Aktenzeichen: 3 Ss 301/04 OLG Hamm
Leitsatz: Eine Verurteilung auf mehrdeutiger
Tatsachengrundlage ist nur zulässig, wenn beide Tatalternativen, die in
Frage kommen, Gegenstand des angeklagten Verfahrens sind, während
Wahlfeststellungen zwischen einer angeklagten und einer nichtangeklagten
verfahrensrechtlich selbstständigen Tat nicht zulässig ist.
Senat: 3
Gegenstand: Revision
Stichworte: Wahlfeststellung; Diebstahl; Hehlerei;
Anklage; rechtlicher Hinweis
Normen: StGB 242; StGB 259;
StPO 265
Beschluss: Strafsache
gegen S.K.
wegen
Hehlerei u.a.
Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Gelsenkirchen vom 30.03.2004 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 02. 09. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird - auch hinsichtlich des Angeklagten P. - mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Schöffengericht - Gelsenkirchen zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Schöffengericht hat den
Angeklagten sowie den Mitangeklagten P. wahlweise wegen gemeinschaftlichen
Diebstahls im besonders schweren Fall oder gemeinschaftlicher
gewerbsmäßiger Hehlerei zu einer Freiheitsstrafe von jeweils einem
Jahr und sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt.
Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Angeklagte
mit am 06.04.2004 bei dem Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz seines
Verteidigers vom 05.04.2004 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach
Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe am 19.04.2004 mit am 17.05.2004
bei dem Amtsgericht eingegangenem weiteren Schriftsatz des Verteidigers als
Sprungrevision bezeichnet und mit der Rüge der Verletzung materiellen
Rechts begründet.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat auch in
der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg. Sie führt unter
Erstreckung auch auf den Mitangeklagten P. gemäß § 357 StPO zur
Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an
eine andere Abteilung des Schöffengerichts Gelsenkirchen.
1. Die Revision hat bereits deshalb Erfolg, weil der Angeklagte wahlweise wegen Diebstahls oder gemeinschaftlicher gewerbsmäßiger Hehlerei verurteilt worden ist, obwohl die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Essen vom 16.02.2004, die vom Schöffengericht unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen worden ist, nur die Hehlereitaten zum Gegenstand hat. Eine Verurteilung auf mehrdeutiger Tatsachengrundlage ist aber nur zulässig, wenn beide Tatalternativen, die in Frage kommen, Gegenstand des angeklagten Verfahrens sind, während Wahlfeststellungen zwischen einer angeklagten und einer nichtangeklagten verfahrensrechtlich selbstständigen Tat nicht zulässig ist (BGH NJW 1984, 2109; OLG Düsseldorf NStZ-RR 1999, 304; KK-Engelhardt, StPO, 5. Aufl., § 264 Rdnr. 22 m.w.N.). Eine wahlweise Verurteilung wegen Diebstahls oder Hehlerei wäre hier daher nur dann möglich gewesen, wenn beide Delikte eine Tat im prozessualen Sinne (§ 264 StPO) betreffen würden. Dies ist bei Diebstahl und Hehlerei nur dann der Fall, wenn ein enger situativer sowie örtlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen dem vorgeworfenen Diebstahl und der Hehlerei besteht (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Ein solcher Zusammenhang ist in dem angefochtenen Urteil aber nicht dargelegt. Auch sonst ergeben sich hierfür keine genügenden Anhaltspunkte. Die Diebstahlstaten sind in der Zeit vom 09.12.2003 bis zum 12.12.2003 begangen worden. Der Angeklagte und der Mitangeklagte sind dagegen erst am 17.12.2003, also fünf Tage nach Begehung der letzten Diebstahlstat, im Besitz der Diebesbeute angetroffen worden. Auf welche Weise sie in deren Besitz gelangt sind, insbesondere ob dies in engem situativen und örtlichen Zusammenhang mit den Diebstahlstaten erfolgte, ist nach den Urteilsfeststellungen offen. Damit ist hier von zwei selbstständigen Taten i.S.d. § 264 StPO einmal im Hinblick auf die Diebstahlstaten und zum anderen im Hinblick auf die Hehlerei auszugehen, so dass es hinsichtlich der Diebstahlstaten zunächst einer Anklage und dann der Verbindung dieser Anklage mit dem vorliegenden Verfahren, das die Hehlereitaten zum Gegenstand hat, bedurft hätte.
Das Verfahrenshindernis der fehlenden Anklage hinsichtlich der Diebstahlstaten führt ausnahmsweise nicht zur Einstellung des Verfahrens nach § 206 a Abs. 1 StPO. Der vorliegende Verfahrensverstoß führt lediglich zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht. Das Prozesshindernis der fehlenden Anklage hinsichtlich der Diebstahlstaten ist hier nämlich kurzfristig behebbar, nämlich durch Erhebung einer weiteren Anklage und Eröffnung sowie Verbindung zu dem vorliegenden Verfahren. In einem solchen Fall bedarf es der Verfahrenseinstellung nicht. Vielmehr genügt die Zurückverweisung an das Amtsgericht, um eine neue Anklage hinsichtlich der Diebstahlstaten mit anschließender Verbindung der beiden Verfahren zu ermöglichen (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1999, 304; ebenso BGH, NJW 1995, 1249 für das Verfahrenshindernis der doppelten Rechtshängigkeit).
Die Revision war hier gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten P. zu erstrecken. Die Gesetzesverletzung i.S.d. § 357 StPO ist nach allgemeiner Meinung nämlich auch die fehlerhafte Beurteilung der Verfahrensvoraussetzungen (Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 357 Rdnr. 10; KK-Kuckein, § 357 Rdnr. 7, je m.w.N.).
2. Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf
hin, dass auch die Beweiswürdigung des Urteils fehlerhaft ist. Allein auf
die Erklärung der Angeklagten, der Anklage und ihrem Inhalt werde nicht
entgegengetreten (K) bzw. die Anklagevorwürfe würden als solche
eingeräumt (P.), weitere Fragen zum Sachverhalt würden jedoch nicht
beantwortet werden, durfte das Gericht die Verurteilung nicht stützen.
Diese Erklärungen stellen nämlich kein irgendwie geartetes
Geständnis dar, das einen als glaubhaft bewertbaren inhaltlichen Gehalt
hätte, auf den einen Schuldspruch tragende Feststellungen gestützt
werden könnten (BGH StV 2004, 360, 361). Auch dieser Rechtsfehler
hätte im Übrigen bereits für sich genommen zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils auf die Sachrüge unter Erstreckung der Revision
gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten P. geführt.
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