Aktenzeichen: 2 Ws 43/05 OLG Hamm
Leitsatz: § 84 Abs. 2 BRAGO ist auf die
Rücknahme der Revision nicht entsprechend anwendbar.
Senat: 2
Gegenstand: Revision
Stichworte: Rücknahme der Revision; Höhe der
gesetzlichen Gebühren des Pflichtverteidigers.
Normen: BRAGO 84; BRAGO 86
Beschluss: Strafsache
gegen G.A.
wegen
Geldfälschung
Auf die (sofortige) Beschwerde des Rechtsanwalt B. in Wuppertal vom 02. Dezember 2004 gegen den Beschluss der 13. Strafkammer des Landgerichts Bochum vom 12. November 2004 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25. 05. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:
Die sofortige Beschwerde wird verworfen.
Die Entscheidung
ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Der Beschwerdeführer war als
Pflichtverteidiger - neben einem weiteren Verteidiger - im vorliegenden
Verfahren tätig. Gegen das Urteil der Strafkammer vom 28. April 2004 hat
er für seinen Mandanten zunächst Revision eingelegt und diese sodann
mit Schriftsatz vom 16. Juni 2004 - in Übereinstimmung mit dem
Mitverteidiger - zurückgenommen noch bevor die Akten dem Revisionsgericht
zugeleitet worden sind.
Mit Antrag vom 22. Juli 2004 hat er seine gesetzlichen Gebühren für die Tätigkeit im Revisionsverfahren gem. §§ 86 Abs. 3 und 4, 97 Abs. 1 BRAGO in Höhe von 450,00 angemeldet, wobei er der Auffassung ist, dass in entsprechender Anwendung der §§ 84 Abs. 2, 85 Abs. 4 BRAGO die Zuerkennung der vollen Gebühr für den Fall angemessen sei, dass das Revisionsverfahren - wie hier - unter seiner Mitwirkung durch Revisionsrücknahme erledigt worden ist.
Nachdem der Rechtspfleger des Landgerichts mit Beschluss vom 04. August 2004 die gesetzliche Gebühr jedoch auf lediglich 225,00 festgesetzt und der Vorsitzende der Strafkammer durch den angefochtenen Beschluss vom 12. November 2004 auf die Erinnerung des Pflichtverteidigers diesen Betrag bestätigt und eine höhere Kostenfestsetzung abgelehnt hat, wendet sich der Pflichtverteidiger hiergegen mit seinem als Beschwerde bezeichneten Rechtsmittel vom 02. Dezember 2004.
Ob für das aus dem Vergütungsfestsetzungsverfahren hervorgegangene vorliegende Beschwerdeverfahren die Verfahrensvorschriften der neuen §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 bis 8 RVG maßgeblich sind oder die - wesensgleiche - Vorschrift des § 98 Abs. 3 BRAGO, kann letztlich dahinstehen, weil in jedem Fall dasselbe Ergebnis erreicht würde (vgl. hierzu auch Senatsbeschluss vom 03. Februar 2005 in 2 Ws 306/04).
In beiden Fällen wäre das am 02. Dezember 2004 eingegangene Rechtsmittel als sofortige Beschwerde rechtzeitig und somit in zulässiger Weise eingelegt, da eine Zustellung des angefochtenen Beschlusses nicht angeordnet und auch nicht erfolgt ist, so dass bei Eingang der sofortigen Beschwerde die Frist noch nicht abgelaufen war.
Unabhängig davon, welche Verfahrensvorschriften maßgeblich sind, richtet sich die Vergütung des Pflichtverteidigers gem. Art. 6 des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (KostRMoG) vom 05. Mai 2004 in Verbindung mit § 61 Abs. 1 S. 1 RVG materiell nach dem vor dem 01. Juli 2004 geltenden Kostenrecht - also der BRAGO -, da die Beiordnung in diesem Verfahren bereits im November 2003 erfolgt ist.
Die zulässige Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
Hierzu hat der Vertreter der Staatskasse u. a. wie folgt Stellung genommen:
Wie die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Bochum in ihrer Stellungnahme vom 11.08.2004 (Kostenheft Teil VI Bl. 44 f.) zutreffend ausführt, erhält der Rechtsanwalt, der im Revisionsverfahren nur außerhalb der Hauptverhandlung oder in einem Revisionsverfahren, in dem eine Hauptverhandlung nicht stattfindet, tätig wird, lediglich die Hälfte der Gebühr gem. § 86 Abs. 1 BRAGO. Der gerichtlich bestellte Verteidiger erhält die Gebühren gemäß § 97 BRAGO. Da sich der Angeklagte nicht auf freiem Fuß befand, erhält der Verteidiger gem. §§ 97 Abs. 1 S. 1 und 3, 86 Abs. 1 und 3 BRAGO das Fünffache der hälftigen Mindestgebühr.
Rechtsanwalt B. wurde mit Beschluss vom 17.11.2003 zum Pflichtverteidiger für den Angeklagten XXXXXX bestellt. Die Bestellung erstreckt sich, da sie nicht beschränkt war, - unstreitig - auch auf die Einlegung der Revision und auf das Revisionsverfahren, allerdings nicht auf die Revisionsverhandlung (Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., Rdnr. 8, 9 zu § 140 StPO).
Gegen das Urteil vom 28.04.2004 hat der Beschwerdeführer für den Angeklagten mit Schreiben vom 29.04.2004 (Kostenheft Teil VI Bl. 26/27) Revision eingelegt, die er mit Schreiben vom 16.06.2004 (Kostenheft Teil VI Bl. 29/30/31) zurückgenommen hat, ohne dass bis zu diesem Zeitpunkt terminiert worden war. Die Rücknahme ging zwar später als die durch den Mitverteidiger Röttgering abgegebene Rücknahmeerklärung beim Landgericht ein (vgl. Bl. 28, 30 Kostenheft Teil VI). Aus den Rücknahmeschreiben ergibt sich aber die wechselseitige Absprache der Rechtsanwälte. Der Beschwerdeführer ist im Revisionsverfahren somit durch Einlegung und Rücknahme der Revision sowie die vor der Rücknahme erfolgten Rücksprachen tätig geworden. Die Einlegung der Revision bei dem Gericht desselben Rechtszugs wird noch durch die Gebühren des § 83 BRAGO abgegolten (Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 15. Aufl., Rdnr. 2 zu § 87). Durch die weiteren Tätigkeiten hat Rechtsanwalt B. jedoch gemäß §§ 97 Abs. 1 Satz 1 und 2, 86 Abs. 3 BRAGO die Hälfte des Fünffachen der Mindestgebühr des § 86 Abs. 1 BRAGO verdient.
Diese Gebühr hat sich durch die Rücknahme des Rechtsmittels auch nicht in entsprechender Anwendung des § 84 Abs. 2 BRAGO verdoppelt. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Kommentierung Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 15. Aufl., Rdnr. 6 zu § 86 BRAGO in Verbindung mit RdNr. 5 zu § 85 ist irreführend. Der Verweis bezieht sich nur auf den ersten Teil der RdNr. 5 (Tätigkeiten außerhalb der Hauptverhandlung). Für die Fälle der vorliegenden Art ist in Anm. 6 zu § 86 BRAGO gerade zwei Absätze weiter ausgeführt, dass der Verteidiger nur die halbe Revisionsgebühr verdient, wenn er die eingelegte Revision zurücknimmt. Das entspricht meines Erachtens auch der ganz h.M. im Schrifttum (s.a. Hansens, BRAGO, 8. Aufl., Rdnr. 3 zu § 86; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO Kommentar, 8. Auflage, Rdnr. 11 zu § 86). Dass eine analoge Anwendung der §§ 85 Abs. 4, 84 Abs. 2 BRAGO nicht in Frage kommt, hat das OLG Zweibrücken im Beschluss vom 27.01.2004 (Rpfleger 2004, 375) überzeugend dargelegt. Danach ist ein Ausschluss dieser Bestimmungen durch die Besonderheiten des Revisionsverfahrens gerechtfertigt, in dem eine Hauptverhandlung nicht zwingend vorgeschrieben ist und in der Praxis die Ausnahme darstellt, so dass es an der Kausalität zwischen Rücknahme der Revision und Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung fehlt.
Ob etwas anderes gilt, wenn ausnahmsweise eine Hauptverhandlung anberaumt war und diese unter Mitwirkung des Verteidigers durch eine Rücknahme der Revision entbehrlich geworden ist (vgl. Anwaltskommentar Gebauer/Schneider, BRAGO, Rdnr. 8 zu § 86 m.w.N.), kann hier offen bleiben. Da in dem vorliegenden Verfahren keine Hauptverhandlung anberaumt war, kommt auch danach letztlich keine Gebührenerhöhung in Betracht.
Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei und verweist ergänzend nochmals auf die bereits zutreffend zitierte Entscheidung des OLG Zweibrücken in Rpfleger 2004, 375 = VRS 106, 311 = DAR 2004, 479.
Die Beschwerde war daher als unbegründet zu verwerfen.
Das Verfahren über die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 98 Abs. 4 BRAGO bzw. § 56 Abs. 2 RVG).
Soweit der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 07. Dezember
2004 einen Pauschvergütungsantrag gestellt hat, wird darüber
gesondert entschieden werden.
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