Aktenzeichen: 1 Ss 79/05 OLG Hamm
Leitsatz: Die Frage einer günstigen Sozialprognose kann auch für die Beurtei-lung bedeutsam sein kann, ob Umstände von besonderem Gewicht i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB vorliegen. Reichen nach Auffassung des Tatrichters die für den Angeklagten sprechenden sonstigen Milderungsgründe nicht zur Bejahung besonderer Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB aus, kann eine dem Angeklagten zu stellende günstige Sozialprognose nämlich den Ausschlag zugunsten der Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung geben.
Senat: 1
Gegenstand: Revision
Stichworte: Strafaussetzung zur Bewährung; günstige Sozialprognose; besondere Umstände
Normen: StGB 56
Beschluss: 1 Ss 79/05 OLG Hamm
Strafsache
gegen G.R.
Wegen
gemeinschaftlicher Geldfälschung.
Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 3. kleinen Strafkammer des Landgerichts Siegen vom 9. Juli 2004 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 05. 04. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht auf Antrag bzw. nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 2 u. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Unter Verwerfung der Revision im Übrigen wird das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Siegen zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Siegen verurteilte den Angeklagten mit Urteil vom 27. Februar 2004 wegen gemeinschaftlicher Geldfälschung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung ein.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht Siegen die Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass der Angeklagte zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wird. Nach den zugrunde liegenden Feststellungen hatte der Angeklagte am 21. oder 22. November 2002 100 gefälschte 50-Euro-Scheine, die er von dem früheren Mitangeklagten A. erhalten hatte, an die früheren Mitangeklagten V. und R. übergeben, damit diese die gefälschten Scheine als echte in den Verkehr bringen. Während A. und der Angeklagte jeweils 10,- pro Geldschein erhalten sollten, sollten die restlichen 30,- V. bzw. R. zustehen. In den Tagen darauf setzten V. und R. einige der falschen 50-Euro-Scheine bei verschiedenen Einkäufen in Bochum und Dortmund mit Erfolg als Zahlungsmittel ein, bevor R. bei dem Versuch, weitere Scheine in den Verkehr zu bringen, festgenommen wurde. Der davon unterrichtete Angeklagte verbrannte nunmehr einen Teil der gefälschten Scheine, das restliche Falschgeld konnte sichergestellt werden.
Im Rahmen ihrer Strafzumessungserwägungen ist die Kammer nach Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu der Einschätzung gelangt, dass das festgestellte Verhalten des Angeklagten nicht als minder schwerer Fall i.S.d. § 146 Abs. 3 StGB gewertet werden könne. Gegen die Annahme eines minder schweren Falles spreche, dass es sich immerhin um 100 gefälschte Geldscheine gehandelt habe, die Vorgehensweise des Angeklagten und seiner Mittäter insbesondere hinsichtlich der Arbeitsteilung keineswegs dilettantisch gewesen sei und der Angeklagte - wenn auch nicht einschlägig - vielfach vorbestraft sei. Nach Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und unter Berücksichtigung der Höhe der gegen die Mittäter bereits rechtskräftig verhängten Strafen erachtete die Strafkammer eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren für angemessen.
Hinsichtlich einer möglichen Aussetzung der Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe zur Bewährung hat das Landgericht Folgendes ausgeführt:
Die Vollstreckung der Strafe kann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden,
§ 56 Abs. 1 und 2 StGB.
Es ist bereits fraglich, ob dem Angeklagten eine günstige Prognose gestellt werden kann. Wie bereits erwähnt, hat der Angeklagte seit 1985 eindeutig weniger und unerheblichere Delikte begangen als zuvor. Bis auf einen Fall, in dem eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verhängt werden mußte, konnte es in den übrigen Fällen bei der Festsetzung von Geldstrafen verbleiben. Der Angeklagte lebt sozial integriert, wenn er auch infolge der Tat seine langjährige Arbeitsstelle verloren hat. Gleichwohl ist er erneut straffällig geworden und das mit einem gewichtigen Delikt. Finanzielle Gründe haben nach seiner Einlassung keine Rolle gespielt, sondern er ist dem durch seine außereheliche Beziehung geschaffenen Stress und den zahlreichen Bemühungen des A., sich zu beteiligen, schließlich erlegen, weil er seine Ruhe haben wollte. Das alles läßt die begründete Aussicht auf ein Leben ohne Straftaten in Zukunft nicht unbedingt zu, wenn der Angeklagte auch durch das Verfahren und die Angst vor der erneuten Verbüßung einer Haftstrafe sehr beeindruckt schien.
Letztlich sind aber weder in der Tat noch in der Persönlichkeit des Angeklagten besondere Umstände zu finden, die eine Aussetzung der Vollstreckung rechtfertigen würden. Die Tat stellt sich für den Angeklagten zwar als Gelegenheitstat dar; ohne die Intervention des A. wäre es nicht dazu gekommen. Der Angeklagte hat sich aber erst nach mehrmaligem Drängen und damit auch erst nach längerem Überlegen bereit gefunden, das Falschgeld zu übernehmen. Die Tat als solche weist keine Milderungsgründe von besonderem Gewicht auf, wobei insoweit auch auf die Ausführungen zur Anwendung eines minder schweren Falls verwiesen werden kann.
In der Person des Angeklagten finden sich ebenfalls keine besonderen Umstände. Er war zur Tatzeit zwar in einer angespannten Situation, die die Begehung der Tat gefördert haben mag, dies stellt aber keinen besonderen Umstand i. S. des § 56 Abs. 2 StGB dar.
Auch eine Gesamtwürdigung sämtlicher Umstände führt nicht zur Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe.
Gegen dieses Berufungsurteil des Landgerichts richtet sich die in zulässiger Weise eingelegte Revision des Angeklagten, mit der dieser die Verletzung materiellen Rechts rügt. Zum einen habe das Landgericht zu Unrecht einen minder schweren Fall i.S.d. § 146 Abs. 3 StGB verneint, zum anderen seien die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Ablehnung einer Strafaussetzung zur Bewährung fehlerhaft, da die Kammer letztlich keine konkrete, nachvollziehbare Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände vorgenommen habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
II.
1. Das zulässige Rechtsmittel war hinsichtlich des Schuldspruchs als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
2. Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches in dem angefochtenen Urteil hat die Revision dagegen einen zumindest vorläufigen Erfolg.
Zwar sind die Strafzumessungserwägungen der Kammer aus revisionsgerichtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Die Strafkammer hat insbesondere die für die Prüfung eines minder schweren Falles relevanten täter- und tatbezogenen Umstände festgestellt und bewertet. Nach Abwägung der maßgeblichen Umstände ist das Berufungsgericht zu der vertretbaren Auffassung gelangt, dass ein minder schwerer Fall i.S.d. § 146 Abs. 3 StGB, der ein beträchtliches Überwiegen der mildernden Faktoren voraussetzt, nicht vorliegt. Diese grundsätzlich dem Tatrichter obliegende Abwägung und Wertung, die vom Revisionsgericht nur beschränkt nachprüfbar ist (vgl. BGHSt 29, 320; Tröndle/Fischer, StGB, 52. Aufl., § 46 Rdnr. 86), lässt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erkennen.
Rechtsfehlerhaft sind dagegen die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil, mit denen das Landgericht eine mögliche Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung nach § 56 StGB abgelehnt hat. Die Kammer hat angezweifelt, ob dem Angeklagten eine günstige Sozialprognose i.S.d. § 56 Abs. 1 StGB bescheinigt werden kann. Sie hat diese Frage letztlich offengelassen, da aus ihrer Sicht weder in der Tat noch in der Persönlichkeit des Angeklagten be-sondere Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB gegeben seien. Dabei hat die Strafkam-mer verkannt, dass die Frage einer günstigen Sozialprognose auch für die Beurtei-lung bedeutsam sein kann, ob Umstände von besonderem Gewicht i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB vorliegen (vgl. BGH NStZ 1997, 434; OLG Hamm, Senatsbeschluss vom 27. Januar 2005 - 1 Ss 34/05 -). Reichen nach Auffassung des Tatrichters die für den Angeklagten sprechenden sonstigen Milderungsgründe nicht zur Bejahung besonderer Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB aus, kann eine dem Angeklagten zu stellende günstige Sozialprognose den Ausschlag zugunsten der Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung geben (vgl. BGH StV 1995, 20; OLG Hamm a.a.O.). Aus diesem Grunde ist über die Frage, ob einem Angeklagten eine positive Sozial-prognose i.S.d. § 56 Abs. 1 StGB gestellt werden kann, vorab zu befinden, auch wenn bei einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr, die zwei Jahre nicht übersteigt, darüber hinaus besondere Umstände nach § 56 Abs. 2 StGB vorliegen müssen, um eine Strafaussetzung zu rechtfertigen (vgl. BGH StV 2003, 670; OLG Hamm, a.a.O.; Tröndle/Fischer, § 56 Rdnr. 19).
Da eine wechselseitige Beeinflussung der - vom Landgericht fehlerhaft behandelten - Aussetzungsfrage und der Frage der Strafzumessung im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden kann, war das angefochtene Urteil insgesamt im Rechtsfolgenausspruch mit den hierzu getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 StPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Siegen zurückzuverweisen.
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