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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss OWi 29/05 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Zulassung, Rechtsbeschwerde, Einheitlichkeit der Rechtsprechung; Zulassungsgrund

Normen: OWiG 80]
Beschluss: Bußgeldsache

gegen I.A.
wegen fahrlässiger Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf den Antrag des Betroffenen vom 29. Oktober 2004 auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG gegen das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 28. Oktober 2004 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 16. 02. 2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG beschlossen:

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen als unbegründet verworfen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Recklinghausen hat gegen den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 1 Abs. 2, 3, 49 StVO, 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 112,50 Euro verhängt.
Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen wollte der Betroffene am
31. Mai 2004 um 15.32 Uhr mit seinem Pkw BMW, amtliches Kennzeichen: XXXXXXXX, auf die BAB 43 in Fahrtrichtung Wuppertal auffahren. Im Kurvenbereich der Auffahrt verlor er aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit auf der regennassen Fahrbahn die Kontrolle über seinen Pkw. Das Fahrzeugheck brach aus, das Fahrzeug drehte sich um die Längsachse und kam entgegengesetzt zur Fahrtrichtung zum Stillstand. Hierbei kollidierte es mit der linksseitigen Schutzplanke der Parallelfahrbahn, wobei sechs Teilstücke der Schutzplanke beschädigt wurden.

Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil hat der Betroffene form- und fristgerecht die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragt, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Recklinghausen erstrebt. Der Betroffene rügt mit näherer Begründung die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründung seines Antrages im Schriftsatz seines Verteidigers vom 24. November 2004 Bezug genommen.

II.
Der form- und fristgerecht gestellte Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde war entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft als unbegründet zu verwerfen, da ein Zulassungsgrund nicht gegeben ist.
Nach § 80 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG ist gegen ein Urteil, durch das wie hier gegen den Betroffenen eine Geldbuße von nicht mehr als 112,50 Euro festgesetzt worden ist, die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Stellungnahme vom 31. Januar 2005 Folgendes ausgeführt:

„Soweit die Rechtsbeschwerde im Rahmen der Verfahrensrüge die Nichtgewährung von Akteneinsicht durch das Gericht zu rügen sucht, ist die Rüge bereits unzulässig. Eine Verfahrensrüge kann grundsätzlich nicht auf die Verweigerung der Akteneinsicht gestützt werden (Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 147 Rdn. 42), es sei denn, hierdurch soll der Revisionsgrund des
§ 338 Nr. 8 StPO geltend gemacht werden. Insoweit genügt das Vorbringen jedoch nicht den Anforderungen der § 80 Abs. 3, 79 Abs. 3 OWiG i.V.m.
§ 344 Abs. 2 StPO. Soweit der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde darüber hinaus eine Verletzung der §§ 71 OWiG, 243 Abs. 3 S. 1 StPO zu rügen sucht, kann dahingestellt bleiben, ob das knappe Vorbringen in der Beschwerdebegründung bereits den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügt. Gem. § 78 Abs. 1 OWiG kann die Verlesung eines Schriftstücks dadurch ersetzt werden, dass das Gericht dessen wesentlichen Inhalt bekannt gibt. Dies gilt auch für den anstelle des Anklagesatzes zu verlesenden Bußgeldbescheid, ohne dass es hierzu einer ausdrücklichen Zustimmung der Verfahrensbeteiligten bedarf (Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 71 OWiG, Rdn. 35 und § 78 OWiG Rdn. 1 a).

Zwar dürfte ein nicht unerheblicher Rechtsfehler darin zu erblicken sein, dass das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung die Einlassung des Betroffenen, das Fahrzeug sei trotz angemessener Geschwindigkeit mit dem Heck ausgebrochen, mit der Erwägung zurückgewiesen hat, ein technischer Mangel sei durch den Betroffenen nicht näher und überprüfbar dargelegt. Vielmehr hat der Betroffene seine Unschuld nicht nachzuweisen (Hentschel, StV, 37. Aufl., § 3 StVO Rdn. 57) und auch aufgrund der sonstigen Feststellungen ist ein Fall, in dem die ausdrückliche Feststellung der an sich zulässigen Geschwindigkeit und der von dem Betroffenen gefahrenen Geschwindigkeit ausnahmsweise entbehrlich ist (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 04.02.1998 - 3 Ss OWi 14/98 -), nicht gegeben, so dass nicht ohne Weiteres davon aus-gegangen werden konnte, dass der Betroffene die aufgrund der Verkehrsver-hältnisse höchstens angemessene Geschwindigkeit wesentlich überschritten gehabt hatte.

Gleichwohl führt der aufgezeigte Rechtsfehler nicht zur Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör ist nicht festzustellen, da dies voraussetzen würde, dass dem Betroffenen keine Möglichkeit eingeräumt wurde, sich zu allen entscheidungserheblichen und für ihn nachteiligen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern.

Zur Fortbildung des Rechts ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Rechtssätzen und die rechtsschöpferische Ausfüllung von Gesetzeslücken aufzustellen und zu verfestigen (zu vgl. Göhler, a.a.O., § 80 Rdn. 3). Die Fortbildung des Rechts kommt demnach nur bei entscheidungserheblichen, klärungsbedürftigen und abstraktionsfähigen Rechtsfragen in Betracht. Bei der Zulassung der Rechtsbeschwerde geht es nicht um die Nachprüfung des angewendeten Rechts im Einzelfall (zu vgl. Göhler, a.a.O.). Demgegenüber sind die Anforderungen, die an eine Verurteilung wegen eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 1 StVO zu stellen sind, in der Rechtsprechung bereits hinreichend ge-klärt (Hentschel, a.a.O., § 3 StVO, Rdn. 57 ff).

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht geboten. Hier handelt es sich ersichtlich um einen Fehler des Amtsgerichts im Einzelfall, dessen Wiederholung nicht zu besorgen ist. Bei einer Fehlentscheidung im Einzelfall ist die Einheitlichkeit der Rechtsprechung aber noch nicht gefährdet, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist (BGHSt 24, 15,22; Göhler, a.a.O., § 80 OWiG, Rdn. 5 m.w.N.).“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.
Wie bereits von der Generalstaatsanwaltschaft ausgeführt worden ist, kann eine Verfahrensrüge grundsätzlich nicht auf die Verweigerung der Akteneinsicht gestützt werden. Der Betroffene hat durch die unterlassene Akteneinsicht auch keine Frist versäumt; sein Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden. Es wurde lediglich unterlassen, die Verfahrensrügen in einer den Erfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Form zu begründen. Im Übrigen würde aber die Aktenanforderung durch den Verteidiger mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2004 ohnehin keine angemessene Bemühung darstellen, Akteneinsicht zu erhalten. Spätestens nach Zustellung des Urteils und hierdurch bedingter Ingangsetzung der Rechtsmittelbegründungsfrist hätte erneut nach Akteneinsicht nachgesucht und angezeigt werden müssen, dass ohne Einsicht in die Akten Verfahrensrügen nicht ordnungsgemäß begründet werden können (vgl. hierzu auch BGHR StPO § 44 Verfahrensrüge 7, 10 u. 12).

Selbst wenn das angefochtene Urteil, wie von der Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt worden ist, einen nicht unerheblichen Rechtsfehler enthält, war die Rechtsbeschwerde dennoch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde soll nach dem Willen des Gesetzgebers nämlich gerade nicht zur Wahrung der Rechte des einzelnen Betroffenen erfolgen (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten, BT-Drucks. V/1269 zu § 68, S. 100; BGHSt 24, 15, 21). Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist nicht gefährdet, wenn der Richter lediglich in einem Einzelfall anerkannte Rechtsgrundsätze außer Acht gelassen hat, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist oder es sich um krasse Fehlentscheidungen handelt, solange nicht aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu befürchten ist, dass mit weiteren Fehlentscheidungen gleicher Art zu rechnen ist, also eine Wiederholungsgefahr besteht (Rebmann/Roth/Herrmann, a.a.O., § 80 Rdnr. 4; Göhler, a.a.O., § 80 Rdnr. 5 je m.w.N.). Dies ist vorliegend nicht der Fall, da die Ausführungen des Amtsgerichts zur Überführung des Betroffenen stark einzelfallbezogen sind. Die Frage, wem das Amtsgericht letztlich Glauben schenkt - den Polizeibeamten oder den von dem Betroffenen benannten Zeugen - kann ohnehin immer nur auf den Einzelfall bezogen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.


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