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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss 159/05 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Anwendung des § 354 Abs. 1 a StPO in einem Fall, in dem der Schuldspruch und der Schuldumfang der Rechtsfolgenentscheidung unverändert zu Grunde zu legen sind.

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz; Handelt treiben; Rechstfolgen; Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs

Normen: StPO 354

Beschluss: Strafsache
gegen C.D.
wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln.

Auf die (Sprung-) Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 13. Dezember 2004 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 01. 06. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Angeklagten bzw. seiner Verteidiger gem. § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:

Die Revision wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten seines Rechtsmittels trägt der Angeklagte.

Gründe:
I.
Der Angeklagte ist durch das angefochtene Urteil wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen in Höhe zu je 100,00 € verurteilt worden.
Nach den auf der geständigen Einlassung des Angeklagten beruhenden Feststellungen wurde er am 16. August 2004 gegen 19.25 Uhr von Polizeibeamten auf dem Verbindungsweg zwischen Arndtstraße und Massenbergstraße in Bochum dabei beobachtet, wie er einen Joint konsumierte. Bei der weiteren Überprüfung durch die Polizeibeamten übergab er diesen ein kleines Tütchen mit 0,75 g Marihuana. Die Reste des gerauchten Joints wurden nicht mehr gewogen.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte rechtzeitig Rechtsmittel eingelegt, das er fristgerecht als Revision bezeichnet hat.
Er wendet sich mit der Sachrüge sowohl gegen den Schuldspruch als auch gegen die Rechtsfolgenentscheidung und mit der Verfahrensrüge gegen die Rechtsfolgen-entscheidung, da entgegen § 267 Abs. 3 S. 4 StPO in Verbindung mit § 29 Abs. 5 BtMG ein Absehen von Strafe in den Urteilsgründen nicht erörtert worden sei.

Dem Rechtsmittel ist der Erfolg zu versagen.

II.
Soweit sich die Revision gegen den Schuldspruch richtet, ist sie aus den Gründen der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

Zutreffend weist die Generalstaatsanwaltschaft darauf hin, dass nach den Feststellungen des Amtsgerichts auszuschließen ist, dass der Angeklagte das Betäubungsmittel nur zum sofortigen Genuss erhalten und es tatsächlich auch sofort zu sich genommen hat. Dies mag auf den Teil Marihuana zutreffen, der sich in dem zur Vorfallszeit von ihm gerauchten Joint befand, nicht jedoch auf das sonstige von ihm mitgeführte und später abgewogene Marihuana.

III.
Das Rechtsmittel ist aber auch hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

Das Amtsgericht hat zur Person des Angeklagten u. a. festgestellt, dass er durch das Amtsgericht Bonn am 15. April 2004 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden ist, deren Vollstreckung bis zum 21. Juni 2004 zur Bewährung ausgesetzt wurde. Aufgrund der Ausführungen im Rahmen der Strafzumessung, der Angeklagte habe die vorliegende Straftat nur wenige Monate nach der Verurteilung durch das Amtsgericht Bonn begangen, kann sicher davon ausgegangen werden, dass es sich bei der als Ende der Bewährungszeit mitgeteilten Jahreszahl 2004 um einen offensichtlichen Irrtum und Schreibfehler handelt, dass andererseits aber das Urteil des Amtsgerichts Bonn zumindest im Juni 2004 rechtskräftig geworden war.

Bereits dieser dominierende Strafzumessungsgesichtspunkt der erheblichen Vorstrafe legte eine Auseinandersetzung und eingehende Erörterung der Möglichkeit, nach § 29 Abs. 5 BtMG von einer Bestrafung absehen zu können, nicht nahe. Dabei mag noch davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte das Betäubungsmittel vorliegend in geringer Menge zum Eigenverbrauch besessen hat, obwohl dies im angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich festgestellt worden ist.

Soweit der Angeklagte mit der Verfahrensrüge beanstandet, entgegen § 267 Abs. 3 S. 4 StPO habe sich der Tatrichter bei der Strafzumessung nicht mit § 29 Abs. 5 BtMG auseinandergesetzt, obwohl er in der Hauptverhandlung einen entsprechenden Antrag gestellt habe, vermag das Rechtsmittel nicht durchzugreifen.

Nach § 267 Abs. 3 S. 4 StPO müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb entgegen einem in der Verhandlung gestellten Antrag nicht von Strafe abgesehen worden ist.

Es ist zwar einerseits richtig, dass in den Urteilsgründen § 29 Abs. 5 BtMG nicht ausdrücklich erwähnt ist.
Andererseits hat das Gericht jedoch neben dem zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigten Geständnis und der geringen Menge des aufgefundenen Marihuanas bei seiner Rechtsfolgenentscheidung maßgeblich den Umstand gewertet, dass der Angeklagte die Tat begangen hat, obwohl er nur wenige Monate zuvor durch das Amtsgericht Bonn wegen einer einschlägigen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung verurteilt worden war. Zudem hat es die hier verhängte Geldstrafe von 35 Tagessätzen auch zur Einwirkung auf den Angeklagten für ausreichend erachtet.

Auch wenn die Einzelheiten der durch das Amtsgericht Bonn abgeurteilten Straftat des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nicht mitgeteilt worden sind, ergibt sich bereits aus der dort ausgesprochenen Rechtsfolge einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und dem Umstand, dass der Angeklagte mit Betäubungsmitteln in nicht geringem Umfang Handel getrieben hat, dass er eine ganz erhebliche Straftat begangen hatte. Unter diesen Umständen ist ein Rechts-fehler auch nicht darin zu sehen, dass die Vortat des Angeklagten nicht näher umschrieben und auch das Rauschgift, mit dem er Handel getrieben hatte, nicht näher bezeichnet worden ist. Bereits der mitgeteilte Schuldspruch und die darin enthaltene nicht geringe Menge bezeichnet hier noch hinreichend die damalige Tat und den Schuldumfang, soweit dies für das vorliegende Verfahren von Bedeutung ist.

Wenn der Angeklgte nur wenige Monate danach wiederum - zudem noch in der Öffentlichkeit einen Joint rauchend - in geringer Menge Rauschgift im Besitz hat, kommt dem Umstand der Vorverurteilung eine so überragende Bedeutung zu, dass weitere Strafzumessungsgesichtspunkte dahinter zurücktreten.
Andererseits zeigt die im Urteil erörterte Notwendigkeit der Einwirkung auf den Angeklagten durch eine Geldstrafe wenn auch einer solchen nur im untersten Bereich des Strafrahmens - dass für den Tatrichter die Möglichkeit des Absehens von einer Bestrafung nach § 29 Abs. 5 BtMG ersichtlich nicht in Betracht kam. Unter diesen Umständen konnte der Tatrichter auch auf eine eingehendere Begründung verzichten, zumal ein Gebrauchmachen von dieser Möglichkeit nicht nur fern lag, sondern nahezu ausschied (vgl. auch KK-Engelhardt, StPO, 5. Aufl., § 267 Rdnr. 33, 34).

Somit ergeben aber bei Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falles die Urteilsgründe trotz fehlender ausdrücklicher Mitteilung des § 29 Abs. 5 BtMG noch hinreichend, weshalb - entgegen einem in der Verhandlung gestellten Antrag - nicht von Strafe abgesehen worden ist.

Darüber hinaus ist ein Rechtsfehler weder bei der Bemessung der Anzahl der Tagessätze noch bei der Tagessatzhöhe ersichtlich.

IV.
Selbst wenn in der Nichterwähnung des § 29 Abs. 5 BtMG trotz der dargestellten dagegen sprechenden Umstände ein Rechtsfehler im Sinne des § 267 Abs. 3 S. 4 StPO gesehen würde, würde dies der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.

Der Senat vermag nämlich auszuschließen, dass in diesem Falle das Urteil dann auf dem Rechtsfehler beruhen würde. Hätte der Tatrichter noch weitere Ausführungen unter ausdrücklicher Berücksichtigung des § 29 Abs. 5 BtMG gemacht, wäre auszuschließen, dass er zu einem anderen als dem von ihm hier gefunden Ergebnis gekommen wäre.

Letztlich aber würde der gerügte Rechtsfehler, läge er vor, im Hinblick auf § 354 Abs. 1 a S. 1 StPO nicht zur Aufhebung, sondern zur Bestätigung des angefochtenen Urteils führen.

Nach dieser Vorschrift kann das Revisionsgericht wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die Verhängung der Rechtsfolge angemessen ist.

Die Zumessung der Rechtsfolgen in diesem Zusammenhang beinhaltet aber nicht nur Bemessung einer Strafe nach Art und Höhe und eine eventuell in Betracht kommende Strafaussetzung zur Bewährung, sondern auch in geeigneten Fällen, in denen das Gesetz dies erlaubt, die Verwarnung mit Strafvorbehalt oder das Absehen von Strafe.

Ferner ist im Sinne des § 354 Abs. 1 a S. 1 StPO eine Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen nicht nur eine auf Sachrüge zu beanstandende Verletzung materiellen Rechts, sondern auch die mit einer Prozessrüge anzugreifende Verletzung des Verfahrensrechts.

Der Bundesgerichtshof hat selbst bei Wegfall einer tateinheitlich begangenen Tat und diesbezüglicher Änderung ( Reduzierung ) des Schuldspruchs § 354 Abs. 1 a StPO für anwendbar erachtet (Beschluss vom 02. Dezember 2004 in 3 StR 273/04 = NJW 2005, 913 = STV 2005, 75).

Hierzu hat er u. a. ausgeführt:

„Mit der Wendung „wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen“ will das Gesetz erreichen, dass das Revisionsgericht abschließend in der Sache entscheiden kann, wenn eine Gesetzesverletzung nur zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs führen würde. Erklärtes Ziel der gesetzlichen Neuregelung ist es, zum Zwecke der Ressourcenschonung und der Verfahrensbeschleunigung Zurückverweisungen an die Vorinstanz wegen Rechtsfehlern bei der Zumessung der Rechtsfolge nicht nur in den Fällen zu vermeiden, in denen das Revisionsgericht ausschließen kann, dass die konkret verhängte Strafe auf dem vom Tatrichter bei der Strafzumessung begangenen Rechtsfehler beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Vielmehr soll das Urteil auch dann rechtskräftig werden, wenn das Revisionsgericht die verhängte Strafe trotz des Rechtsfehlers bei ihrer Zumessung im Ergebnis für angemessen erachtet, selbst wenn nicht festgestellt werden kann, dass der Tatrichter ohne den Fehler auf die selbe Strafe erkannt hätte (vgl. BT-Dr 15/3482 S 21 f).

Das Gesetz hat also ergänzend zu dem nach wie vor möglichen Blick auf die hypothetische Entscheidung des Tatrichters die Angemessenheit der Rechtsfolge zum Maßstab gemacht und insofern dem Revisionsgericht die Befugnis zur Eigenbewertung eingeräumt. Dass die dadurch bezweckte Ausweitung des Kreises der revisionsrechtlich im Ergebnis unbeachtlichen Rechtsfehler nur beschränkt wirksam werden sollte, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen.“

Bei Anlegung dieses Maßstabes kommt bei einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der Schuldspruch und der Schuldumfang der Rechtsfolgenentscheidung unverändert zu Grunde liegen, § 354 Abs. 1 a StPO erst Recht zur Anwendung.
Das gilt jedenfalls auch dann, wenn wie hier darüber zu entscheiden ist, ob überhaupt eine Strafe verhängt wird oder ob davon abgesehen werden kann, letztere Möglichkeit im konkreten Einzelfall aber praktisch ausscheidet.

Danach würde aber die hier verhängte Geldstrafe keinesfalls übersetzt und in jeder Hinsicht angemessen sein und ein Absehen von Strafe nach § 29 Abs. 5 BtMG nicht in Betracht kommen können. Dies hätte eine Verwerfung der Revision nach § 354 Abs. 1a S. 1 StPO zur Folge.

V.
Nach alledem war die Revision mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.


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