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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ss 77/05 OLG Hamm

Leitsatz: Zur ordnungsgemäßen Erhebung der Verfahrensrüge der Verletzung der §§ 251, 261 StPO ist der Vortrag, dass das Beweismittel nicht auf andere Weise als durch Verlesung, z.B. durch Vorhalt in die Hauptverhandlung eingeführt worden sei, nicht erforderlich.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Verfahrensrüge; Verlesung einer Zeugenaussage; Urkundsbeweis; Vorhalt; Anforderungen an die formelle Rüge

Normen: StPO 261; StPO 251; StPO 344; StPO 249

Beschluss: Strafsache
gegen S.K.
wegen Diebstahls
Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Strafrichters in Minden vom 23. November 2004 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19. 04. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Minden zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Minden hat den Angeklagten durch das angefochtene Urteil vom 23.11.2004 wegen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 5,- € verurteilt. Zur Sache und zur Beweiswürdigung hat das Amtsgericht Folgendes ausgeführt:

„II.
Am 23.03.2004 befand sich der Angeklagte gegen 15.20 Uhr in den Verkaufsräumen des WEZ-Marktes in Minden. Vor dem dortigen Tchibo-Regal verharrte der Angeklagte eine Zeit und steckte sich dann drei Teile aus den Auslagen des Tchibo-Ständers unter seinen Pullover, und zwar so, dass diese vollständig unter seiner Kleidung verborgen und von Dritten nicht mehr zu erkennen waren. Dabei wurde der Angeklagte von einer Videokamera gefilmt. Als sich der Angeklagte entsprechend seinem Plan mit der Ware unter seinem Pullover entfernen wollte, bemerkte er durch einen direkten Blick in die Überwachungskamera, dass sein Tun aufgezeichnet worden war. Er verließ dann kurz den durch die Kamera einsehbaren Bereich, kam anschließend wieder zurück zu dem Regal und legte die unter seinem Pullover versteckten Waren wieder in das Regal zurück. Anschließend verließ der Angeklagte den Markt und wurde nach dem Passieren des Kassenbereichs von dem Zeugen B. angesprochen und mit in sein Büro gebeten.

Der vorstehende Sachverhalt steht fest aufgrund der Einlassung des Angeklagten, soweit ihr das Gericht zu folgen vermochte sowie der Verlesung der Aussage des Zeugen B. aus dem Sitzungsprotokoll vom 24.06.2004 (Blatt 31 ff. der Akte) und dem Bundeszentralregisterauszug des Angeklagten vom 15.04.2004 sowie der teilweisen Verlesung des Urteils des Landgerichts Verden vom 17.06.2004 (Blatt 53 ff. der Akte). Soweit der Angeklagte bestritten hat, dass er bemerkte, von der Überwachungskamera gefilmt worden zu sein, ist seine Einlassung durch die glaubhaften Angaben des Zeugen B., der das Tun des Angeklagten über den Monitor der Überwachungskamera beobachtet hat, widerlegt.

Daneben mag sich der Verteidiger, der nunmehr Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt hat, an den Termin vom 21.09.2004 erinnern, bei dem in Abwesenheit des Angeklagten, auf die der Verteidiger im übrigen zunächst nicht hingewiesen hatte, das Überwachungsvideo, das den oben dargestellten Sachverhalt eindrucksvoll zeigt, in Augenschein genommen wurde. Um dem Angeklagten kein strafmilderndes Geständnis abzuschneiden, wurde anschließend auf die weitere Inaugenscheinnahme des Videobandes verzichtet. Der Verteidiger hat im übrigen auch daher vom Inhalt des Videobandes Kenntnis, da ihm eine Kopie dieses Bandes mit Verfügung vom 24.08.2004 zugestellt worden ist.“

Dieses Tatgeschehen hat das Amtsgericht rechtlich als einen vollendeten Diebstahl geringwertiger Sachen gemäß §§ 242 Abs. 1, 248 a StGB gewertet. Auf die weiteren Ausführungen zur rechtlichen Wertung und zur Strafzumessung des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Rechtsmittel eingelegt und dieses Rechtsmittel nach der Urteilszustellung an den Verteidiger rechtzeitig als Revision bezeichnet und begründet. Die Revision rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit den Verfahrensrügen wird die Verletzung der §§ 243 Abs. 4, 261, 251 StPO mit näheren Ausführungen gerügt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die zulässige Revision des Angeklagten hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils nebst den zugrunde liegenden Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Minden.

Die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte die Verletzung des § 261 StPO rügt, weil das tatrichterliche Urteil sich auf Beweisergebnisse, nämlich die Aussage des Zeugen Kai B. im Sitzungsprotokoll vom 24.06.2004 stütze, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung geworden sei, ist zulässig und begründet.
Diese Verfahrensrüge ist den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO entsprechend ausgeführt; da der Angeklagte vorträgt, dass die Aussage des Zeugen Kai B. aus dem Sitzungsprotokoll vom 24.06.2004 nicht verlesen worden sei, bedarf es der Wiedergabe des Inhalts der Aussage nicht. Der Umstand, dass die Aussage tatsächlich nicht verlesen worden ist, ergibt sich - was die Revision in hinreichender Weise ausführt - aus der negativen Beweiswirkung des Hauptverhandlungsprotokolls, welches die Verlesung der Aussage gerade nicht dokumentiert, sondern lediglich eine im allseitigen Einverständnis der Verfahrensbeteiligten erfolgte Inbezugnahme. Diese ist nicht geeignet, die prozessordnungsgemäße Einführung der Aussage in die Hauptverhandlung durch Verlesung gemäß § 251 StPO zu ersetzen.
Eine Einführung der Aussage ohne Verlesung gemäß § 249 Abs. 2 StPO scheidet vorliegend ebenfalls aus, da die entsprechende Anordnung des Vorsitzenden, die Feststellungen über die Kenntnisnahme der Aussage und die Gelegenheit hierzu, welche gemäß § 249 Abs. 2 S. 2 StPO in das Protokoll aufzunehmen sind, sich hierin nicht finden. Die Beweiswirkung des Protokolls ergibt mithin auch insoweit eine nicht erfolgte Einführung der Aussage.

Zur ordnungsgemäßen Erhebung der Verfahrensrüge der Verletzung der §§ 251, 261 StPO ist der Vortrag, dass das Beweismittel nicht auf andere Weise als durch Verlesung, z.B. durch Vorhalt in die Hauptverhandlung eingeführt worden sei, nicht erforderlich. Ein solcher Vorhalt könnte lediglich als Vernehmungsbehelf dienen; Beweisgrundlage wäre indes lediglich die Aussage des Zeugen oder die Einlassung des Angeklagten, dem der Vorhalt gemacht worden wäre, nicht indes der Inhalt des Vorhaltes selbst.

Die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts durften mithin nicht auf die protokollierte Aussage des Zeugen Kai B. gestützt werden, was indes zur Überführung des Angeklagten geschehen ist, wie sich aus den Urteilsgründen ergibt. Da das Amtsgericht auch nicht von einem Geständnis des Angeklagten ausgegangen ist, sondern von einer „Einlassung des Angeklagten, soweit ihr das Gericht zu folgen vermochte“ (III 1. Absatz der Urteilsgründe) bzw. habe der Angeklagte sich „über seinen Verteidiger lediglich zu einer halbherzigen Einräumung der wesentlichen den Diebstahlsvorwurf tragenden Umstände“ (V 4. Absatz der Urteilsgründe) durchringen können, fehlt es an Beweisen, die geeignet sind, die Feststellungen des Diebstahls zu tragen. Die Überzeugung des Tatrichters beruht vielmehr ausweislich der Urteilsfeststellungen auf den „glaubhaften Angaben des Zeugen B., der das Tun des Angeklagten über den Monitor der Überwachungskamera beobachtet habe und dessen Angaben geeignet seien, die bestreitende Einlassung des Angeklagten zu widerlegen“. Das Gericht hat somit Tatsachen, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren, bei seiner Urteilsfindung verwendet; bereits aus diesem Grunde unterliegt das Urteil der Aufhebung.

Da das angefochtene Urteil mithin wegen des dargetanen Fehlers keinen Bestand haben kann, kommt es auf die anderen von der Revision erhobenen Rügen nicht mehr an. Das angefochtene Urteil musste aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Minden zurückverwiesen werden.


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