Aktenzeichen: 1 Ss 34/05 OLG Hamm
Leitsatz: Eine Schadenswiedergutmachung wird in der Regel bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sein:
Senat: 1
Gegenstand: Revision
Stichworte: Strafzumessung; Schadenswiedergutmachung; Bewährung
Normen: StGB 46; StGB 46a; StGB 56
Beschluss: Strafsache
gegen A.Y.
wegen Diebstahls
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der II. kleinen Strafkammer des Landgerichts Detmold vom 24. November 2004 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 01. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht und die Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den darin zum Rechtsfolgenausspruch getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Detmold verurteilte den Angeklagten mit Urteil vom 17. August 2004 wegen gemeinschaftlichen schweren Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr zwei Monaten. Nach den zugrunde liegenden Feststellungen des Amtsgerichts war der Angeklagte in der Nacht vom 2. zum 3. Juni 2004 gemeinsam mit einem Mittäter in ein Tabakgeschäft in Bad Salzuflen eingestiegen, nachdem sie das zum Einstieg benutzte Kellerfenster zuvor gewaltsam aufgehebelt hatten. Dort entwendeten sie Tabakwaren im Gesamtwert von ca. 6.000,- , die sie in sechs Müllsäcke verpackten und abtransportierten, sowie Bargeld in Höhe von ca. 1.000,- . Bei dem Versuch, die Tabakwaren am darauffolgenden Tag in Herford zu verkaufen, wurden der Angeklagte und sein Mittäter vorläufig festgenommen.
Die gegen dieses Urteil gerichtete, in der Berufungshauptverhandlung wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil als unbegründet verworfen. Zur Strafzumessung hat die Kammer in den Urteilsgründen Folgendes ausgeführt:
Bei der Bemessung der Strafe hat die Kammer den Strafrahmen des § 243 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Ansatz gebracht. Der Angeklagte war in das Geschäft eingestiegen. Bei der Strafzumessung im engeren Sinne hat sie zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass es zu einem endgültigen Schaden nicht gekommen ist. Die Zigaretten und möglicherweise auch ein großer Teil des Bargeldes konnten dem Geschädigten zurückgegeben werden. Der Angeklagte hat
sich bei diesem entschuldigt und kümmert sich um die Wiedergutmachung des Schadens. Trotz seines recht geringen Einkommens hat er am 4. Oktober 2004 250 EUR und am 2. November 2004 200 EUR als Schadensersatz gezahlt. Von Anfang an zeigte er sich in vollem Umfang geständig. Schließlich hat er nach dieser Verurteilung auch mit ausländerrechtlichen Maßnahmen zu rechnen. Auf der anderen Seite steht seine Vorbelastung vom 27. Januar 1998. Er musste drei Jahre Freiheitsstrafe verbüßen und stand unter Führungsaufsicht. Gleichwohl beging er etwa 1 1/2 Jahre nach der Entlassung diese Straftat. Dies zeugt von erheblicher krimineller Energie und brachte dem Angeklagten zunächst einmal eine recht hohe Beute. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände hält die Kammer eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten für tat- und schuldangemessen.
Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe konnte nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. Es erscheint schon zweifelhaft, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose im Sinne des § 56 Abs. 1 StGB bescheinigt werden kann. .....
In keinem Fall sieht die Kammer jedoch besondere Umstände im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB. Hier kommt neben den bereits geschilderten Umständen hinzu, dass es sich nicht um eine spontane Tat handelte. Am Vormittag des Tattages hatten der Angeklagte und sein Mittäter das Geschäft entdeckt. Erst gegen Mitternacht verwirklichten sie im Schutz der Dunkelheit ihr Vorhaben. Der Angeklagte hatte daher nahezu einen ganzen Tag Zeit, sich über die Konsequenzen seines Handelns im klaren zu werden. Gleichwohl entschloss er sich zur Begehung dieses Einbruchs. Nach allem sieht die Kammer trotz der genannten mildernden Umstände keine Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafe widerspiegelt, als nicht unangebracht und als den vom Strafrecht geschützten Interessen nicht zuwiderlaufend erschienen ließen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold. Das angefochtene Urteil, das sich im Hinblick auf die wirksame Berufungsbeschränkung zu Recht nur über den Rechtsfolgenausspruch verhält, ist im Strafausspruch nicht frei von Rechtsfehlern, auf denen das Urteil der Strafkammer beruht.
1. Die Feststellungen und Ausführungen des Landgerichts zur Strafzumessung sind lückenhaft, denn die Kammer hat sich nicht mit einer möglichen Strafmilderung gemäß §§ 46 a, 49 StGB auseinandergesetzt, obgleich hierzu Anlass bestand. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte sich um die Wiedergutmachung des Schadens bemüht und trotz seines recht geringen Einkommens bislang insgesamt 450,- als Schadensersatz an den Geschädigten, bei dem sich der Angeklagte entschuldigt hat, gezahlt hat. Damit könnten die Voraussetzungen einer Strafmilderungsmöglichkeit gemäß § 46 a Nr. 2 StGB, der im Gegensatz zu § 46 a Nr. 1 StGB vorwiegend den materiellen Schadensausgleich betrifft (vgl. BGH NStZ 1995, 492; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 46 a Rdnr. 11) erfüllt sein. Angesichts der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Angeklagten, der nach den Feststellungen der Strafkammer lediglich ca. 750,- netto monatlich verdient und ca. 16.000,- Schulden hat, erscheint es durchaus gerechtfertigt, die bislang geleisteten Schadensersatzzahlungen des Angeklagten an den Geschädigten als erhebliche persönliche Leistungen i.S.d. § 46 a Nr. 2 StGB zu bewerten. Ob der Angeklagte mit seinen Schadensersatzzahlungen von bislang insgesamt 450,- den Geschädigten ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt hat, erscheint nach den insoweit lückenhaften Feststellungen der Strafkammer zwar möglich, ist aber offen geblieben. Die Kammer hat ausgeführt, dass es zu einem endgültigen Schaden nicht gekommen sei, da die Zigaretten und möglicherweise auch ein großer Teil des Bargeldes dem Geschädigten zurückgegeben werden konnten. Als Schadensersatz und zur Wiedergutmachung des Schadens habe der Angeklagte 450,- an den Geschädigten gezahlt. Diese Ausführungen lassen vermuten, dass es zumindest bei der gewaltsamen Aufhebelung des Kellerfensters, durch das der Angeklagte und sein Mittäter eingestiegen waren, zu einem Schaden gekommen ist. Wie hoch der Schaden des Geschädigten letztlich war, ist jedoch unklar, so dass nicht beurteilt werden kann, ob das Opfer durch die Zahlung von 450,- zumindest zum überwiegenden Teil entschädigt worden ist. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen für eine Strafmilderung gemäß §§ 46 a, 49 StGB allein nicht genügt. § 46 a Nr. 2 StGB setzt daneben voraus, dass der Täter einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag erbringt; die Wiedergutmachungsbestrebungen müssen Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein (vgl. BGH NJW 2001, 2557; StV 2000, 128; NStZ 1999, 610; Tröndle/Fischer, § 46 a Rdnr. 11). Diesem Erfordernis dürfte allerdings mit der Entschuldigung des Angeklagten bei dem Geschädigten Genüge getan worden sein.
Die Nichterörterung der nach den Feststellungen der Strafkammer nicht auszuschließenden Strafmilderungsmöglichkeit nach §§ 46 a Nr. 2, 49 Abs. 1 StGB, die durch Berücksichtigung der Bemühungen des Angeklagten um Schadenswiedergutmachung im Rahmen des § 46 Abs. 2 StGB nicht ersetzt werden kann, führt zur Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen Urteils, das auf diesem Rechtsfehler beruhen kann. Wegen der insoweit lückenhaften Ausführungen der Strafkammer zur Schadenshöhe war dem Senat eine eigene Sachentscheidung nach § 354 Abs. 1 a StPO verwehrt.
2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass auch die Ausführungen der Strafkammer zur Frage der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56 StGB rechtlichen Bedenken begegnen. Die Kammer hat angezweifelt, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose i.S.d. § 56 Abs. 1 StGB bescheinigt werden kann. Sie hat diese Frage letztlich offen gelassen, da aus ihrer Sicht jedenfalls besondere Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB fehlen. Dabei hat die Strafkammer verkannt, dass die Frage einer günstigen Sozialprognose auch für die Beurteilung bedeutsam sein kann, ob Umstände von besonderem Gewicht i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB vorliegen (vgl. BGH NStZ 1997, 434). Reichen nach Auffassung des Tatrichters die für den Angeklagten sprechenden sonstigen Milderungsgründe nicht zur Bejahung besonderer Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB aus, kann eine dem Angeklagten zu stellende günstige Sozialprognose den Ausschlag zugunsten der Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung geben (vgl. BGH StV 1995, 20). Aus diesem Grunde ist über die Frage, ob einem Angeklagten eine positive Sozialprognose i.S.d. § 56 Abs. 1 StGB gestellt werden kann, vorab zu befinden, auch wenn bei einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr, die zwei Jahre nicht übersteigt, darüber hinaus besondere Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB vorliegen müssen, um eine Strafaussetzung rechtfertigen (BGH StV 2003, 670; Tröndle/Fischer, § 56 Rdnr. 19).
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