Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 169/04 OLG Hamm
Leitsatz: In Strafvollzugsangelegenheiten wird dem Verurteilten ein Verschulden seines Vertreters an einer Frsitevrsäumung zugerechnet. Es lässt sich keine vergleichbare Parallele zu der verfahrensspezifischen Situation finden, die den Strafprozess kennzeichnet.
Senat: 1
Gegenstand: Strafvollzugssache
Stichworte: Strafvollzugssache, Rechtsbeschwerde; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; falsches Rechtsmittel
Normen: StVollzG 118, StVollzG 119
Beschluss: Strafvollzugssache
betreffen den B.L.
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Vollzugsbehörde, (hier: Erwerb einer Spielkonsole Playstation 2).
Auf den Antrag des Betroffenen vom 12. November 2004 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 7. September 2004 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23. 11. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht beschlossen:
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld hat mit Beschluss vom 7. September 2004 einen Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung gem. § 109 ff. StVollzG als unbegründet verworfen. Gegen diese - dem Betroffenen am 14. September 2004 mit Rechtsmittelbelehrung zugestellte - Entscheidung hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen mit Schriftsatz vom 17. September 2004, eingegangen beim Landgericht Bielefeld am 20. September 2004, sofortige Beschwerde eingelegt. Das Rechtsmittel ist sodann zunächst nicht weiter begründet worden. Der Senat hat daraufhin mit Beschluss vom 26. Oktober 2004 - also nach Ablauf der Frist des § 118 Abs. 1 StVollzG - die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen, weil der Betroffene entgegen dieser Vorschrift nicht die Erklärung abgegeben habe, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Aufhebung beantragt wird. Außerdem seien die insoweit gebotenen Anträge nicht in der erforderlichen Weise begründet worden.
Nach der Entscheidung des Senats aber vor dessen Zugang bei dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen hat dieser mit einem an das Landgericht Bielefeld gerichteten Schriftsatz vom 12. November 2004, dort eingegangen am 15. November 2004, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, sowie die Rechtsbeschwerdeanträge und deren Begründung abgegeben. Zu dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen u.a. ausgeführt, es sei beabsichtigt gewesen, die am 17. September 2004 eingelegte Beschwerde nach Gewährung von Akteneinsicht zu begründen. Das Landgericht Bielefeld habe die Gewährung der Akteneinsicht jedoch mit Verfügung vom 21. September 2004 zunächst abgelehnt, weil sich eine Vollmacht des Verfahrensbevollmächtigten nicht bei den Akten befunden habe. Nach Übersendung der angeforderten Vollmacht habe ihm das Landgericht Bielefeld die Akten am 5. Oktober 2004 übersandt. Er habe sodann festgestellt, dass sich die in dem angefochtenen Beschluss erwähnte Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm nicht bei diesen Akten befunden habe. Diese mit Schreiben vom 7. Oktober 2004 beim Oberlandesgericht Hamm angeforderte Entscheidung sei ihm am 25. Oktober 2004 zugegangen. Weil in dieser Entscheidung auf einen weiteren Beschluss des Senats vom 25. März 2004 verwiesen worden sei, habe er auch diesen angefordert und am 8. November 2004 erhalten. Daraus ergebe sich, dass er erst nach dem 08. November 2004 die Erklärung habe abgeben können, inwieweit die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer angefochten und ihre Aufhebung beantragt werde. Ohne diese angeforderten Entscheidungen habe er über die Fortführung und Begründung der Rechtsbeschwerde nicht befinden können. Die Richtigkeit dieser Angaben wird von dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen anwaltlich versichert.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war als unbegründet zu verwerfen.
Dem Betroffenen ist der angefochtene Beschluss der Strafvollstreckungskammer am 14. September 2004 mit Rechtsmittelbelehrung (Rechtsbeschwerde) zugestellt worden. Entgegen dieser Belehrung hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen mit Schreiben vom 17. September 2004 zunächst das im Verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz nicht vorgesehene Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eingelegt. Hindernisse, die der ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Einlegung der hier allein zulässigen Rechtsbeschwerde, der insoweit erforderlichen Anträge und ihrer Begründung, etwa durch die Erhebung der allgemeinen Sachrüge (die ggf. auch später noch näher hätte ausgeführt werden können), entgegengestanden haben könnten, sind nicht ersichtlich. Schließlich wurde dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen auch noch - wie von diesem beantragt - vor Ablauf der Frist des § 118 Abs. 1 StVollzG am 5. Oktober 2004 Akteneinsicht gewährt, ohne dass die versäumte Handlung sodann (noch) fristgemäß, d.h. bis zum 14. Oktober 2004 nachgeholt wurde. Keinesfalls durfte der Betroffene oder sein Verfahrensbevollmächtigter dann aber die Einhaltung der Frist des § 118 Abs. 1 StVollzG davon abhängig machen, dass ihm zuvor die Einsichtnahme in andere Entscheidungen mit einem ähnlichen Verfahrensgegenstand gewährt würde, denn die gesetzliche Frist des § 118 Abs. 1 StVollzG steht nicht zur Disposition des Betroffenen. Beruht die Fristversäumnis auf dieser unzutreffenden rechtlichen Bewertung, so ist dies schuldhaft. Dabei hat sich der Betroffene das Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten zurechnen zu lassen. Gesetzliche Bestimmungen über prozessuale Fristen, insbesondere zur Einlegung von Rechtsmitteln, sind notwendig, damit gerichtliche Entscheidungen nach ungenutztem Fristablauf eine endgültige Wirkung entfalten können. Soll dieser der Rechtssicherheit dienende Zweck nicht vereitelt werden, muss die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eine Ausnahme bleiben (BVerfG NJW 1973, 1315). Es entspricht deshalb allgemein gültigem Rechtsverständnis, dass ein Verfahrensbeteiligter im Zusammenhang mit der Versäumung einer solchen Frist neben eigenem Verschulden in der Regel auch ein schuldhaftes Verhalten derjenigen Person gegen sich gelten lassen muss, deren er sich als Vertreter zur Rechtsverfolgung bedient. Allein im Strafverfahrensrecht wird eine Ausnahme von dieser Regel als gerechtfertigt angesehen, soweit ein von dem Angeklagten nicht zu vertretender Umstand Einfluss auf eine mögliche Bestrafung haben kann, denn in diesem Bereich tritt die öffentliche Gewalt dem beschuldigten Bürger, für den bis zu seiner rechtskräftigen Verurteilung die Vermutung der Unschuld spricht (Art. 6 Abs. 2 MRK), entgegen, um den staatlichen Strafanspruch durchzusetzen. In Strafvollzugsangelegenheiten lässt sich jedoch keine vergleichbare Parallele zu der verfahrensspezifischen Situation finden, die den Strafprozess kennzeichnet. Nach seiner rechtskräftigen Verurteilung geht es für einen Strafgefangenen oder einen Untergebrachten nicht mehr um die Abwehr des staatlichen Strafanspruchs und die Möglichkeit der Anfechtung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs eines Urteils. Ein zwingender Anlass, die im Strafprozess ausnahmsweise geltende Nichtanrechenbarkeit des Verteidigerverschuldens auf das Strafvollzugsrecht zu übertragen (vgl. dazu ausführlich OLG Frankfurt NStZ 81, 408 und auch Calliess/Müller-Diez, StVollzG, 9. Aufl., § 118 Rdnr. 5 m.w.N.), besteht deshalb nicht.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war deshalb als unbegründet zu verwerfen.
Einer Entscheidung des Senats über die im Schriftsatz vom 12. November 2004 ge-
stellten Rechtsbeschwerdeanträge bedarf es nicht mehr, da der Senat bereits mit Beschluss vom 26. Oktober 2004 in der Sache rechtskräftig entschieden hat.
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