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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss 298/04 OLG Hamm

Leitsatz: Die Schwere der Tat i.S. des 3 140 Abs. 2 StPO beurteilt sich in erster Linie nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung, wobei auch die Verteidigungsfähigkeit des Angeklagten sowie sonstige schwerwiegende Nachteile, die er infolge der Verurteilung zu erwarten hat, zu berücksichtigen sind. Diese Grundsätze gelten auch für das Jugendstrafverfahren, wobei es unerheblich ist, ob sich die drohende Straferwartung allein aus der abzuurteilenden Tat oder infolge der erforderlichen Bildung einer Einheitsjugendstrafe ergibt

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: notwendige Verteidigung, Pflichtverteidiger, Hauptverhandlung ohne Verteidiger, Jugendstrafsache, Jugendsache, Einheitsjugendstrafe von mindestens einem Jahr, Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Revisionsverfahren, keine Revisionshauptverhandlung

Normen: StPO 338 Nr. 5, StPO 140 Abs. 2

Beschluss: Strafsache gegen D. U. K. G., .
wegen Diebstahls im besonders schweren Fall.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Jugendschöffengericht - Lüdinghausen vom 26. April 2004 und den Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Revisionsverfahren hat der 4 . Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29. 07. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am LG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten der Revision an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Lüdinghausen Jugendschöffengericht - zurückverwiesen.
Der Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers wird zurückgewiesen.

Gründe: I. Das Amtsgericht - Jugendschöffengericht Lüdinghausen hat den Angeklagten, der zu den Tatzeiten 18 Jahre alt war, durch Urteil vom 26. April 2004 wegen Diebstahls im besonders schweren Fall in drei Fällen unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Dortmund vom 16. Mai 2002 zu einer Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren verurteilt. In dem einbezogenen Urteil war gegen den Angeklagten wegen Diebstahls im besonders schweren Fall in 11 Fällen, wobei es einmal beim Versuch blieb, sowie Erschleichens von Leistungen unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Coesfeld vom 08. November 2000, in dem gegen den Angeklagten wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit Körperverletzung in drei Fällen, gemeinschaftlichen Wohnungseinbruchdiebstahls in drei vollendeten und zwei versuchten Fällen eine Jugendstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung verhängt worden ist eine Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verhängt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte sich mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Revision gewandt und die Verletzung formellen Rechts Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO gerügt. Zudem hat er beantragt, ihm Rechtsanwalt G. aus Dortmund als Pflichtverteidiger für das Revisionsverfahren beizuordnen.
II. Die zulässige Revision hat Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat wie folgt Stellung genommen:
"Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist zulässig. Ihr ist auch in der Sache mit der in zulässiger Weise erhobenen Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 5 StPO ein - zumindest vorläufiger - Erfolg nicht zu versagen.
Es liegt der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO vor, da die Hauptverhandlung in Abwesenheit einer Person stattgefunden hat, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt. Dem Angeklagten hätte gemäß §§ 68 Nr. 1, 109 Abs. 1 S. 1 JGG, 140 Abs. 2 StPO ein Pflichtverteidiger bestellt werden müssen.
Die Bestellung eines Pflichtverteidigers ist gemäß § 140 Abs. 2 StPO u.a. dann erforderlich, wenn wegen der "Schwere der Tat" die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint. Die Schwere der Tat beurteilt sich in erster Linie nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung, wobei auch die Verteidigungsfähigkeit des Angeklagten sowie sonstige schwerwiegende Nachteile, die er infolge der Verurteilung zu erwarten hat, zu berücksichtigen sind (zu vgl. Senatsbeschluss vom 23.10.2001 - 4 Ss 932/01 -). Diese Grundsätze gelten auch für das Jugendstrafverfahren, wobei es unerheblich ist, ob sich die drohende Straferwartung allein aus der abzuurteilenden Tat oder infolge der erforderlichen Bildung einer Einheitsjugendstrafe ergibt (zu vgl. Senatsbeschluss, a.a.O.; OLG Rostock, StV 1998, 325). Nach überwiegender Ansicht wird jedenfalls bei einer Straferwartung von mindestens einem Jahr ohne Strafaussetzung zur Bewährung ein Fall der notwendigen Verteidigung im Sinne des § 140 Abs. 2 StPO bejaht (zu vgl. Senatsbeschluss, a.a.O., m.w.N.).
Das Amtsgericht hat in den Urteilsgründen festgestellt, dass bei dem Angeklagten Reifeverzögerungen vorlagen. Demzufolge hätte das Amtsgericht dem Angeklagten, als sich dieser Umstand in der Hauptverhandlung abzeichnete, so dass die Anwendung von Jugendrecht mit der Folge der Verhängung einer Einheitsjugendstrafe unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Dortmund vom 16.05.2002 in Betracht kam, einen Pflichtverteidiger bestellen müssen. Hierdurch bestand für den Angeklagten die Erwartung der dann auch im Urteil verhängten Einheitsjugendstrafe von zwei Jahren unter Wegfall der in dem einbezogenen Urteil noch gewährten Strafaussetzung zur Bewährung. Daher war die in § 140 Abs. 2 StPO als Anlass für eine gerichtliche Verteidigerbestellung angesprochene Schwere der Tat gegeben."
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an.
Da nach § 338 StPO zwingend davon auszugehen ist, dass das angefochtene Urteil auf dem dargestellten Mangel beruht, war es aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Jugendschöffengericht Lüdinghausen zurückzuverweisen.
III. Der Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Revisionsverfahren war zurückzuweisen. Nachdem der Antrag auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers gleichzeitig mit der Revisionsbegründung gestellt worden ist, war hier für eine im übrigen durch den Amtsrichter, dessen Urteil mit der Revision angefochten worden ist, vorzunehmende (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 141 Rz 6) Bestellung zur Begründung der Revision kein Raum mehr. Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers nach erfolgter Begründung der Revision kommt nämlich gerade nicht in Betracht (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 141 Rz 8). Durch den Vorsitzenden des Revisionsgerichts erfolgt eine Bestellung eines Pflichtverteidigers lediglich bei Besonderheiten im Ablauf des Revisionsverfahrens (vgl. BGH NStZ 1997, 48), namentlich zur Durchführung einer Revisionshauptverhandlung. Da der Senat über die Revision des Angeklagten jedoch abschließend ohne Hauptverhandlung entschieden hat, war für eine Pflichtverteidigerbestellung kein Raum.
Die Entscheidung über die Ablehnung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers stellt eine Entscheidung des Vorsitzenden des Senats dar.


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