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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 121/04 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Zulässigkeit einer Ausführung

Senat: 1

Gegenstand: Strafvollzugssache

Stichworte: Strafvollzug; Ausführung; Fluchtgefahr, Bewilligung; Ermessen der Vollzugsbehörde

Normen: StVollzG 11

Beschluss: Strafvollzugssache
gegen B.C.
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Vollzugsbehörden,
(hier: Bewilligung einer Ausführung).

Auf die Rechtsbeschwerde des Leiters der Justizvollzugsanstalt Geldern vom 21. Juli 2004 gegen den Beschluss der 2. kleinen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve vom 22. Juni 2004 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 10. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Präsidenten des Landesjustizvollzugsamtes Nordrhein-Westfalen und des Antragstellers beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Festsetzung des Gegenstandswertes aufgehoben.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:
Der Betroffene verbüßt in der Justizvollzugsanstalt Geldern seit dem 2. April 2002 eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten wegen schweren Raubes aus dem Urteil des Landgerichts Duisburg vom 12. März 2001. 2/3 der Strafe waren am 22. Oktober 2004 verbüßt; das Strafende ist auf den 22. Dezember 2006 notiert. Gegen den Antragsteller liegt eine Ordnungsverfügung der zuständigen Ausländerbehörde (Stadt Duisburg) vom 16. Mai 2002 vor; die sofortige Vollziehung ist angeordnet. Der Betroffene hat gegen diese Entscheidung ein Rechtsmittel eingelegt. Im Falle der Verwerfung des Rechtsmittels beabsichtigt die Staatsanwaltschaft Duisburg, gemäß § 456 a StPO von der weiteren Vollstreckung der Strafe abzusehen und den Antragsteller abzuschieben.

Unter dem 14. September 2003 hat der Antragsteller Lockerungen beantragt. Am 3. November 2003 ist ihm nach Beratung der Vollzugskonferenz mitgeteilt worden, dass eine Ausführung abgelehnt werde. Eine Notwendigkeit dafür sei nicht gegeben. Auch sei eine konkrete Anschlussplanung aufgrund der vollziehbaren Ausweisungsverfügung nicht möglich. Hiergegen hat der Antragsteller am 3. November 2003 Widerspruch eingelegt, der durch Bescheid des Präsidenten des Landesjustizvollzugsamtes Nordrhein-Westfalen vom 12. Januar 2004 zurückgewiesen worden ist. In der Begründung heißt es:

„Der Widerspruch ist unbegründet.

Gemäß § 11 StVollzG kann einem Gefangenen eine Ausführung gewährt werden. Neben der Frage der Eignung ist dabei zu prüfen, welchem Zweck sie dienen soll. Es handelt sich dabei um eine Ermessensentscheidung, d.h. Sie haben keinen Anspruch auf die Ausführung selbst, sondern auf die fehlerfreie Prüfung, ob diese Form der Lockerung für die Erreichung des Vollzugszieles oder aus sonstigen Gründen erforderlich und geeignet ist. Der Leiter der JVA Geldern hat mir über das Ergebnis der Beratung in der Vollzugskonferenz gemäß § 159 StVollzG Folgendes berichtet:

„Mit Antrag vom 17. September 2003 begehrte der Widerspruchsführer die Gewährung einer Vollzugslockerung. Hiermit meinte er konkret eine Ausführung zu seinen Eltern nach Duisburg. Eine Begründung zur Notwendigkeit dieser Maßnahme gab er nicht an. Im Vorfeld der Entscheidung über den Antrag wurde der sogenannte Prüfungsumlauf unter Beteiligung aller an der Behandlung des Gefangenen beteiligten Bediensteten durchgeführt. Die hierzu erstellten Stellungnahmen werden in Ablichtung beigefügt. Im Ergebnis wurde in der Vollzugskonferenz festgehalten, dass eine Notwendigkeit zur Durchführung der beantragten Ausführung nicht gegeben sei. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass eine konkrete Lockerungsplanung aufgrund der ausländerrechtlichen Situation und der Bedenken des zuständigen Ausländeramtes gegen die Gewährung von Vollzugslockerungen nicht zu erstellen sei. Zur Frage der Notwendigkeit ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass die Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienst, die regelmäßig mit der Abwicklung von Ausführungen beauftragt werden, bereits zum jetzigen Zeitpunkt Überstunden in erheblichem Umfang geleistet haben und daher bei der Frage der Notwendigkeit zur Durchführung weiterer Ausführungen ein strenger Maßstab anzulegen ist. Die Frage der Aufrechterhaltung des sozialen Kontaktes kann hierbei nicht als ausreichender Ausnahmegrund akzeptiert werden, da der Gefangene in der Lage ist, durch Besuch und zusätzlichen Langzeitbesuch den Kontakt zu seiner Familie aufrechtzuerhalten. Außerdem ist die Frage zu stellen, ob der Kontakt zu seiner Familie durch eine einmalige Ausführung wesentlich verbessert werden könnte. Dies ist in der Regel nur durch wiederholte Ausführungen und sich anschließende weitere Lockerungen bzw. Beurlaubungen möglich. Hierzu gibt es jedoch keine konkrete Planung, da eine vollziehbare Ausweisungsverfügung vorliegt und das zuständige Ausländeramt beabsichtigt, den Widerspruchsführer aus der Haft abzuschieben.“

Danach ist kein ausreichender Grund für eine Ausführung erkennbar.

Vor diesem Hintergrund ist die angegriffene Entscheidung nicht zu beanstanden.“

Mit Anwaltsschriftsatz vom 21. Januar 2004, bei dem Landgericht Kleve eingegangen am selben Tag, hat der Antragsteller Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, mit dem er Gewährung von Vollzugslockerungen begehrt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Ablehnung der Ausführung sei nicht gerechtfertigt. Der Antragsteller sei im Vollzug nachgereift, was er insbesondere durch die Absolvierung eines Schweißerlehrgangs gezeigt habe. Im Rahmen von Vollzugslockerungen wäre es möglich nachzuweisen, dass er keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mehr darstelle.

Der Leiter der Justizvollzugsanstalt Geldern hat beantragt, den Antrag aus den Gründen des Widerspruchsbescheides zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 22. Juni 2004 hat die Strafvollstreckungskammer den Bescheid des Anstaltsleiters vom 3. November 2003 aufgehoben und den Anstaltsleiter verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Zur Begründung ist ausgeführt, die Entscheidung des Anstaltsleiters sei ermessensfehlerhaft. Der Bescheid stütze sich im Wesentlichen darauf, dass eine Ausführung nicht notwendig sei, weil der Kontakt zu den Eltern anders aufrechterhalten werden könne. Im Übrigen sei eine konkrete Lockerungsplanung aufgrund der ausländerrechtlichen Situation und der Bedenken des zuständigen Ausländeramtes nicht möglich. Die Behörde habe damit eine Prüfung der Eignung bzw. der Flucht- und Missbrauchsbefürchtung überhaupt nicht vorgenommen. Die Ungeeignetheit bzw. die Fluchtgefahr könne insbesondere nicht allein aus dem Umstand geschlossen werden, dass eine Ausweisungsverfügung gegen den Antragsteller bestehe, gegen die dieser im Übrigen Rechtsmittel eingelegt habe. Einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass in solchen Fällen bei Ausländern generell Fluchtgefahr bestehe, gebe es nicht. Vielmehr müsse auch in diesen Fällen von der Anstalt eine konkrete Fluchtprognose getroffen werden. Die Ausführung könne auch nicht mit der Begründung abgelehnt werden, Lockerungsmaßnahmen seien nicht angezeigt, weil der Antragsteller sowieso abgeschoben werden solle. Ausgänge dienten u.a. auch gerade dazu, den Kontakt mit den Angehörigen des Verurteilten aufrechtzuerhalten und so die Gefahr einer Isolierung und Lebensuntüchtigkeit des Gefangenen zu mindern, um auf diese Weise den Behandlungs- und Resozialisierungszweck zu fördern. Diesen ihren Zweck erfüllten Lockerungsmaßnahmen aber auch bei Verurteilten, die nach der Vollstreckung oder nach Absehen von der weiteren Verfolgung gemäß § 465 a StPO in ihr Heimatland abgeschoben würden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die rechtzeitig und formgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde des Anstaltsleiters.

Die Rechtsbeschwerde ist, auch hinsichtlich der besonderen Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG, zulässig. Es ist geboten, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Entgegen der Auffassung der Strafvollstreckungskammer trägt die Entscheidung der Vollzugsbehörde die Ablehnung der Ausführung des Antragstellers.

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG kann als Lockerung des Vollzuges namentlich angeordnet werden, dass der Gefangene für eine bestimmte Tageszeit die Anstalt unter Aufsicht (Ausführung) oder ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten (Ausgang) verlassen darf. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift dürfen diese Lockerungen mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, dass der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzuges zu Straftaten missbrauchen werde.

Zutreffend geht die Strafvollstreckungskammer davon aus, dass zwar grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf Ausführung besteht. Die Anordnung der Vollzugslockerungen ist eine Behandlungsmaßnahme. Vollzugslockerungen sind jedoch kein Selbstzweck, sondern haben eine dienende Funktion. Sie sollen es ermöglichen, notwendige Behandlungsmaßnahmen zur Wiedereingliederung des Gefangenen durchzuführen (Calliess/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 9. Aufl., § 11 Rdnr. 1). Dabei steht die Entscheidung im Ermessen des Anstaltsleiters. Seine Entscheidung ist nur daraufhin gerichtlich zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Der fehlerfreie Ermessensgebrauch der Vollzugsbehörde orientiert sich in erster Linie an dem Vollzugsziel der Resozialisierung und des Behandlungsprozesses, wobei nebenher auch Strafzwecke berücksichtigungsfähig sind. Auch dann, wenn Ausschließungsgründe nach § 11 Abs. 2 StVollzG nicht vorliegen, ist für die Anordnung von Vollzugslockerungen grundsätzlich nur Raum, wenn und soweit der Gefangene hierdurch hinsichtlich der Erreichung des Vollzugsziels der Resozialisierung gefördert werden kann. Das Ermessen kann sowohl durch in der Person des Gefangenen als auch außerhalb liegende Faktoren bestimmt sein. Voraussetzung für die Anordnung ist zunächst, dass die Durchführung der Anordnung möglich ist. So kann sich die Vollzugsbehörde aus situativen Gesichtspunkten, die außerhalb des Gefangenen liegen, gezwungen sehen, von einer solchen Maßnahme abzusehen, wobei allerdings organisatorische und vollzugliche Belange sehr wohl abzuwägen sind (OLG Hamm NStZ 1988, 198; OLG München, ZfStrVo 1979, 63; Calliess/Müller-Dietz, a.a.O., § 11 Rdnr. 14; Schwind/Böhm, Strafvollzugsgesetz, 3. Aufl., § 11 Rdnr. 26; Arloth/Lückemann, StVollzG, § 11 Rdnr. 5).

Entgegen der Ansicht der Strafvollstreckungskammer hat die Vollzugsbehörde von dem ihr in § 11 StVollzG eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Anstaltsleiter eine Ausführung des Antragstellers abgelehnt hat.

Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Entscheidung der Vollzugsbehörde auf sachfremden oder rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht oder der Anstaltsleiter den ihm eingeräumten Ermessensspielraum nicht eingehalten hat. Wie der Senat bereits in seinen Entscheidungen (NStZ 1985, 189; NStZ 1988, 198) ausgeführt hat, kann die Personallage einer Anstalt bei Prüfung der Frage, in welchem Umfang überhaupt Ausführungen in Frage kommen und welche Rangfolge sich daraus im Rahmen des Realisierbaren ergibt, durchaus ihre Mitberücksichtigung finden (so auch Calliess/Müller-Dietz, a.a.O.; Schwind-Böhm, a.a.O.). Dies ist hier offensichtlich der Fall gewesen, da nach den Feststellungen der Strafvollstreckungskammer die Justizvollzugsanstalt sich nicht grundsätzlich gegen Ausführungen wendet. Nach der im angefochtenen Beschluss dargelegten Personalenge der Justizvollzugsanstalt Geldern kann es nicht als ermessensfehlerhaft gewertet werden, wenn die Vollzugsbehörde in Abwägung der Dringlichkeit der jeweiligen Ausführungsfälle Abstufungen vornimmt. Wie der Senat ebenfalls in den vorerwähnten Entscheidungen ausgesprochen hat, darf allerdings die Personalknappheit nicht dazu führen, dass Ausführungen gar nicht oder nur in Fällen zur Vorbereitung auf den Urlaub gewährt werden (so auch OLG Frankfurt, StV 1989, 440). Dies kann jedoch nach den Darlegungen im angefochtenen Beschluss nicht angenommen werden, da nach dem Vorbringen der Justizvollzugsanstalt Geldern nicht generell Ausführungen abgelehnt werden, sondern nur in eingeschränktem Rahmen nach Abwägung der Dringlichkeit erfolgen. Das bedeutet im vorliegenden Fall, dass der Betroffene vorerst mit Ausführungen nicht rechnen kann, solange Personalenge besteht und er nicht unter die Kategorie der Fälle eingeordnet ist, die von der Justizvollzugsanstalt Geldern trotz bestehender Personalnot als dringlich behandelt werden.

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Justizvollzugsanstalt unter Beachtung der Erreichung des Vollzugsziels der Resozialisierung des Betroffenen davon ausgegangen ist, eine dringende Notwendigkeit für eine Ausführung sei nicht gegeben. Zur Aufrechterhaltung des sozialen Kontaktes zur Familie ist eine Ausführung nicht erforderlich, da durch Besuch der Kontakt zur Familie aufrechterhalten werden kann. Insbesondere bei zusätzlichen Langzeitbesuchen ist ein ungestörtes Zusammensein mit der Familie ermöglicht. Einen konkreten Anlass für einen Besuch im Elternhaus, wie z.B. eine Familienfeier oder Ähnliches, hat der Antragsteller nicht dargelegt. Andere Gründe, die eine Ausführung dringlich erscheinen lassen, sind nicht erkennbar.

Soweit die Strafvollstreckungskammer darauf hinweist, dass allein aus dem Umstand, dass eine Ausweisungsverfügung gegen den Antragsteller bestehe, nicht auf Fluchtgefahr geschlossen werden könne, ist dies zwar zutreffend, jedoch für die Entscheidung ohne Bedeutung. Denn es geht vorliegend nicht darum, ob bei dem Antragsteller Flucht- oder Missbrauchsgefahr besteht, sondern ob im Hinblick auf das Vollzugsziel der Resozialisierung angesichts der organisatorischen und vollzuglichen Belange dem Antragsteller eine Ausführung zu gewähren ist. Dies ist, wie bereits ausgeführt, vom Leiter der Justizvollzugsanstalt Geldern hier ermessensfehlerfrei abgelehnt worden.

Deswegen war die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer aufzuheben. Da die Sache entscheidungsreif ist, konnte der Senat gemäß § 119 Abs. 4 StVollzG selbst entscheiden und den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 StVollzG.


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