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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss 261/04 OLG Hamm

Leitsatz: Ein sachlich-rechtlicher Fehler in der Strafzumessung liegt vor, wenn das Berufungsgericht ohne nähere Begründung eine gleich hohe Strafe wie der Erstrichter verhängt, obwohl es von einem wesentlich geringeren Strafrahmen ausgeht.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Verschlechterungsverbot; Strafzumessung; Berufungsgericht; gleich hohe Strafe; einheitliche Tat

Normen:

Beschluss: Strafsache
gegen K.E.
wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis,

Auf die Revision des Angeklagten vom 24. März 2004 gegen das Urteil der 5. kleinen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 19. März 2004 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 12. 07. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeklagten und seines Verteidigers einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Hagen hat den Angeklagten durch Urteil vom 09. Dezember 2003 wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) unter Festsetzung von zwei Einzelstrafen von je zwei Monaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgerichts Hagen mit Urteil vom 19. März 2004 -45 Ns 765 Js 966/02 (15/04)- verworfen und ihn wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Die Strafkammer hat folgendes festgestellt:
„Seit der letzten Entziehung der Fahrerlaubnis ist der Angeklagte nicht mehr

  1. Besitz eines Führerscheins. Zwischenzeitlich hat er versucht, eine neue Fahrerlaubnis zu erreichen, was ihm aber nicht gelungen ist. Die Verwaltungsbehörde hatte ihm aufgegeben, sich vor Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis einem Test in medizinisch-psychologischer Hinsicht zu unterziehen. Diesen bestand der Angeklagte nicht und so gelangte er auch nicht in den Besitz einer neuen Fahrerlaubnis.
Am 22. November 2002 war der Angeklagte zusammen mit Kollegen mit dem PKW BMW XXXXXXX, dessen Halterin die Lebensgefährtin des Angeklagten ist, in Dortmund gewesen, wobei einer der Kollegen das Fahrzeug auf dieser Fahrt nach Dortmund und auch zurück geführt hatte. Dieser Kollege stieg im Bereich des Emilienplatzes in Hagen aus. Der Angeklagte wollte den PKW nicht am Parkplatz am Emilienplatz stehen lassen, sondern er setzte sich hinter das Steuer des PKW, um den Wagen zu seiner damaligen Wohnung in A.Straße in Hagen zu fahren. Dabei handelte es sich um eine Fahrtstrecke von ca. einem Kilometer. Der Angeklagte hätte den Weg zu seiner Wohnung auch ohne weiteres zu Fuß zurück legen können, wobei er, wenn er durch die Innenstadt von Hagen gegangen wäre, etwa einen Fußweg von zehn Minuten hätte zurücklegen müssen. Dem Angeklagten war dies jedoch zu umständlich und außerdem wollte er den PKW in der Nähe seiner Wohnung geparkt haben und so setzte er sich hinter das Steuer des PKW im Bewusstsein dessen, dass er nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war. Bereits nach wenigen hundert Metern wurde er im Rahmen einer allgemeinen Polizeikontrolle im Bereich der Rembergstraße angehalten und sollte seine Fahrzeugpapiere vorlegen. Er konnte lediglich den Fahrzeugschein vorweisen. Die entsprechende Frage des kontrollierenden Polizeibeamten nach seinem Führerschein beantwortete der Angeklagte wahrheitswidrig dahingehend, dass er seinen Führerschein zu Hause vergessen hatte. Mit dieser Erklärung hoffte er, seine Fahrt zur Wohnung ungehindert fortsetzen zu können. Die Polizeibeamten gestatteten ihm auch die Weiterfahrt in der Annahme, dass der Angeklagte tatsächlich seinen Führerschein zu Hause vergessen habe, sie folgten ihm aber, um die Angaben des Angeklagten vor Ort zu überprüfen. Im Bereich Bergischer Ring, nach einer Fahrtstrecke von insgesamt weniger als einem Kilometer, hielt der Angeklagte dann vor seinem Haus an und diePolizeibeamten stoppten ihr Fahrzeug hinter dem Fahrzeug des Angeklagten. Nunmehr offenbarte der Angeklagte gegenüber den Polizeibeamten, dass er seinen Führerschein nicht vergessen hatte, sondern gar nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis war. ...“

Zur rechtlichen Würdigung führte die Kammer u.a. weiter aus:
„ Es handelt sich nach Auffassung der Kammer um einen einheitlichen Lebensvorgang, sodass nur eine Tat zugrunde zu legen ist. Der Angeklagte wollte von Anfang an vom Emilienplatz aus bis zu seiner Wohnung fahren, um dort den PKW abzustellen. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Unterbrechung der Fahrt durch das Anhalten der Polizeibeamten und die Nachfrage nach der Fahrerlaubnis zu einer Zäsur in dem Sinne geführt hat, dass von zwei Taten auszugehen wäre, denn die Weiterfahrt beruht nicht auf einem neuen Tatentschluss, sondern der Angeklagte hat sein ursprüngliches Fahrvorhaben lediglich zu Ende geführt. ...“

Gegen dieses Urteil der Strafkammer hat der Angeklagte Revision eingelegt und diese, wie sich aus den Gründen des Rechtsmittels eindeutig ergibt, auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs beschränkt. Die Beschränkung ist in zulässiger Weise erfolgt, da die Feststellungen den Schuldspruch wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs.1 Nr. 1 StVG) tragen.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung des Verschlechterungsverbotes nach § 331 StPO unter Hinweis darauf, dass die vom Berufungsgericht festgesetzte Strafe die erstinstanzlich angeordnete Einzelstrafen von zwei Monaten nicht hätte übersteigen dürfen; demgemäss hätte die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung eingehend erörtert werden müssen.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten zu verwerfen.

II.
Das zulässige Rechtsmittel des Angeklagten hat -vorläufig- Erfolg.

Der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Zwar zwingt, worauf die Revision zutreffend hinweist, bei tatmehrheitlicher Verurteilung der Wegfall einer Einzelstrafe nicht ohne weiteres zur Herabsetzung der Gesamtstrafe, sofern die Vorschriften der Gesamtstrafenbildung (heute § 54 StGB) ausreichend beachtet sind (BGHSt 14, 5, 8).
Der Tatrichter ist somit unter dem Gesichtspunkt des Verbotes der Schlechterstellung nicht gezwungen, den Wegfall von Einzelstrafen stets durch Herabsetzung der Gesamtstrafe zu berücksichtigen (BGH a.a.O.).
Vielmehr kann es unter weiteren Voraussetzungen gerechtfertigt sein, auf eine Strafe in Höhe der bisherigen Gesamtstrafe zu erkennen, wenn statt der von der Vorinstanz seiner Gesamtstrafenbildung zugrunde gelegten Tatmehrheit nunmehr Tateinheit angenommen wird (vgl. BGH, Beschl. vom 03. Juni 1982, VRS 65, 134; Meyer-Goßner, a.a.O., § 331 Rn. 18 m.w.N.). Dies setzt allerdings voraus, dass dadurch der Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat unverändert bleibt (vgl. BGH a.a.O.).
Soweit die Revision auf eine Fallgestaltung verweist, in der eine Verletzung des Verschlechterungsverbotes darin gesehen wurde, dass das Berufungsgericht trotz Ausscheidens einzelner Tatvorwürfe die gleiche Strafe wie der Erstrichter festgesetzt hatte, (vgl. OLG Düsseldorf StV 1986, 146), ist diese mit der vorliegenden Situation nicht vergleichbar.
Eine Verletzung des Verschlechterungsverbotes, dessen Beachtung von Amts wegen zu überprüfen ist, liegt demnach nicht vor.

Ein sachlich-rechtlicher Fehler des angefochtenen Urteils liegt aber deshalb vor, weil die Darlegungen der Strafkammer zur Strafzumessung nicht ausreichend sind.

Zwar führt eine revisionsrechtliche Kontrolle des Rechtsfolgenausspruchs nur zu einer eingeschränkten Überprüfung, ob die Strafzumessungserwägungen im Urteil in sich fehlerfrei sind, ob der Tatrichter rechtlich anerkannte und in Anbetracht der Tatumstände zu bedenkenden Strafzwecke nicht außer Betracht gelassen hat (vgl. BGHSt 29, 319, 320 m.w.N.). Ferner muss sich die konkrete Strafe an ihrer gesetzlichen Bestimmung orientieren, ein gerechter Schuldausgleich zu sein und somit innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Ermessensspielraums liegen.
In Zweifelsfällen muss daher in der Regel die Strafzumessung des Tatrichters hingenommen werden, da eine exakte Richtigkeitskontrolle schon wegen des Ermessenspielraums nicht durchführbar ist (BGH a.a.O.).
Eine Fehlerhaftigkeit ist ferner dann gegeben, wenn die Darlegungen des Tatrichters zu den Strafzumessungserwägungen lückenhaft sind und dem Revisionsgericht eine ausreichende Kontrolle nicht ermöglichen (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Juni 1998 in 2 Ss 666/98, veröffentlicht in StV 1998, 600, NStZ-RR 1998, 374; Meyer-Goßner, a.a.O. § 337 Rn. 34).

So verhält es sich vorliegend.

Zutreffender Ansicht zu Folge liegt ein sachlich-rechtlicher Fehler vor, wenn das Berufungsgericht ohne nähere Begründung eine gleich hohe Strafe wie der Erstrichter verhängt, obwohl es von einem wesentlich geringeren Strafrahmen ausgeht (BayObLG NStZ-RR 2003, 326; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 267 Rn. 18 m.w.N.). Der Angeklagte hat nämlich einen Anspruch darauf zu erfahren, warum er, obwohl ein wesentlich geminderter Strafrahmen der Strafzumessung zugrunde gelegt wurde, die gleiche Strafe auferlegt erhält (BayObLG a.a.O.). Darüber hinaus wird durch eine eingehende Begründung des für den Angeklagten nicht ohne weiteres begreifbaren Ergebnisses die Funktion der Strafe als Mittel zur Einwirkung auf den Angeklagten erfüllt (BayObLG a.a.O.; BGH StV 1983, 14f.). Die vorliegende Fallgestaltung ist mit dieser vergleichbar, wenn auch eine Verschiebung des Strafrahmens nicht gegeben ist.
Durch den Wegfall einer weiteren Tat im Sinne des § 53 StGB erhebt sich ebenfalls die Frage, warum dennoch eine gleich hohe Strafe, wie sie der Erstrichter verhängt hat, angemessen ist.

Für die Frage der Gesamtstrafenbildung hat der Senat in anderem Zusammenhang bereits auf folgendes hingewiesen (vgl. 2Ss 1042/02) :
„Die Summe aller Einzelfreiheitsstrafen (hierbei die Geldstrafe von 20 Tagessätzen als Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Tagen mitgezählt) beträgt 7 Monate und 20 Tage, liegt also nur geringfügig unter der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe. Eine dahingehende Ermessensentscheidung ist dem Tatrichter zwar nicht verwehrt. Er muss jedoch in den Urteilsgründen eingehend darlegen, warum aus seiner Sicht eine solch hohe Freiheitsstrafe geboten ist (Löwe Rosenberg-Gollwitzer, StPO, 24. Aufl., Rn 92 zu § 267 und KK-Engelhardt, StPO, 4. Aufl., Rn. 28 zu § 267, jeweils m. w. N.). ...“

Insoweit liegt dem die auch in vorliegender Situation gültige Überlegung zugrunde, dass die Urteilsgründe nicht klar erkennen lassen, ob das Tatgericht von zutreffenden, insbesondere in Anbetracht der konkreten Umstände zu berücksichtigen Gesichtspunkten ausgegangen ist.
Dementsprechend lässt das angefochtene Urteil nähere Darlegungen dazu vermissen, warum das Berufungsgericht trotz des Umstandes, dass es nunmehr lediglich eine Tat im Sinne des § 52 StGB angenommen hat, eine Freiheitsstrafe von drei Monaten für angemessen erachtet hat, während die Vorinstanz für jede der von ihr zugrunde gelegten beiden Taten jeweils eine Einzelstrafe von zwei Monaten für ausreichend erachtete hat.
Insoweit kommt außerdem der weiteren Frage Bedeutung zu, ob bei einer ggf. geringeren Freiheitsstrafe eine Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht kommt und ob das Entfallen einer weiteren Tat hierfür bedeutsam ist.
Auch diese Fragen werden zu erörtern sein.

Das angefochtene Urteil war daher im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hagen zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).


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