahlverteidigerhöchstgebühr; Antrag, Bindung

Normen: BRAGO 99

Beschluss: Strafsache (Strafvollstreckungssache bzw. Unterbringungssache)
gegen L.L.
wegen Brandstiftung,
(hier: Pauschvergütung für den im Überprüfungsverfahren nach § 67 e StGB bestellten Verteidiger gem. § 99 BRAGO).
Auf den Antrag des Rechtsanwalts B. in M. vom 13. Juni 2003 auf Bewilligung einer Pauschvergütung für die Pflichtverteidigung des Untergebrachten im Verfahren über die Fortdauer der angeordneten Unterbringung hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 04. 03. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:
Dem Antragsteller werden anstelle der gesetzlichen Gebühren von 120,00 DM sowie weiteren 100,00 € Pauschvergütungen von 250,00 € (i. W.: zweihundertfünfzig Euro) sowie weiteren 350,00 € (i. W.: dreihundertfünfzig Euro) bewilligt.
Gründe:
Der Mandant des Antragstellers ist durch Urteil des Jugendschöffengerichts Minden vom 24. August 2000 gem. § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden.
Nachdem er sich bereits zuvor seit März 2000 in Untersuchungshaft und ab dem 20. Juli 2000 in vorläufiger Unterbringung befunden hatte, wurde die Maßregel seit dem 24. August 2000 im Westfälischen Zentrum für Forensische Psychiatrie Lippstadt vollzogen. Über die Übernahme der Vollstreckung, die nach Jugendrecht zu erfolgen hatte, bestanden zunächst im Hinblick auf die Formulierungen des Urteilstenors Unklarheiten, auf die hier nicht näher eingegangen zu werden braucht.
Der Jugendrichter des Amtsgerichts Lippstadt als Vollstreckungsleiter hatte nämlich zunächst die Übernahme der Vollstreckung abgelehnt. Der Beschluss des Amtsgerichts Minden vom 01. März 2001 betreffend die Berichtigung des Urteilstenors ist auf Beschwerde des Untergebrachten durch Beschluss des Landgerichts Bielfeld vom 06. April 2001 aufgehoben worden. In diesem Beschwerdeverfahren, das allerdings nicht die Überprüfung der weiteren Unterbringung betraf, war der Antragsteller erstmals -jedoch ausschließlich als Wahlverteidiger- für den Untergebrachten tätig.
In dem sich daran anschließenden ersten Überprüfungsverfahren über die Fortdauer der Maßregel hat sich der Antragsteller sodann mit Schriftsatz vom 15. Mai 2001 gemeldet und die Entlassung des Untergebrachten aus dem Maßregelvollzug sowie seine Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt.
Nachdem der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm durch Beschluss vom 17. Juli 2001 in einem Zwischenstreit über die Zuständigkeit des Gerichts entschieden hatte, fand am 21. August 2001 die mündliche Anhörung des Betroffenen statt. An dieser Anhörung nahm der Antragsteller jedoch aus Termingründen nicht teil. Gegen den daraufhin ergangenen Beschluss des Amtsgerichts Lippstadt vom 06. September 2001 legte die Staatsanwaltschaft Bielefeld sofortige Beschwerde ein. Durch weiteren Beschluss des Amtsgerichts Lippstadt vom 27. September 2001 erfolgte sodann die bereits im Mai 2001 beantragte Beiordnung des Antragstellers als Pflichtverteidiger. Nachdem auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft das Landgericht Paderborn mit Beschluss vom 30. Oktober 2001 die Sache zur Entscheidung über die Fortdauer der Unterbringung gem. § 67 d Abs. 2 StGB unter Aufhebung des Beschlusses vom 06. September 2001 an den Jugendrichter des Amtsgerichts Lippstadt als Vollstreckungsleiter zurückverwiesen hatte, wurde der Betroffene am 16. Januar 2002 erneut angehört. Auch an dieser Anhörung konnte der Antragsteller aus Termingründen nicht teilnehmen. Durch Beschluss des Amtsgerichts Lippstadt vom 28. Januar 2002 wurde sodann die Fortdauer der Unterbringung angeordnet. Die daraufhin vom Antragsteller für den Betroffenen eingelegte sofortige Beschwerde wurde durch Beschluss des Landgerichts Paderborn vom 25. Februar 2002 verworfen.
Der Betroffene wurde sodann am 10. April 2002 in das Westfälische Zentrum für Psychiatrie und Psychotherapie Paderborn verlegt. Daraufhin stellte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 26. Juni 2002 einen erneuten Antrag auf Entlassung aus dem Maßregelvollzug und beantragte zugleich seine erneute Beiordnung als Pflichtverteidiger. In dem daraufhin anberaumten Anhörungstermin vom 12. Dezember 2002 vor dem Amtsgericht Paderborn, an dem auch der Antragsteller teilnahm, erfolgte seine Bestellung zum Pflichtverteidiger.
Der daraufhin ergangene Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 22. Januar 2003, durch den die Fortdauer der Unterbringung angeordnet und die Erledigung der Maßregel mit Ablauf des 19. Juli 2003 erklärt worden ist, wurde rechtskräftig und nicht angefochten.
Entsprechend erfolgte die Entlassung des Betroffenen aus dem Maßregelvollzug sodann am 19. Juli 2003.
Der Antragsteller begehrt nunmehr für seine Tätigkeit als beigeordneter Verteidiger eine Pauschvergütung in angemessener Höhe. In Erwiderung auf die ihm bekannt gegebene Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse vom 04. Februar 2004 hat er sie sodann im Schriftsatz vom 23. Februar 2004 „unter Einschluss der gesetzlichen Gebühren" mit 500,00 € beziffert.
Wie der Vertreter der Staatskasse in seiner genannten Stellungnahme vom
04. Februar 2004, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, zutreffend dargelegt hat, steht dem Antragsteller eine gesetzliche Gebühr in Höhe von 120,00 DM (= 61,36 €) gem. §§ 97 Abs. 1 Satz 1, 91 Nr. 1 BRAGO sowie eine weitere gesetzliche Gebühr in Höhe von 100,00 € gem. §§ 97 Abs. 1 Satz 1, 91 Nr. 2 BRAGO entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats zu (vgl. Senatsbeschluss vom 09. Juli 2002 in 2 (s) Sbd. VII - 95 u. 96/02 = JurBüro 2003, 21 = AGS 2003, 505 m. w. N.; vgl. auch KG, JurBüro 2002, 75).
Die Vergütung entsteht nämlich nicht nur einmal für das gesamte Vollstreckungsverfahren. Nach Rechtskraft jedes einzelnen Überprüfungsverfahrens nach § 67 e StGB entsteht sie für ein weiteres Verfahren von neuem (vgl. Senat, a. a. O.).
Daraus folgt für das vorliegende Verfahren, dass dem Antragsteller für seine Tätigkeit in dem Beschwerdeverfahren bezüglich des berichtigten Urteils vor dem Amtsgericht Minden bzw. dem Landgericht Bielefeld, die er ausschließlich als Wahlverteidiger erbracht hat, keine gesetzliche Gebühr zusteht. Diese Tätigkeit ist, wovon der Antragsteller offenbar auch selbst ausgeht, von der Pflichtverteidigerbestellung nicht umfasst. Demgemäß hat er auch entsprechend der Kostenentscheidung in dem Beschwerdebeschluss des Landgerichts Bielefeld vom 6. April 2001 seine Kosten und Auslagen als Wahlverteidiger abgerechnet.
Für die Tätigkeit im ersten Überprüfungsverfahren vor dem Amtsgericht Lippstadt bis zum rechtskräftigen Abschluss durch Beschluss des Landgerichts Paderborn vom 25. Februar 2002 steht ihm eine gesetzliche Gebühr in Höhe von 120,00 DM zu. Für die Tätigkeit in den beiden Beschwerdeverfahren ist insoweit keine gesonderte gesetzliche Gebühr nach §§ 97 Abs. 1 Satz 1, 91 Nr. 1 BRAGO entstanden (vgl. neben den insoweit zutreffenden Ausführungen in der genannten Stellungnahme des Vertreters der Staatskasse den o. g. Senatsbeschluss vom 09. Juli 2002 sowie Senatsbeschluss vom 03. Dezember 2001 in 2 (s) Sbd. 6 - 159/01 unter Hinweis auf Gerold/Schmidt-Madert, BRAGO, § 87 Rdnr. 3 und Hartmann, Kostengesetze, § 87 BRAGO Rdnr. 7 und 8). Etwas anderes würde insoweit nur dann gelten, wenn der Rechtsanwalt ausschließlich im Beschwerdeverfahren tätig geworden ist. So aber bildet das Verfahren erster und zweiter Instanz gebührenrechtlich eine Einheit. Der höhere Arbeitsaufwand kann dann lediglich im Rahmen einer eventuell zu bewilligenden Pauschvergütung berücksichtigt werden.
Soweit auf den Antrag des Antragstellers auch für die Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Paderborn gesonderte gesetzliche Gebühren durch Beschluss des Amtsgerichts Paderborn vom 24. Oktober 2003 festgesetzt worden sind, ist dies unzutreffend.
Für die Tätigkeit im zweiten Überprüfungsverfahren vor dem Amtsgericht Paderborn, welches durch den rechtskräftigen Beschluss vom 22. Januar 2003 abgeschlossen worden ist, steht dem Antragsteller eine gesetzliche Gebühr in Höhe von 100,00 € zu.
Da der Antragsteller in beiden Überprüfungsverfahren sowohl in einem bereits besonders schwierigen als auch besonders umfangreichen Verfahren im Sinne des § 99 BRAGO tätig geworden ist, stehen ihm anstelle der genannten gesetzlichen Gebühren jeweils Pauschvergütungen zu. Unter Berücksichtigung des gesamten Antragsvorbringens und sämtlicher Umstände des Einzelfalles hat der Senat diese für das Überprüfungsverfahren vor dem Amtsgericht Lippstadt und die Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Paderborn in Höhe von 250,00 € (bei Höchstgebühren eines Wahlanwalts in Höhe von 175,00 €) und für das Überprüfungsverfahren vor dem Amtsgericht Paderborn in Höhe von 350,00 € (bei Höchstgebühren eines Wahlanwalts in Höhe von 325,00 €) für angemessen erachtet.
Im erstgenannten Verfahren sind neben der Tätigkeit in beiden Beschwerdeverfahren die beiden Besuche des Mandanten im Westfälischen Zentrum für Forensische Psychiatrie in Lippstadt am 11. Mai und am 19. Dezember 2001, die jeweils eine mehr als fünfstündige Abwesenheit des Antragstellers von seiner Kanzlei erforderlich machten, in besonderer Weise berücksichtigt worden. Bei dem zweiten Überprüfungsverfahren vor dem Amtsgericht Paderborn war dies hinsichtlich des Besuchs des Mandanten im Westfälischen Zentrum für Psychiatrie und Psychotherapie in Paderborn am 20. April 2002 mit einer Abwesenheitsdauer von der Kanzlei von fünf Stunden und der Teilnahme am Anhörungstermin vom 12. Februar 2002 mit einer Abwesenheitsdauer von fast sieben Stunden der Fall.
Daher übersteigt die für beide Verfahren gewährte Pauschvergütung auch die einem Wahlverteidiger zustehenden Höchstgebühren. Dies rechtfertigt sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats insbesondere dann, wenn die gesetzliche Gebühr und auch die Höchstgebühr eines Wahlverteidigers verhältnismäßig niedrig ist und dem geleisteten Arbeitsaufwand nicht gerecht werden kann (vgl. u. a. den o. g. Senatsbeschluss vom 09. Juli 2002 sowie Senatsbeschluss vom 27. April 2001 in 2 (s) Sbd. 6 - 248/00 = StV 2004, 96 = JurBüro 2001, 641 = AGS 2001, 201).
Entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung war der Senat auch nicht gehindert, dem Antragsteller in der Summe beider Pauschvergütungen einen höheren Betrag als insgesamt beantragt festzusetzen, da der Antrag insoweit nur eine Anregung, nicht aber einen nach oben hin begrenzten Betrag beinhaltet (vgl. u. a. Senatsbeschluss vom 11. Januar 2001 in 2 (s) Sbd. 6 - 235/00 = NStZ-RR 2001, 256 = JurBüro 2001, 413 = AGS 2002, 229 = wistra 2001, 239).
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass die Pauschvergütungen an die Stelle der jeweiligen gesetzlichen Gebühren treten und Auslagen sowie Mehrwertsteuer nicht enthalten. Über diese ist im anschließenden Kostenfestsetzungsverfiahren durch den Urkundsbeamten der Geschäftstelle zu entscheiden.


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