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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss 252/04 OLG Hamm

Leitsatz: Allein aus der Tatsache, dass ein Anklagevorwurf existent ist, kann eine für den Angeklagten nachteilige Bewertung der Sozialprognose im Rahmen der Strafaussetzung zur Bewährung nicht getroffen werden.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte:

Normen:

Beschluss: Strafsache
gegen M.A.
wegen Diebstahls u.a.,

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 2. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 03. Februar 2004 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02. 08. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Insoweit wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen eines Diebstahls im besonders schweren Fall und wegen einfachen Diebstahls in drei weiteren Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 18. August 2003 -6 Ls 201 Js 200/03 (57/03)- zu einer Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Der einbezogenen Strafe von sechs Monaten liegt eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung im minder schweren Fall (Tat vom 25. Januar 2003) zugrunde. Seine dagegen gerichtete Berufung hat der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung ausdrücklich bezüglich der drei Fälle des einfachen Diebstahls (Taten II 1, 3 und 4 der Urteilsfeststellungen) auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkt. Das Landgericht hat sodann die Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass er wegen Diebstahls in vier Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 18. August 2003 6 Ls 201 Js 200/03 (57/03)- zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt wird.
Das Amtsgericht hat, soweit die Kammer darauf verweist, u.a. folgende Feststellungen getroffen:

„ Seit Januar 2003 war der Angeklagte in finanzielle Schwierigkeiten geraten, weil seine Ausbildungsfirma F. keinen Lohn mehr zahlte. Außerdem verursachte er mit dem geliehenen Fahrzeug eines Bekannten einen Unfall mit erheblichem Sachschaden, für den er Ersatz leisten musste. Von verschiedenen Bekannten lieh er sich Geld, zu dessen Rückzahlung er immer wieder aufgefordert wurde. Vor diesem Hintergrund trank er am letzten Tag des Monats Februar im Jahre 2003 in der Gaststätte „B.“ in Kierspe bis etwa 24.00 Uhr Bier, Ouzo und andere Alkoholmixgetränke. Schließlich war er angetrunken, in einem Zustand erheblich verminderter Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB befand er sich indes nicht. Aufgrund alkoholbedingter Enthemmung und mit Rücksicht auf seine finanziell desolate Lage entschloss sich der Angeklagte, aus in Kiersper Straßen abgestellten Fahrzeugen Autoradios, CD-Wechsler etc. zu entwenden, um diese später zu verkaufen.

1. Früh morgens am 01.03.2003 entwendete der Angeklagte
dementsprechend aus dem vor dem Haus Birkenweg 12 in Kierspe abgestellten PKW Skoda (amtl. Kennzeichen: XXXXXXX) des Zeugen P. ein CD-Radio der Marke Blaupunkt im Wert von 110,- € sowie 10 CD.
Zugunsten des Angeklagten wird davon ausgegangen, dass eine Tür des Fahrzeugs offen gestanden hat, durch die der Angeklagte in das Fahrzeug gelangte.

3. Ebenfalls in dieser Nacht entwendete er aus dem vor dem Haus Fritz-Linde-Str. 29a in Kierspe abgestellten PKW VW-Polo (amtl. Kennzeichen: XXXXX 1109) des Zeugen F. ein Autoradio der Marke Medion im Wert von 100,- EUR. Zugunsten des Angeklagten war davon auszugehen, dass der Geschädigte F. am Vorabend vergessen hatte, die Tür des VW-Polo zu verschließen.

4. Aus einem auf dem Höferhof 8b in Kierspe abgestellten PKW VW-Polo (amtl. Kennzeichen: XXXXXXX) des Geschädigten E. entwendete der Angeklagte einen CD-Wechsler der Marke Sony im Werte von etwa 100,- EUR. Der Angeklagte war durch die nicht mehr verschließbare Heckklappe in das Fahrzeug gelangt.“

Hinsichtlich der Tat zu Ziffer 2 hat das Berufungsgericht aufgrund der Beweisaufnahme auch einen einfachen Diebstahl -einer geringwertigen Sache- angenommen und dazu folgende Feststellungen getroffen:

„ Früh morgens am 01.03.2003 entwendete der Angeklagte aus dem vor dem Haus Fritz-Linde-Straße 26 in Kierspe abgestellten PKW VW-Polo mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXXXXX der Zeugin S. ein Autoradio mit einem Zeitwert von maximal 50,- €. Er war durch die nicht verschlossene Heckklappe in das Fahrzeug gelangt und verließ dieses unter Mitnahme des Autoradios durch die Beifahrertür. Der Angeklagte hat sich inzwischen bei der ihm bekannten Zeugin, mit deren Sohn er befreundet ist, entschuldigt und ihr das Autoradio wieder ausgehändigt und eingebaut.“

Für diese Tat hat die Berufungskammer eine Einzelstrafe von vier Monaten und für die weiteren drei Diebstähle jeweils eine Freiheitsstrafe in Höhe von fünf Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet.
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten, mit der er sich im Wesentlichen gegen die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung wendet.

II.
Dem in zulässiger Weise erhobenen Rechtsmittel ist -zumindest vorläufig- ein Erfolg nicht zu versagen. Die Revision, mit der ausweislich der Rechtfertigungsschrift allein die Überprüfung der Strafzumessung sowie der Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung begehrt wird, führt aufgrund der Sachrüge zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs.


Das Berufungsgericht ist zu Recht hinsichtlich der Taten zu II. 1., 3. und 4. von der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung ausgegangen.
Die getroffenen Feststellungen tragen nicht nur jeweils die Verurteilung wegen Diebstahls, sondern die Taten stehen auch im Verhältnis der Tatmehrheit gemäß
§ 53 StGB zueinander. Der Diebstahl aus mehreren Fahrzeugen, die auf offener Straße abgestellt sind, stellt sich bei der gebotenen natürlichen Betrachtungsweise unabhängig davon, wie nah oder weit die Fahrzeuge auseinander stehen, nicht als einheitliches Tun dar (vgl. BGHR StGB vor § 1 natürliche Handlungseinheit, Entschluss einheitlicher 14).
Die Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung ergibt sich vorliegend auch nicht etwa daraus, dass der von der Rechtsmittelerklärung des Angeklagten an sich nicht mitumfasste Schuldspruch und die Strafzumessung so miteinander verknüpft sind, dass eine getrennte Überprüfung der Strafzumessung nicht möglich wäre, ohne den nicht angefochtenen Schuldspruch zu berühren (vgl. statt aller BGHSt 33, 59; 46, 287). Denn die Entscheidung, ob der Täter schuldunfähig (§ 20 StGB) ist, ist von der allein hier möglicherweise in Betracht kommenden erheblich verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) deutlich sichtbar trennbar. Während nämlich die Schuldfähigkeit zur Schuldfrage gehört, ist die verminderte Schuldfähigkeit allein der Straffrage zuzuordnen (so schon BGHSt 7, 183).
Demnach ist der Schuldspruch des Urteils des Amtsgerichts Lüdenscheid und nicht des Amtsgerichts Iserlohn, wie in dem Urteil auf der Seite 1 irrtümlich ausgeführt, bezüglich der Taten II. 1., 3. und 4. der Feststellungen bereits aufgrund der Berufungs-beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch in Rechtskraft erwachsen und steht damit nicht mehr zur Überprüfung durch den Senat an. Ebenso führt die aus der Revisionsrechtfertigung ersichtliche Beschränkung des Rechtsmittels auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs dazu, dass auch die Feststellungen der Berufungskammer hinsichtlich der Tat zu Ziffer 2 (Diebstahl zum Nachteil der Zeugin Schmeing-Büge) rechtskräftig geworden sind.

2.
Die somit allein gebotene Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs lässt jedoch Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen und führt insoweit zur Aufhebung des Urteils.

Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, dass es das Ausmaß der Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit durch „weitere Beweiserhebungen“ hätte aufklären müssen, geht allerdings fehl, weil diese Rüge nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt. Die Revision hat bereits nicht ausreichend dargelegt, welche Umstände das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätten drängen müssen.

Rechtsfehlerhaft sind allerdings folgende Feststellungen der Berufungskammer zur Frage der Strafaussetzung zur Bewährung:

„ ...Der Angeklagte ist noch nicht so gefestigt, dass er auch in kritischen Lebenssituationen ohne Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird. Dies wird auch durch den Umstand belegt, dass er nur etwa fünf Wochen vor den Diebstahlstaten durch eine gefährliche Körperverletzung auffiel (Anmerkung des Senats: Gemeint ist die der einbezogenen Strafe zugrunde liegende Tat vom 25. Januar 2003), er seine Neigung zu Gewalttätigkeiten noch nicht hinreichend beherrscht. Es handelt sich somit bei den Taten dieses Verfahrens nicht nur um einen einmaligen Ausrutscher, der einer positiven Sozialprognose nicht entgegensteht. Dies zeigt auch das Verfahren 201 Js 353/03 der Staatsanwaltschaft Hagen, in dem dem Angeklagten zur Last gelegt wird, am 08.03.2003 gemeinsam mit zwei Mittätern eine gefährliche Körperverletzung begangen zu haben. Das Verfahren ist von der Staatsanwaltschaft im Hinblick auf vorliegendes Verfahren nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt worden.“

Mit diesen Ausführungen hat die Berufungskammer in nicht zulässiger Weise allein aus der Tatsache, dass ein entsprechender Anklagevorwurf existent ist, eine für den Angeklagten nachteilige Bewertung der Sozialprognose getroffen. Von einer bei der Strafzumessung oder Strafaussetzung zur Bewährung getroffenen, zwingend erforderlichen exakten Tatsachenfeststellung (vgl. Dahs/ Dahs, Die Revision im Strafprozess, 6. Aufl., Rn. 439, 449), die den Anklagevorwurf bestätigt, kann nicht die Rede sein. Derartige gerichtliche Feststellungen lassen sich weder dem Urteil noch dem Protokoll entnehmen.

Ein abweichendes Ergebnis folgt auch nicht daraus, dass in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Berücksichtigung von nach § 154 StPO oder § 154a StPO ausgeschiedenen Taten bzw. Tatteilen bei der Strafzumessung für zulässig angesehen wird (vgl. LR-Beulke, 25. Aufl., § 154 Rn. 56 ff. m.w.N.).
Die Berücksichtigung von in dieser Weise ausgeschiedenen Taten setzt nämlich auch hier voraus, dass sie, wie auch andere für die Strafzumessung bedeutsame Umstände im Rahmen der Hauptverhandlung im Wege des Strengbeweises prozessordnungsgemäß festgestellt werden (vgl. BGHSt 30, 166; BGHR StPO § 154 Abs. 1 Hinweispflicht 1; BGH NStZ 1983, 20; insb. BGH NStZ 1991, 182 m.w.N.).

Ausgeschlossen werden kann auch nicht, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht (§ 337 Abs. 1 StPO).

Zwar sprechen die von der Kammer erwähnten weiteren Umstände, insbesondere die schon erheblichen Vorverurteilungen, deutlich gegen noch mildere vom Berufungsgericht bereits herabgesetzte Einzelstrafen bzw. eine mildere Gesamtfreiheitsstrafe und auch gegen eine positive Sozialprognose. Zutreffend ist vor allem, dass das Berufungsgericht in der verbüßten längeren Jugendstrafe und dem nur wenige Monate vor Tatbegehung erfolgten Erlass des Strafrestes Umstände gesehen hat, die im Rahmen der Prognoseentscheidung gegen die Erwartung künftiger Straffreiheit ohne die Einwirkungen des Vollzuges der zu verhängenden Strafe sprechen.

Die Frage des Beruhens auf dem sachlich-rechtlichen Fehler nach § 337 StPO kann aber vor allem für die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung der zu verhängenden Gesamtfreiheitsstrafe nicht ausgeschlossen werden.


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