Aktenzeichen: 2 Ss 29/05 OLG Hamm
Leitsatz: Die StPO räumt bei der Ablehnung eines Beweisantrages auf Vernehmung eines so genannten Auslandszeugen dem Gericht nur hinsichtlich des Ablehnungsgrundes eine Erleichterung ein. Das Verfahren der Ablehnung entspricht hingegen dem üblichen Verfahren für die Ablehnung von Beweisanträgen.
Senat: 2
Gegenstand: Revision
Stichworte: Beweisantrag; Auslandszeuge; Ablehnung; Ablehnungsgrund, Verfahren; Begründung des Beschlusses
Normen: StPO 244
Beschluss: Strafsache
gegen W.D.
wegen Beihilfe zum Diebstahl.
Auf die Revision des Angeklagten vom 30. September 2004 gegen das Urteil der kleinen auswärtigen Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 30. September 2004 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 21. 02. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Das Urteil des Landgerichts Bochum vom 30. September 2004 wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bochum zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Bandendiebstahl zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Auf die Berufung des Angeklagten hat die Strafkammer das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und den Angeklagten wegen Beihilfe zum Diebstahl ebenfalls zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich nun noch die Revision des Angeklagten, mit der er die formelle und materielle Rüge erhoben hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
II.
Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - mit der formellen Rüge Erfolg.
1.
Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
Das Amtsgericht ist in seinen tatsächlichen Feststelllungen davon ausgegangen, dass der Angeklagte vier anderen Polen, von denen ihm zwei persönlich bekannt waren, zu einem am 10. Mai 2002 begangenen Kaufhausdiebstahl Beihilfe geleistet hat. Der Angeklagte soll in die Pläne der anderen Polen eingeweiht gewesen sein; seine Mitwirkung war für das Verstauen und den Abtransport der Beute vorgesehen. Die Täter sind bei dem Diebstahl in dem Kaufhaus, bei dem der Angeklagte nicht anwesend war, von einem Kaufhausdetektiv beobachtet worden. Dieser hatte sie zu einem Pkw, der einem der anderen Polen gehörte, verfolgt und die Polizei herbeigerufen, die den Abtransport der Beute im Wert von rund 1.600 verhindern konnte. An diesem Pkw wurde auch der Angeklagte angetroffen.
Der Angeklagte hat eine Beteiligung an dem Diebstahl bestritten und sich dahin gelassen, er sei nur zufällig am Ergreifungsort gewesen. Er sei zudem volltrunken gewesen. Das Landgericht hat diese Einlassung als widerlegt angesehen und den Angeklagten verurteilt.
In der Hauptverhandlung hatte der Verteidiger des Angeklagten einen Beweisantrag gestellt, in dem er die Vernehmung der vier namentlich benannten polnischen Täter als Zeugen beantragt hat. Diese sollten in Polen geladen werden. Die Zeugen sollten dazu vernommen werden, dass der Angeklagte von den Diebstahlsplanungen nichts wusste, nicht in diese Planungen eingeweiht war und von der Beute auch nichts haben wollte. Unter Beweis gestellt war weiterhin die Behauptung, dass der Angeklagte vor der Tat zwei Flaschen Cognac gekauft und überwiegend selbst ausgetrunken habe. Zudem sollten die Zeugen bekunden, dass der Angeklagte nicht beim Verpacken des Diebesgutes mitgewirkt habe, er bei anderen Diebstählen der Polen nicht beteiligt gewesen sein und er lediglich deshalb den Tag mit den anderen Polen verbracht habe, weil seine Ehefrau bis 21.00 Uhr habe arbeiten müssen.
Die Strafkammer hat diesen Beweisantrag abgelehnt und dies wie folgt begründet:
Die Anträge zu Ziffer 1-3 und 5 werden zurückgewiesen, weil die Kammer nach pflichtgemäßem Ermessen die Aussage der Zeugen, deren Ladung im Ausland zu bewirken ist, zur Erforschung der Wahrheit nicht für erforderlich erachtet.
Es handelt sich um die Haupttäter und nach dem Anklagevorwurf Mittäter des Angeklagten, von denen eine wahrheitsgemäße Aussage nicht zu erwarten steht. § 244 V StPO erlaubt in einem solchen Fall eine vorweggenommene Beweiswürdigung. Die Begründung wird im Urteil näher ausgeführt werden.
2. Die Revision rügt mit der im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausreichend begründeten Verfahrensrüge zu Recht einen Verstoß gegen § 244 Abs. 5 Satz 2,
Abs. 6 StPO.
Zutreffend ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen, dass der Beweisantrag auf Vernehmung der im Ausland wohnenden und dort auch zu ladenden vier polnischen Zeugen nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO unter den gleichen Voraussetzungen wie der Antrag auf Einnahme eines Augenscheins abgelehnt werden konnte. Entscheidend ist danach, ob die Beweiserhebung nach pflichtgemäßem Ermessen des Tatrichters zur Erforschung der Wahrheit erforderlich ist oder nicht (vgl. dazu Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., 2004, § 244 Rn. 43 f; Herdegen in Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., 2003, § 244 Rn. 85, Herdegen NStZ 1998, 445 ff.). Nach allgemeiner Meinung ist bei der Ablehnung des Beweisantrages auf Vernehmung eines Auslandszeugen eine vorweggenommene Beweiswürdigung erlaubt und erforderlich (vgl. dazu grundlegend BGHSt 40, 60; BGH NJW 2002, 695; Meyer-Goßner, a.a.O., mit weiteren Nachweisen).
Dahinstehen kann, ob die vom Landgericht im angefochtenen Urteil vorgenommene Beweiswürdigung aus Rechtsgründen zu beanstanden oder vorliegend unter Berücksichtigung der Gesamtumstände ausreichend und rechtsfehlerfrei ist, wofür einiges spricht. Das vom Landgericht gewählte Verfahren zur Ablehnung des Beweisantrages ist nämlich rechtsfehlerhaft, so dass das angefochtene Urteil schon aus dem Grund aufzuheben war.
Zwar kann bei der Ablehnung eines Beweisantrages auf Vernehmung eines so genannten Auslandszeugen das Tatgericht eine vorweg genommene Beweiswürdigung vornehmen. Die StPO räumt jedoch nur hinsichtlich des Ablehnungsgrundes eine Erleichterung ein. Das Verfahren der Ablehnung entspricht hingegen dem üblichen Verfahren für die Ablehnung von Beweisanträgen. Erforderlich ist insoweit nach § 244 Abs. 6 StPO ein Gerichtsbeschluss, aus dessen Begründung der Angeklagte entnehmen können muss, welchen Standpunkt das Gericht gegenüber seinem Beweisbegehren einnimmt und der ihm die Möglichkeit gibt, sich mit dem Standpunkt des Gerichts auseinander zu setzen. Der Angeklagte soll und muss durch den Gerichtsbeschluss die Gelegenheit erhalten, sich auf die durch den Ablehnungsbeschluss entstandene Prozesslage einzustellen (vgl. zu allem Herdegen in Karlsruher Kommentar, a.a.O. , § 244 Rn. 58 mit weiteren Nachweisen). Deshalb muss die Begründung für die Ablehnung des Beweisantrages in dem in der Hauptverhandlung bekannt zu machenden Beschluss enthalten sein und kann nicht erst in den Urteilsgründen nachgeschoben werden. Das gilt vor allem auch für die Ablehnung eines Beweisantrages nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO. Dieser enthält eine vorweggenommene Beweiswürdigung, weshalb ein strenger Maßstab anzulegen ist (BGH NStZ 2004, 508, 509 für den Fall der Ablehnung eines Beweisantrages mit der Begründung, ein Beweismittel sei ungeeignet).
Dem wird das landgerichtliche Verfahren nicht gerecht. Der Ablehnungsbeschluss des Landgerichts enthält im Wesentlichen nur den Gesetzestext des § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO. Die Annahme des Landgerichts, dass von den benannten Zeugen eine wahrheitsgemäße Aussage nicht zu erwarten steht, wird im Ablehnungsbeschluss mit keinem Wort begründet. Vielmehr wird der Angeklagte insoweit auf die späteren Urteilsgründe verwiesen, die allerdings eine nähere Begründung für die Ablehnung des Beweisantrages enthalten. Das reicht jedoch - wie dargelegt - nicht (mehr) aus. Der Angeklagte hatte zu dem Zeitpunkt keine Möglichkeit mehr, auf die Ablehnung seines Beweisantrages zu reagieren.
Das angefochtene Urteil beruht auch auf dem Rechtsfehler (vgl. auch dazu Herdegen in Karlsruher Kommentar, a.a.O., § 244 Rn. 59 mit weiteren Nachweisen). Denn selbst wenn die Ausführungen des Landgerichts zur Ablehnung des Beweisantrages rechtsfehlerfrei sind und damit der Beweisantrag des Angeklagten mit dieser Begründung hätte abgelehnt werden können, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte sich, wenn er diese Begründung im Einzelnen bereits in der Hauptverhandlung gekannt hätte, mit dieser Begründung auseinander gesetzt und darauf reagiert hätte. Es hätte immer die Möglichkeit bestanden, nicht nur im Einzelnen darzulegen, warum den Zeugen ggf. doch hätte geglaubt werden müssen, sondern zusätzlich noch weitere Zeugen zu vernehmen bzw. die Videovernehmung dieser Zeugen anzuregen und zu beantragen.
III.
Nach allem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass das Landgericht von seinem Standpunkt aus zu Recht, die Voraussetzungen des § 21 StGB nicht erörtert hat, nachdem es die Einlassung des Angeklagten auch insoweit als widerlegt angesehen hat. Die Revision übersieht in der landgerichtlichen Strafzumessung zudem auch, dass sich das Landgericht damit auseinandergesetzt hat, dass es eine gleich hohe Strafe wie der Amtsrichter verhängt hat, obwohl es von einem wesentlich geringeren Strafrahmen ausgehen musste (vgl. dazu Senat in StV 2005, 33).
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