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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss OWi 497/04 OLG Hamm

Leitsatz: Wenn der Betrieb einer Gastwirtschaft an zwei verschiedenen Tagen, nachdem diese zwischenzeitlich geschlossen worden war, insbesondere eines Biergartens, der wetterbedingt nicht an allen Tagen geöffnet ist, in Rede steht, ist regelmäßig davon auszugehen, dass ein neuerlicher Verstoß jeweils auf einem gesondert gefassten Tatentschluss beruht und demgemäß von Tatmehrheit auszugehen ist.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte:

Normen:

Beschluss: Bußgeldsache
gegen M.K.
wegen Verstoßes gegen das Gaststättengesetz.

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Witten vom 27. April 2004 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 23. 08. 2004 durch den Richter am Amtsgericht (als Einzelrichter gemäß § 80 a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 OWiG) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Insoweit wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Witten zurückverwiesen.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Betroffene wegen zwei tatmehrheitlich begangener vorsätzlicher Verstöße gegen das Gaststättengesetz verurteilt wird.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Witten hat die Betroffene mit Urteil vom 27. April 2004 wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Gaststättengesetz zu einer Geldbuße von 1.000,- € verurteilt.

Es hat dazu im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

„Gleichwohl betrieb die Betroffene die zu ihrem Lokal gehörende Gartenwirtschaft am 12. Juli 2003 auch nach 22.00 Uhr, wodurch die Nachbarn der Betroffenen, darunter die Zeugen R:M. und I.S., die unmittelbar neben der Gartenwirtschaft der Betroffenen wohnen, gestört wurden. Aus der Gartenwirtschaft der Betroffenen drang laute Musik, lautes Reden, Singen und Grölen der Gäste der Gartenwirtschaft bis in die Wohnung der Zeugen. Als Nachbarn der Betroffenen gegen 23.00 Uhr die Polizei riefen, wurde der von der Gartenwirtschaft ausgehende Lärm nach deren Einschreiten deutlich geringer, es befanden sich aber immer noch Gäste im Biergarten, an die auch noch Getränke ausgeschenkt wurden. Erst um 1.00 Uhr morgens verabschiedeten sich die letzten Gäste aus dem Biergarten.

Am Montag, dem 14. Juli 2003, wurde der Biergarten der Betroffenen in gleicher Weise mit erheblichem Lärm bis nach 24.00 Uhr betrieben. Zum gleichen Zeitpunkt fand in einer Entfernung von etwa 500 Metern vom Lokal der Betroffenen entfernt in einem im Freien aufgestellten großen Schützenzelt ein Schützenfest statt.

Diese Feststellungen beruhen auf der Einlassung der Betroffenen, soweit ihr gefolgt werden konnte, sowie auf den uneidlichen Aussagen der Zeugen R.M., I.S. und B.O..

Die Betroffene hat sich dahin eingelassen, nach 22.00 Uhr keinerlei Getränke oder Speisen an die Gäste in ihrem Biergarten mehr ausgeschenkt zu haben. Sie habe ihre Gäste aufgefordert, die bestellten Getränke auszutrinken und die Gartenwirtschaft zu verlassen. Dies habe naturgemäß einige Zeit in Anspruch genommen, da sie, die Betroffene, ihre Gäste nicht unvermittelt habe vor die Tür setzen können. Sie habe ihre Gartenwirtschaft nach 22.00 Uhr nicht mehr betrieben.

Die Wahrnehmungen der Zeugen im Hinblick auf etwaige Lärmbelästigungen gingen auf das in der Nähe stattfindende Schützenfest zurück, nicht auf den Lärm aus ihrem Biergarten.“

Gegen diese Entscheidung richtet sich die in zulässiger Weise erhobene Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit der sie das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses sowie - entgegen dem Antrag des Rechtsmittels- ausweislich seiner Begründung uneingeschränkt die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.
Das Rechtsmittel hat einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im Rechtsfolgenausspruch.

Allerdings tragen die Feststellungen des Amtsgerichts die Verurteilung der Betroffenen wegen, wie noch auszuführen sein wird, zwei tatmehrheitlich begangener Verstöße i.S.d. §§ 28 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 S. 2 Gaststättengesetz, indem sie als Betreiberin der Schank- und Speisewirtschaft den dazu gehörenden Biergarten an den beiden festgestellten Tagen nach 22.00 Uhr betrieben und Getränke an ihre Gäste ausgegeben hat. Dabei hat das Amtsgericht in nicht zu beanstandender Weise eine vorsätzliche Begehungsweise der Betroffenen festgestellt.

Der Rechtsfolgenausspruch hält demgegenüber einer Überprüfung auf Rechtsfehler nicht stand.

Soweit das Amtsgericht festgestellt hat, dass die Betroffene sowohl am Samstag, den 12. Juli 2003 wie auch am Montag, den 14. Juli 2003 noch nach 22.00 Uhr ihren Biergarten betrieben hat, handelt es sich hierbei ersichtlich um zwei im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander stehende Taten.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag, die angefochtene Entscheidung im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben, wie folgt begründet:

„Das Amtsgericht geht allerdings ohne nähere Begründung offenbar von einer natürlichen Handlungseinheit (zu vgl. Göhler, OWiG, 12. Aufl., vor § 19 Rdn. 27 ff) aus, denn es hat die Geldbuße nur wegen eines Verstoßes verhängt. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür liegen nach den getroffenen Feststellungen indes nicht vor, zumal die Betroffene nach dem ersten Verstoß am 12.07.2003 durch die von Anwohnern herbeigerufene Polizei ermahnt worden ist. Der zweite Verstoßes dürfte demnach auf einem gesondert gefassten Tatentschluss beruhen.
Soweit möglicherweise eine Gesamtgeldbuße verhängt werden sollte, wäre dies rechtlich nicht zulässig (§ 20 OWiG).

Für eine eigene Entscheidung des Senats (§ 354 Abs. 1 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG) ist im Hinblick auf die Bußgeldrahmen (§ 28 Abs. 3 GastG, § 17 Abs. 1 OWiG) und einer möglicherweise unterschiedlich zu gewichtenden Einschätzung der Vorwürfe kein Raum.“

Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei und bemerkt ergänzend:

Wenn der Betrieb einer Gastwirtschaft an zwei verschiedenen Tagen, nachdem diese zwischenzeitlich geschlossen worden war, insbesondere eines Biergartens, der wetterbedingt nicht an allen Tagen geöffnet ist, -wie hier- in Rede steht, ist regelmäßig davon auszugehen, dass der neuerliche Verstoß jeweils auf einem gesondert gefassten Tatentschluss beruht und demgemäß von Tatmehrheit auszugehen ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12. Juli 2003 in 1 Ss OWi 401/03; OLG Hamm, Beschl. vom 28. Januar 2003 in 3 Ss OWi 797/02).

III.
Soweit die Betroffene darüber hinaus das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses sowie weitere materiell-rechtliche Rügen erhebt, ist ihr Rechtsmittel allerdings unbegründet und daher zu verwerfen.

1.
Ein Verfahrenshindernis besteht nicht. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist der Bußgeldbescheid der Stadt Witten vom 7. Oktober 2003 nicht unwirksam, auch wenn er zwei selbstständige Handlungen feststellt, gleichwohl jedoch nur eine Geldbuße in Höhe von 1.000,- € festsetzt. Die Unwirksamkeit des Bußgeldbescheides hat dieser Fehler nicht zur Folge. Für den Bußgeldbescheid als Prozessvoraussetzung wesentlich ist nur seine Aufgabe, den Tatvorwurf in persönlicher, sachlicher und rechtlicher Hinsicht von anderen denkbaren Tatvorwürfen abzugrenzen. Diese Aufgabe erfüllt der Bußgeldbescheid in sachlicher Hinsicht, wenn nach seinem Inhalt kein Zweifel über die Identität der Tat entstehen kann, wenn also zweifelsfrei feststeht, welcher Lebensvorgang erfasst und geahndet werden soll, der somit die Gefahr einer Verwechslung mit einer möglichen gleichartigen Ordnungswidrigkeit derselben Betroffenen ausschließt (vgl. OLG Hamm, NStZ 1987, 515 m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt der zugrunde liegende Bußgeldbescheid offensichtlich.

2.
Der Einwand der Betroffenen, die durch Vernehmung ihrer Nachbarn getroffenen Feststellungen verstießen gegen den „Grundsatz des staatlichen Gewaltmonopols“, weil es sich bei der Feststellung von Ordnungswidrigkeiten um eine typische Hoheitsaufgabe handele und diese Zeugen nicht Mitarbeiter der Stadt Witten seien, sie andererseits, weil sie regelmäßig die zuständigen Behörden zur Einleitung von Bußgeldverfahren veranlassten, aber die Stellung eines „Verwaltungshelfers“ einnähmen, entbehrt erkennbar jeglicher Grundlage und lässt eine Vergleichbarkeit mit Fällen der Beauftragung von Privatfirmen durch die Verwaltungsbehörde (vgl. dazu BayObLG NStZ-RR 1997, 312) vermissen.

3.
Die Rüge, das Amtsgericht habe genauere Feststellungen dazu treffen müssen, in welcher konkreten Entfernung sich die Zeugen zum Biergarten der Betroffenen befunden hätten und inwieweit die von ihnen geschilderten Lärmbeeinträchtigungen von diesem oder aber von dem benachbarten Schützenfest ausgingen, geht ebenfalls fehl. Die damit angegriffene Beweiswürdigung ist nur dann rechtsfehlerhaft, wenn sie gegen Beweisverbote oder Denkgesetze verstößt bzw. der Lebenserfahrung widerspricht (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., StPO, § 261 Rn. 38 m.w.N.; Dahs/ Dahs, Die Revision im Strafprozeß, 6. Aufl. Rn 409 ff.). Die betreffenden Urteilsfeststellungen wären lückenhaft, wenn sie dem Rechtsbeschwerdegericht eine entsprechende Überprüfung, auf welchem Wege der Tatrichter zu bestimmten Feststellungen gelangt ist, nicht ermöglichen (Meyer-Goßner a.a.O., § 267 Rn. 12 m.w.N.).
Das Amtsgericht hat dazu festgestellt, dass die Zeugen M. und S. in unmittelbarer Nachbarschaft zu der Gartenwirtschaft der Betroffenen wohnhaft sind und eindeutig bekundet haben, dass in der Gartenwirtschaft noch Gäste verkehrten und bedient wurden. Die Zeugen seien auch in der Lage gewesen, von ihren in unmittelbarer Nähe befindlichen Wohnungen aus die Lärmbeeinträchtigungen dem Biergarten zuzuordnen. Genauere Feststellungen sind vorliegend nicht erforderlich, um dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung der Beweiswürdigung auf Rechtsfehler zu ermöglichen. Darüber hinaus ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass der Tatrichter aufgrund dieser Feststellungen die Überzeugung gewonnen hat, dass der Biergarten zur angegebenen Zeit weiterhin betrieben worden sei und die festgestellten Lärmbeeinträchtigungen von ihm ausgingen.

IV.
Für die erneute Verhandlung weist der Senat ergänzend auf Folgendes hin:

Zu Recht beanstandet die Rechtsbeschwerde des weiteren, dass das Amtsgericht im Rahmen der Bußgeldfestsetzung fehlerhaft einen hartnäckigen Verstoß der Betroffenen unter Hinweis auf die bei dem Gericht zuvor anhängig gewesenen Bußgeldverfahren 18 OWi AK 281/03 und 18 OWi AK 288/03 angenommen hat. Auch insoweit führt die Sachrüge zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruches, da die Urteilsgründe lückenhaft sind, als sie nicht ausführen, in welcher Weise entsprechende Feststellungen getroffen worden sind. Denn auch die im Rahmen der Strafzumessung bedeutsamen Umstände sind im Rahmen der Hauptverhandlung im Wege des Strengbeweises prozessordnungsgemäß festzustellen (vgl. Dahs/Dahs, Die Revision im Strafprozeß, 6. Aufl., Rdnr. 439, 449; BGH NStZ 1983, 20; BGH NStZ 1991, 182 m.w.N.). Ob darüber hinaus die Rüge der Verletzung des § 261 StPO ausreichend dargelegt ist und den tatsächlichen Verlauf der Beweisaufnahme zutreffend wiedergibt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Dies unterstellt wäre sie jedenfalls begründet. Insoweit ist anerkannt, dass als gerichtskundig zu erörternde Tatsachen jedenfalls in der Form Gegenstand der Hauptverhandlung sein müssen, dass das Gericht die Beteiligten darauf hinweist, es werde diese Tatsachen möglicherweise als offenkundig seiner Entscheidung zugrunde legen (vgl. BGH NStZ 1995, 246; OLG Koblenz NStZ 2004, 396). Für die neue Hauptverhandlung wird zudem zu berücksichtigen sein, dass nach den mit der Rechtsbeschwerde vorgelegten Unterlagen eines der beiden Verfahren nicht gegen die Betroffene, sondern ihren Ehemann gerichtet war, so dass, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, eine Berücksichtigung zu Lasten der Betroffenen daher ausscheidet. Im Übrigen wird das Amtsgericht zu berücksichtigen haben, dass nach der vorgelegten Entscheidungskopie das gegen die Betroffene gerichtete Verfahren gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt wurde und dementsprechend rechtskräftige Schuldfeststellungen zu dem entsprechenden Vorwurf nicht vorliegen.
Eine Berücksichtigung im Rahmen der Strafzumessung setzt dementsprechend voraus, dass das Amtsgericht wie auch andere für die Strafzumessung bedeutsame Umstände im Rahmen der erneuten Hauptverhandlung selbst im Wege im Strengbeweises prozessordnungsgemäß feststellt (vgl. BGHSt 30, 166; BGHR StPO § 154 Abs. 1 Hinweispflicht 1; BGH NStZ 1983, 20; insbesondere BGH NStZ 1991, 182 m.w.N.).

Aufgrund der aufgezeigten Fehler im Rechtsfolgenausspruch war das angefochtene Urteil daher aufzuheben und zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen.


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