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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ss 95/05 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Zulässigkeit der Verfahrensrüge, mit der geltend gemacht wird, dass in der Berufungshauptverhandlung Zeugen nicht vernommen worden seien.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Verfahrensrüge; Zulässigkeit; Aufklärungsrüge; genügender Vortrag; Vernehmung von Zeugen in der Berufungshauptverhandlung

Normen: StPO 344; StPO 325
Beschluss 8Strafsache
gegen O.R.
wegen gefährlicher Körperverletzung

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der XI. kleinen Strafkammer des Landgerichts Essen vom 28. Oktober 2004 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 04. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und auf deren Antrag sowie nach Anhörung des Angeklagten bzw. seines Verteidigers gemäß § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:

Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Gründe:
I.

Das Amtsgericht - Schöffengericht - Gelsenkirchen-Buer hat den Angeklagten durch Urteil vom 27. Januar 2004 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat die XI. kleine Strafkammer des Landgerichts Essen durch das angefochtene Urteil vom 28. Oktober 2004 auf seine Kosten verworfen. Auf die Feststellungen dieses Urteils zu der persönlichen Verhältnissen des Angeklagten, zur Sache, zur Beweiswürdigung, zur rechtlichen Würdigung und zur Strafzumessung wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Formell rügt der Angeklagte vornehmlich, dass das Berufungsgericht den Geschädigten A.M.G. und seinen Bruder G.M.G.nicht als Zeugen gehört habe und deshalb nicht ermittelt worden sei, dass der Angeklagte entsprechend seiner bestreitenden Einlassung den Geschädigten nicht getreten habe. Auch seien weitere Zeugen zu Unrecht nicht gehört worden. Die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erhebt der Angeklagte ebenfalls mit näheren Ausführungen, mit denen er sich u.a. gegen die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils wendet. Der Angeklagte erstrebt die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Essen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision des Angeklagten gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

II.
Das zulässige Rechtsmittel des Angeklagten hat keinen Erfolg.

Soweit der Angeklagte die Aufklärungsrüge deshalb erhebt, weil das Berufungsgericht den Zeugen A. M. G. nicht vernommen habe, ist diese Rüge unzulässig, weil sie nicht in der gebotenen Form des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO erhoben worden ist. Der Revisionsführer muss die den Mangel begründenden Tatsachen so vollständig angeben, soweit sie ihm zugänglich sind (vgl. BGH NJW 1979, 1052). Der Vortrag muss so vollständig sein, dass das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob ein Verfahrensfehler vorliegt.
Das Rügevorbringen ist vorliegend bereits deshalb unvollständig, weil der Revisionsführer den Umstand verschweigt, dass das Revisionsgericht wie sich aus dem dem Revisionsgericht zugänglichen Hauptverhandlungsprotokoll ergibt - nach entsprechender Beschlussfassung die Aussage des Zeugen A.M.G. gemäß § 325 StPO verlesen hat, ebenso den Vermerk des Vernehmungsbeamten PK Sp. vom 05.11.2002, nach dem der Zeuge A.M.G. trotz Ladung und versuchter Vorführung zum Berufungshauptverhandlungstermin nicht erschienen war. Zwar lässt sich dem Vorbringen des Revisionsführers zutreffend entnehmen, dass das Berufungsgericht den Zeugen nicht mündlich gehört hat; der Umstand indes, dass die Verlesung und der Inhalt der erstinstanzlichen Aussage des Zeugen A.M.G. sowie des Vermerks des Vernehmungsbeamten bezüglich einer früheren Vernehmung nicht mitgeteilt worden sind, führt dazu, dass dem Revisionsgericht kein vollständiger Eindruck des Verfahrensablaufs vermittelt wird, welcher es ermöglicht, das Vorliegen eines Verfahrensfehlers ohne Rückgriff auf die Akten zu überprüfen. Inwieweit das Gericht die ihm obliegende Aufklärungspflicht durch die fehlende mündliche Vernehmung des Zeugen A.M.G. trotz Einführung der Aussage durch deren Verlesung verletzt hat, insbesondere dass die erfolgte Verlesung der Zeugenaussage nicht statthaft oder unzulässig gewesen sein soll, lässt sich dem Revisionsvorbringen nicht entnehmen, da der Verfahrensablauf von der Revision insoweit nicht geschildert wird. Zudem fehlt es an der Darlegung, aus welchen Umständen sich das Berufungsgericht zur Vernehmung des Zeugen A.M.G. hätte gedrängt sehen müssen. Gerade im Hinblick auf die erfolgte Verlesung der erstinstanzlichen Aussage dieses Zeugen wären Ausführungen dazu erforderlich gewesen, warum Anlass bestanden haben soll, den Zeugen erneut persönlich zu vernehmen, zumal die Revision den Inhalt der verlesenen Aussage nicht mitteilt. Angesichts des Umstandes, dass der Zeuge in erster Instanz die Täterschaft des Angeklagten bestätigt hatte, waren besondere Ausführungen dazu erforderlich, weshalb in einer erneuten Vernehmung eine konträre, nämlich den Angeklagten entlastende Aussage des Zeugen zu erwarten war, obwohl auch innerhalb des Berufungsverfahrens mehrere unbeteiligte Zeugen den Angeklagten ebenfalls als Täter belasteten. Diesen Anforderungen wird das Rügevorbringen der Revision bereits aufgrund der Unvollständigkeit der Darlegung der erfolgten Beweisaufnahme in Bezug auf den Zeugen A.M.G. nicht gerecht. Der bloße Umstand, dass der Zeuge A.M.G. „am nächsten am Geschehen“ gewesen sein soll, ist hierzu keineswegs ausreichend, da sich aus den Feststellungen des angefochtenen Urteils ergibt, dass der genannte Zeuge bereits nach einem gezielten Faustschlag des Angeklagten gegen den Kopf
- und vor dem Tritt - reglos zu Boden ging - nach Schilderung der Zeugen Helm, Gleich und Lenzer „bewusstlos“ - und im Folgenden reglos auf dem Boden liegen-blieb. Inwieweit trotz dieser Sachlage für den geschädigten Zeugen A.M.G. nach dem Faustschlag gegen den Kopf noch Wahrnehmungsmöglich-keiten hinsichtlich des Trittes bestanden, legt die Revision ebenfalls nicht dar.

Auch soweit der Angeklagte wegen des in der Berufungshauptverhandlung nicht vernommenen Zeugen G.M.G.die Aufklärungsrüge erhebt, ist diese nicht ordnungsgemäß ausgeführt worden. Zwar ist dieser Zeuge zur Berufungshauptverhandlung durch das Berufungsgericht weder geladen worden noch ist seine erstinstanzliche Aussage in sonstiger Weise in die Berufungsverhandlung eingeführt worden. Der Revisionsführer hat jedoch nicht dargelegt, dass dieser Zeuge überhaupt in der Lage gewesen sein soll, geeignete Wahrnehmungen zum Tatgeschehen zu treffen. Auch insoweit ist allein der Umstand, dass der Zeuge wie A.M.G. „am nächsten am Geschehen“ gewesen sein soll, hierzu nicht ausreichend. Da sich das Tatgeschehen tumultartig in Gegenwart zahlreicher Menschen ereignete, die sich in Bewegung befanden, lässt allein die räumliche Nähe noch keinen hinreichenden Schluss auf tatsächlich getroffene Wahrnehmungen zum Tatgeschehen zu. Im Übrigen fehlt es auch an Darlegungen dazu, inwieweit sich das Berufungsgericht zur Vernehmung dieses Zeugen gedrängt sehen mußte. Insoweit wäre auch die Darlegung erforderlich gewesen, ob und welche Bekundungen der Zeuge G.M.G.zum Tatgeschehen innerhalb des Ermittlungsver-fahrens und im Rahmen des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens gemacht hat und aufgrund welcher Umstände ggf. die behauptete Entlastung des Angeklagten trotz der belastenden Aussagen mehrerer Augenzeugen in zwei Instanzen zu erwar-ten gewesen sein soll.

Soweit die Revision schließlich rügt, das Berufungsgericht habe versäumt, einen weiteren Zeugen, nämlich den Fahrer des Audi zu ermitteln, geht diese Rüge fehl. Den Feststellungen des angefochtenen Urteils ist nämlich klar zu entnehmen, dass der geschädigte Zeuge A.M.G. der Fahrer des genannten Audi gewesen ist; vgl. Abschnitt III, S. 5, Absätze 2 und 3 des angefochtenen Urteils. Soweit die Revision sich gegen die entsprechenden Feststellungen des angefochtenen Urteils wenden will, ist sie unzulässig; im Übrigen fehlt es auch an einer Behauptung dessen, was der (vermeintlich weitere) Zeuge hätte behaupten können.

Der Angriff der Revision, das Berufungsgericht habe den Leumundzeugen, den Polizeibeamten Siegfried Moosen, zu Unrecht nicht gehört, greift ebenfalls nicht durch. Insoweit fehlt es an der Darlegung eines Aufklärungsmangels, der den Angeklagten beschwert. Das Gericht hat nämlich ausweislich der Feststellungen zu den persön-lichen Verhältnissen des Angeklagten dessen ca. 10-jährige Tätigkeit als Ordnungs-kraft bei Borussia Mönchengladbach und seine zuverlässige Bewährung bei dieser Tätigkeit berücksichtigt. Eine weitergehende Bedeutung des guten Leumundes für das Tatgeschehen selbst und seine Würdigung hat die Revision nicht dargetan.

Soweit die Revision schließlich rügt, das Berufungsgericht habe den Polizeibeamten Mynarek nicht gehört, fehlt es bereits an der Darlegung von Tatsachen, die der Aufklärung bedurft hätten, ferner an der Darlegung der Umstände, aufgrund derer das Gericht sich zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt sehen müssen.

Die auf die Sachrüge hin zu erfolgende Prüfung des angefochtenen Urteils hat Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ebenfalls nicht ergeben.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Stellungnahme vom 31. März 2005, die dem Angeklagten bzw. seinem Verteidiger zur Kenntnis gegeben worden ist, zutreffend Stellung genommen. Auf diese Ausführungen, die das Revisionsgericht zum Gegenstand seiner Entscheidung macht, wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Sowohl der Schuldspruch als auch der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils halten danach der revisionsrechtlichen Überprüfung Stand.
Die Revision war deshalb mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet zu verwerfen.


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