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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 Ss 38/05 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Eine Beschränkung der Revision auf die Frage der Strafaussetzung ist unwirksam, wenn sich aufgrund einer inneren Abhängigkeit die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung nicht von der Strafzumessung trennen lässt.2
2. Die Bindungswirkung, die bei einer Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch zu beachten ist, umfasst nicht nur alle jene Umstände der Sachverhaltsdarstellung, in denen die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftat(en) gefunden werden; vielmehr nehmen auch die Bestand-teile der Sachverhaltsschilderung als den Schuldspruch tragend an der innerprozes-sualen Bindungswirkung teil, die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben, insbesondere Umstände schildern, die der Tataus-führung das entscheidende Gepräge geben und das Maß der Pflichtwidrigkeit kenn-zeichnen. Hierzu gehören auch die Feststellungen des ersten Tatrichters zur Frage, ob und inwieweit Dritte an dem Tatgeschehen beteiligt waren.
3. Zur Strafzumessung und zur Strafaussetzung zur Bewährung bei gefährlicher Körperverletzung

Senat: 1

Gegenstand: Revision

Stichworte: Berufung; Beschränkung; Wirksamkeit; Bindungswirkung; Strafaussetzung zur Bewährung

Normen: StPO 318, StGB 56

Beschluss: Urteil
1 Ss 38/05 OLG Hamm Verkündet am 1. 6. 2005
Ns 241 Js 326/03 14 XII M 26/03 LG Dortmund K., Justizangestellte
241 Js 326/03 StA Dortmund als Urkundsbeamter der Geschäfts-

  1. stelle des Oberlandesgerichts
  2. Strafsache
gegen M.M.,
wegengefährlicher Körperverletzung.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Dortmund gegen das Urteil der XII. kleinen Strafkammer des Landgerichts Dortmund vom 29. April 2004 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm in der Sitzung vom 1. 6. 2005, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht
als Vorsitzender,
Richter am Oberlandesgericht und Richter am Oberlandesgericht als beisitzende Richter
Oberstaatsanwältin als Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für R e c h t erkannt:

Das angefochtene Urteil wird mit den darin zum Rechtsfolgenausspruch getroffenen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Hamm verurteilte den Angeklagten mit Urteil vom 9. Juli 2003 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung ein, die er auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte.

Mit dem angefochtenen Urteil vom 29. April 2004 hat die XII. kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund die Berufung des Angeklagten mit der Maßgabe verworfen, dass die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Kammer ist von der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung ausgegangen und hat auf folgende Feststellungen in dem amtsgerichtlichen Urteil Bezug genommen:

„In der Nacht zum 15.09.2002 feierte der Angeklagte M. gemeinsam mit dem Angeklagten G. und anderen Personen in der Gaststätte Ch. in Hamm seinen Geburtstag . Als der Angeklagte M. den Zeugen R. bemerkte, sagte er zu dem Angeklagten G., dass der Zeuge R. die Person sei, die einige Zeit zuvor das Auto des Angeklagten G. aufgebrochen habe. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Behauptung den Tatsachen entspricht. Der Angeklagte G. begab sich zu dem Zeugen R. und fragte ihn nach seinem Namen. Unmittelbar darauf versetzte er dem Zeugen einen Kopfstoß und mehrere Faustschläge in das Gesicht. Die Auseinandersetzung wurde von Türstehern der Gaststätte beendet und der Zeuge R. begab sich schwer angeschlagen vor die Gaststätte auf die Südstraße in Hamm. Dort sackte er zu Boden. Der Angeklagte M. hatte sich ebenfalls aus der Gaststätte begeben und beugte sich zu dem Zeugen R. herunter. Es kam zu einem kurzen Wortwechsel, dessen genauer Inhalt nicht mehr festgestellt werden konnte. Jedenfalls trat der Angeklagte M. unmittelbar darauf dem Zeugen R. dreimal mit voller Wucht mit dem beschuhten Fuß in das Gesicht. Der Zeuge R. wurde ohnmächtig. Er wachte am nächsten Morgen im Krankenhaus auf. Seine Lippen waren geschwollen, die Unterlippe war aufgeplatzt. Drei Zähne des Zeugen im Oberkiefer waren abgebrochen und das Nasenbein gebrochen. Weiterhin erlitt der Zeuge ein blaues Auge. Infolge seiner Verletzungen war eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich. Die Tat hatte sich am frühen Morgen des 15.09.2002 gegen 1.15 Uhr ereignet. Eine beim Angeklagten M. um 2.00 Uhr am 15.09.2002 entnommene Blutprobe hat eine Blutalkoholkonzentration von 1,59 ‰ ergeben. Es ist dabei auszuschließen, dass der Angeklagte M. zwischen der Tat und der Blutentnahme noch weiterhin Alkohol zu sich genommen hat.

...

Soweit der Angeklagte M. angibt, er habe nur in Richtung des Oberkörpers des Zeugen R. getreten, ist er durch die Angaben der unbeteiligten Zeugen Rh. und K. überführt. Diese Zeugen waren die einzigen Zeugen, die verläßliche Angaben zu den Vorfällen außerhalb des Lokals Ch. machen konnten. Beide haben übereinstimmend angegeben, dass der Angeklagte gezielt und mit voller Wucht gegen den Kopf des Zeugen R. getreten hat. Dies sei dreimal geschehen. Der Zeuge Rh. gab dabei an, die Tritte seien so erfolgt, „als wenn man nach einem Fußball trete“. Dies bestätigte auch der Zeuge K.. Der Zeuge K. ist Pfleger im Intensivbereich. Er gab an, dass er noch nie eine derartig brutale Körperverletzung gesehen habe. Der Angeklagte M. habe den Zeugen derart fest ins Gesicht getreten, dass das Blut gespritzt sei. Der Zeuge R. sei zwar auch schon vor den Tritten verletzt gewesen, die Verletzungen seien nach den Tritten aber ungleich schwerer gewesen.

...

Der Angeklagte M. hat sich wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2, 4 und Nr. 5 StGB strafbar gemacht. Der Angeklagte M. handelte unter Ausnutzung des vorangegangenen Tatbeitrags des Angeklagten G. und damit gemeinschaftlich bei der Begehung der Körperverletzung. Weiterhin hat der Angeklagte M. die Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs, nämlich seines Schuhs begangen. Der Angeklagte hat zwar angegeben, lediglich feste Turnschuhe getragen zu haben. Auch feste Turnschuhe stellen jedoch gefährliche Werkzeuge dar, wenn mit ihnen in Fußballermanier gegen den Kopf des Opfers getreten wird. Entscheidendes Kriterium dabei ist, dass der Angeklagte die Tritte in der Form und Heftigkeit nicht hätte ausführen können, wenn er keine Schuhe getragen hätte. Weiterhin dürfte der Fall einer das Leben gefährdenden Behandlung vorliegen. Der Angeklagte handelte rechtswidrig und schuldhaft.“

Über diese ausdrücklich in Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts hinaus hat die Strafkammer ergänzend festgestellt, dass der Angeklagte zu Beginn der Auseinandersetzung vor der Gaststätte zunächst den Nebenkläger aus dem Einwirkungsbereich des früheren Mitangeklagten G. weggezogen hat, um diesen zu schützen, wobei völlig unklar geblieben ist, warum der Angeklagte dann im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung dennoch gegen den Nebenkläger selbst tätlich wurde. Weiter hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte am
25. Juli 2003 die Forderungen des Nebenklägers dem GR. nach anerkannt und bislang seit dem 31. Juli 2003 die Schmerzensgeldzahlungen an den Nebenkläger R. aufgenommen und seitdem insgesamt 650,- € an Schmerzensgeld gezahlt hat.

Im Rahmen ihrer Strafzumessungserwägungen hat die Kammer strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte, der bereits durch ein einschlägiges Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 3. Mai 2002 wegen einer vergleichbaren, ähnlichen Tat vorgewarnt gewesen sei, die „ganz abscheuliche und menschenverachtende Tat mit äußerster Brutalität begangen“ habe. Zu Lasten des Angeklagten wirkten sich auch die erheblichen Verletzungsfolgen bei dem Nebenkläger sowie die erhebliche Rückfallgeschwindigkeit aus. Im Rahmen ihrer Erwägungen, welche Gesichtspunkte für den Angeklagten sprechen, hat die Kammer Folgendes ausgeführt:

„Auf der anderen Seite musste strafmildernd berücksichtigt werden, dass der Angeklagte die Tat in vollem Umfang eingeräumt hat und glaubhaft bereut. Er hat es insoweit auch nicht nur bei Worten bewenden lassen, sondern hat seine Reue in die Tat umgesetzt, indem er am 25.07.2003 seine Schadensersatzverpflichtung gegenüber dem Nebenkläger dem GR. nach anerkannt hat und inzwischen auch ein Schmerzensgeld in Höhe von 650,- € an diesen in verschiedenen Monatsraten gezahlt hat. Strafmildernd konnte auch gewertet werden, dass der Angeklagte den Nebenkläger zunächst vor dem früheren Mitangeklagten G. „gerettet“ und aus dessen Einwirkungsbereich weggezogen hat, was darauf hindeutet, dass er ihm ursprünglich helfen wollte. Wieso es dann dennoch zur Ausführung der hier in Rede stehenden Straftat durch den Angeklagten selbst kam, ist letztlich im Unklaren geblieben. Die Kammer geht davon aus, dass insoweit letztlich die Alkoholisierung des Angeklagten eine bedeutende Rolle gespielt hat. Die Kammer hat die beträchtliche Alkoholisierung des Angeklagten strafmildernd gewertet, wenn auch die Voraussetzungen des §§ 20 und 21 StGB nicht festgestellt werden konnten.“

Das Landgericht hat die Vollstreckung der für tat- und schuldangemessen erachteten Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten unter Bejahung besonderer Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt. Zur Begründung ist in dem landgerichtlichen Urteil u.a. Folgendes ausgeführt:

„Für sich genommen ergeben sich aus dem eigentlichen unmittelbaren brutalen Tatverhalten des Angeklagten keine Gründe, die das Vorliegen „besonderer Umstände“ ... als gegeben erscheinen lassen. Berücksichtigt man jedoch zusätzlich den Aspekt, dass der Angeklagte zunächst dem Nebenkläger geholfen hat und diesen aus dem Einwirkungsbereich des früheren Mitangeklagten weggezogen hat und die Enthemmung des Angeklagten in Folge des zuvor genossenen Alkohols, so relativiert sich bereits das Gesamterscheinungsbild der Tat. Berücksichtigt man weiterhin, dass letztlich nicht klar festgestellt werden kann, welche Verletzungsfolgen auf das Verhalten des früheren Mitangeklagten G. und welche Verletzungsfolgen auf das Verhalten des Angeklagten zurückzuführen sind, so tritt eine weitere Relativierung ein. Berücksichtigt man aber dann zusätzlich das Verhalten des Angeklagten nach der erstinstanzlichen Hauptverhandlung im Hinblick auf Schadenswiedergutmachung und nachhaltiger Arbeit an seinem Alkohol- und Aggressionsproblem, so ergeben sich gewichtige Gründe in der Täterpersönlichkeit des Angeklagten, die es im Rahmen der bei § 56 Abs. 2 StGB gebotenen Gesamtwürdigung gerechtfertigt erscheinen lassen, trotz des erheblichen Unrechts- und Schuldgehalts der Tat, der sich in der Strafhöhe wiederspiegelt, eine Strafaussetzung zur Bewährung zu bewilligen. Das Zusammentreffen der Geständnisbereitschaft des Angeklagten, der in die Tat umgesetzten Bereitschaft zur Schadenswiedergutmachung durch den Angeklagten, der Bereitschaft des Angeklagten, an sich zu arbeiten, sein Alkoholproblem nachhaltig zu bekämpfen und insoweit ärztliche und fachkundige Hilfe von Sozialarbeitern zu suchen, seine Bereitschaft, seine Aggressionsproblematik zu bekämpfen und sich insoweit der fachkundigen Beratung des Sozialarbeiters Möller anzuvertrauen und seine Bereitschaft, sich aus seinem früheren schädlichen Bekanntenkreis zu lösen und einen neuen Bekanntenkreis aufzubauen, all diese von dem Angeklagten - wenn auch recht spät - in die Tat umgesetzten Erkenntnisse beweisen, dass der Angeklagte derzeit nicht mehr der Mensch mit der Persönlichkeit ist, der die hier in Rede stehende Straftat begangen hat, sondern dass es zu einer positiven Änderung und Stabilisierung der Lebensverhältnisse und der gesamten Täterpersönlichkeit im positiven Sinne gekommen ist. Insbesondere der Aspekt der geleisteten Schadenswiedergutmachung ist vom Gesetzgeber in § 56 Abs. 2 StGB als besonderer wichtiger Umstand i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB aufgeführt worden. Die Kammer stellt dem Angeklagten unter Berücksichtigung aller aufgeführten Gesichtspunkte derzeit angesichts seiner Bemühungen und Erfolge eine günstige Zukunftsprognose. ...“

Gegen dieses Berufungsurteil hat die Staatsanwaltschaft Dortmund rechtzeitig Revision eingelegt, die sie auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt und mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die Revisionsbegründungsschrift der örtlichen Staatsanwaltschaft vom 12. Juli 2004 verwiesen.

Die Generalstaatsanwaltschaft ist dem Rechtsmittel und dessen Begründung mit ergänzenden rechtlichen Ausführungen beigetreten und hat beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugR. liegenden Feststellungen
hinsichtlich der gewährten Strafaussetzung zur Bewährung aufzuheben und die Sache insoweit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückzuverweisen.

II.
Die zulässige Revision der Staatsanwaltschaft hat in der Sache einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den darin getroffenen Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund.

1. Die vom Revisionsgericht von Amts wegen vorzunehmende Prüfung, ob der Angeklagte seine Berufung gemäß § 318 StPO wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat, führt zu dem Ergebnis, dass das Landgericht zutreffend von der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung ausgegangen ist. Die Tatfeststellungen des amtsgerichtlichen Urteils bilden eine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung. Die Feststellungen des Amtsgerichts tragen insbesondere den Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 StGB. Die heftigen Tritte mit dem beschuhten Fuß gegen den Kopf des Nebenklägers stellen eine vorsätzliche Körperverletzung dar, die sowohl mittels eines (anderen) gefährlichen Werkzeugs (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) als auch mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs.1 Nr. 5 StGB) begangen wurde. Der Umstand, dass das Amtsgericht keine näheren Feststellungen dazu getroffen hat, welche der festgestellten Verletzungsfolgen beim Nebenkläger den vorausgegangenen körperlichen Misshandlungen seitens des früheren Mitangeklagten G. und welche den nachfolgenden Fußtritten des Angeklagten zuzuordnen sind, führt nicht zur Unwirksamkeit der Berufungsbeschränkung. Das Landgericht war nämlich nicht gehindert, im Rahmen seiner Rechtsfolgenentscheidung insoweit ergänzende, nicht im Widerspruch zu dem amtsgerichtlichen Urteil stehende Feststellungen zu treffen.

2. Die Beschränkung der Revision auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung ist dagegen unwirksam, so dass der in dem angefochtenen Urteil enthaltene Rechtsfolgenausspruch insgesamt der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt. Die Beschränkung der Revision auf die Strafaussetzungsfrage ist deshalb unwirksam, weil sich im vorliegenden Fall aufgrund einer inneren Abhängigkeit die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung nicht von der Strafzumessung trennen lässt (vgl. BGHSt 24, 164; NJW 1983, 1624; BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 1; Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 318 Rdnr. 20 und § 344 Rdnr. 7 c; OLG Hamm, Urteil vom 10. Juli 2002 - 3 Ss 408/02 -). Maßgebend ist insoweit, ob eine wechselseitige Beeinflussung der Aussetzungsfrage und der Frage der Strafzumessung ausgeschlossen werden kann (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10. Juli 2002 3 Ss 408/02 -; Löwe/Rosenberg-Hanack, StPO, 25. Aufl., § 344 Rdnr. 15, 41). Dies ist hier nicht der Fall, da das Landgericht seine Entscheidung, die gegen den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen, auf als „besondere Umstände“ i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB gewertete Gesichtspunkte gestützt hat, die gleichzeitig im Rahmen der Strafzumessungserwägungen der Kammer strafmildernd berücksichtigt worden sind. Es handelt sich dabei um die „Hilfeleistung“ des Angeklagten, der den Nebenkläger nach den Feststellungen des Landgerichts zunächst aus dem Einwirkungsbereich des früheren Mitangeklagten G. weggezogen hat, die alkoholbedingte Enthemmung des Angeklagten, die geleisteten Schmerzensgeldzahlungen sowie die von der Kammer positiv bewertete Geständnisbereitschaft des Angeklagten.

3. Das angefochtene Urteil, das sich im Hinblick auf die wirksame Berufungsbeschränkung zu Recht nur über den Rechtsfolgenausspruch verhält, hält der revisionsgerichtlichen Überprüfung nicht Stand. Die Erwägungen der Strafkammer zum Strafausspruch sind sowohl hinsichtlich der Strafzumessung als auch in Bezug auf die bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung mit Rechtsfehlern behaftet, auf denen das Urteil der Kammer beruht.

a) Die Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Urteils ergibt sich bereits daraus, dass das Berufungsgericht seiner Entscheidung über den Rechtsfolgenausspruch eine - ergänzend getroffene - Feststellung zugR. gelegt hat, die im Widerspruch zu den den Schuldspruch tragenden Feststellungen des Amtsgerichts steht. Das Landgericht hat damit die sich aus der wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ergebende Bindungswirkung (vgl. § 327 StPO) nicht hinreichend beachtet, was vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen war (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 318 Rdnr. 31 und § 327 Rdnr. 9; BayObLG NStZ 2000, 275). Indem das Landgericht ergänzend festgestellt hat, dass der Angeklagte zu Beginn der Auseinandersetzung vor der Gaststätte zunächst den Nebenkläger aus dem Einwirkungsbereich des früheren Mitangeklagten G. weggezogen habe, um diesen zu schützen, hat es - aufgrund der durchgeführten Berufungshauptverhandlung - Erkenntnisse gewonnen und berücksichtigt, die im Widerspruch zu den den Schuldspruch tragenden und damit bindenden Feststellungen des Amtsgerichts stehen. Bei einer (wirksam) auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Berufung darf das Berufungsgericht zur Schuldfrage zwar zusätzliche, aber keine ab-weichenden Feststellungen, die denen des Erstgerichts widersprechen, treffen, da die für den Schuld- und Strafausspruch maßgebenden Tatsachen ein einheitliches, widerspruchsfreies Ganzes bilden müssen (vgl. BGHSt 10, 71; 24, 274; 30, 340; BayObLG a.a.O.; Meyer-Goßner, § 327 Rdnr. 6). Die sich aus dem Widerspruchsver-bot ergebende Bindungswirkung, die bei einer Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch zu beachten ist, umfasst nicht nur alle jene Umstände der Sachverhaltsdarstellung, in denen die gesetzlichen Merkmale der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftat(en) gefunden werden; vielmehr nehmen auch die Bestand-teile der Sachverhaltsschilderung als den Schuldspruch tragend an der innerprozes-sualen Bindungswirkung teil, die das Tatgeschehen im Sinne eines geschichtlichen Vorgangs näher beschreiben, insbesondere Umstände schildern, die der Tataus-führung das entscheidende Gepräge geben und das Maß der Pflichtwidrigkeit kenn-zeichnen (vgl. BGHSt 24, 274; 30, 340; BayObLG und Meyer-Goßner jeweils a.a.O.). Hierzu gehören auch die Feststellungen des ersten Tatrichters zur Frage, ob und inwieweit Dritte an dem Tatgeschehen beteiligt waren (vgl. BGHSt 30, 340, 344). Die „ergänzende Feststellung“ des Berufungsgerichts, dass der Angeklagte zu Beginn der Auseinandersetzung vor der Gaststätte den Nebenkläger zunächst zum Schutz vor weiteren Übergriffen des früheren Mitangeklagten G. aus dessen Einwirkungs-bereich weggezogen hat, ist mit den das Geschehen in und vor der Gaststätte näher beschreibenden und prägenden Tatumständen, wie sie das Amtsgericht in seiner Sachverhaltsdarstellung festgestellt hat, nicht in Einklang zu bringen. Nach den Fest-stellungen des Amtsgerichts befanden sich der frühere Mitangeklagte G., der An-geklagte sowie der Nebenkläger zunächst in der Gaststätte „Cheyenne“, wo Letzterer von dem früheren Mitangeklagten G. durch einen Kopfstoß und mehrere Faust-schläge ins Gesicht körperlich misshandelt wurde. Nach Beendigung dieser Ausein-andersetzung durch den Türsteher der Gaststätte begaben sich der Nebenkläger R. und der Angeklagte vor die Gaststätte, wo der Nebenkläger zu Boden sackte, bevor sich der Angeklagte zu diesem hinunterbeugte und ihm - nach einem kurzen Wortwechsel - drei wuchtige Tritte mit dem beschuhten Fuß in das Gesicht versetzte. Aus dieser in sich geschlossenen Sachverhaltsdarstellung in dem amtsgerichtlichen Urteil ergibt sich, dass der Angriff des früheren Mitangeklagten G. auf den Neben-kläger spätestens zu dem Zeitpunkt beendet war, als der Nebenkläger die Gaststätte - und damit den Einwirkungsbereich des früheren Mitangeklagten G. - verließ. Den amtsgerichtlichen Feststellungen ist weiter zu entnehmen, dass an dem weiteren tatrelevanten Geschehensablauf, der sich außerhalb der Gaststätte ereignete, ledig-lich der Angeklagte und der Nebenkläger (nur diese beiden Personen verließen nach den amtsgerichtlichen Feststellungen die Gaststätte), nicht aber auch der frühere Mitangeklagte G. beteiligt waren, wobei der Angeklagte als (Allein-)Täter der mittels der Fußtritte begangenen gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil des Neben-klägers in Erscheinung trat. Auf der Grundlage der amtsgerichtlichen Feststellungen befand sich der Nebenkläger nach Verlassen der Gaststätte gerade nicht mehr im „Einwirkungsbereich“ des früheren Mitangeklagten G.. Dem widerspricht die in der Berufungshauptverhandlung aufgrund der Angaben des Angeklagten gewonnene Erkenntnis der Strafkammer, dieser habe den Nebenkläger zu Beginn der Auseinandersetzung vor der Gaststätte zu Schutzzwecken aus dem Einwirkungsbereich G.s weggezogen.

Das landgerichtliche Urteil beruht auch auf dem festgestellten Verstoß gegen die Bindungswirkung des nur beschränkt angefochtenen amtsgerichtlichen Urteils. Das Berufungsgericht hat die - verfahrensfehlerhaft - festgestellte Hilfeleistung des Angeklagten zum einen im Rahmen der Strafzumessung strafmildernd berücksichtigt und zum anderen bei der Frage, ob nach der gemäß § 56 Abs. 2 StGB vorzunehmenden Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit besondere Umstände vorliegen, zugunsten des Angeklagten gewertet.

Bereits diese Gesetzesverletzung führt deshalb zur Aufhebung des angefochtenen Berufungsurteils.

b) Die Strafzumessungserwägungen der Kammer sind auch im Übrigen nicht rechtsfehlerfrei.

So lassen die Strafzumessungserwägungen jegliche Erörterung und Prüfung der Frage eines minder schweren Falles gemäß § 224 Abs. 1 2. Alt. StGB vermissen. Wenn, wie vorliegend, der anzuwendende Straftatbestand die Möglichkeit eines minder schweren Falles vorsieht, so ist zu Beginn der Strafzumessungserwägungen zu prüfen und zu erörtern, ob vom Normal- oder vom Ausnahmestrafrahmen auszugehen ist (vgl. BGH NStZ 1983, 407; OLG Hamm, Beschluss vom 11. Mai 2000 - 4 Ss 325/00 -). Auch wenn die Annahme eines minder schweren Falles vorliegend angesichts der Brutalität der Körperverletzungshandlungen des Angeklagten, der schwerwiegenden Verletzungsfolgen beim Opfer und der einschlägigen, wenn auch zum Zeitpunkt der Tatbegehung noch nicht rechtskräftigen Vorbelastung des Angeklagten eher fernliegend erscheint, müssen die Strafzumessungserwägungen für das Revisionsgericht erkennbar machen, ob der Tatrichter bei der Strafbemessung von einem zutreffenden Strafrahmen ausgegangen ist. Eine solche Nachprüfung ist dem Senat vorliegend aufgrund der Nichterörterung der Frage eines minder schweren Falles gemäß § 224 Abs. 1 2. Alt. StGB verwehrt.

Auch die Strafzumessungserwägungen der Kammer im engeren Sinne sind nicht frei von Rechtsfehlern. So hat die Kammer „die beträchtliche Alkoholisierung des Angeklagten strafmildernd gewertet“. Dabei hat das Landgericht verkannt, dass der relativ hohe Alkoholisierungsgrad von 1,59 ‰ nach den zugR. liegenden Feststellungen auf selbstverschuldetem übermäßigen Alkoholgenuss des Angeklagten beruhte, wobei dem Angeklagten spätestens seit dem Vorfall vom 19. August 2000, der zu seiner Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung durch das Amtsgericht Hamm am 3. Mai 2002 im Verfahren 10 Ds 242 Js 211/00 führte, bewusst war, dass er unter Alkoholeinfluss zu aggressivem Verhalten, insbesondere auch zu Körperverletzungs-handlungen neigt. In einem solchen Fall scheidet selbst bei einer alkoholbedingten erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit i.S.d. § 21 StGB eine Strafrahmenver-schiebung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB nach der Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs aus (vgl. BGH EBE 2004, 316; StV 2004, 651; Tröndle/Fischer, 52. Aufl., § 21 Rdnr. 25). Besteht aber bei selbstverschuldetem Rauschzustand und Vorhersehbarkeit der Straftatbegehung für eine Strafrahmenmilderung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB in der Regel kein Anlass, so verbietet sich auch eine strafmildernde Berücksichtigung der alkoholbedingten Enthemmung bei der Strafzumessung im engeren Sinne gemäß § 46 Abs. 2 StGB und zwar unabhängig davon, ob der Grad der Alkoholisierung die Schwelle des § 21 StGB erreicht.

Rechtsbedenklich sind auch die Ausführungen, mit denen das Landgericht dem Geständnis des Angeklagten strafmildernde Bedeutung beigemessen hat. Zwar kann ein vom Angeklagten abgelegtes Geständnis im Rahmen des § 46 Abs. 2 StGB straf-mildernd berücksichtigt werden. Allerdings hat ein solches Geständnis lediglich ge-ringes Gewicht, wenn es nur aus prozesstaktischen Gründen abgelegt wird oder Leugnen ganz aussichtslos wäre oder wenn es sich nur auf Tatsachen erstreckt, die anderweitig bewiesen sind (vgl. Tröndle/Fischer, § 46 Rdnr. 50). Die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil lassen besorgen, dass die Kammer dem Geständnis des Angeklagten ein zu großes Gewicht beigemessen hat. Das Berufungsgericht stellt heraus, dass der Angeklagte die Tat in vollem Umfang eingeräumt habe und berücksichtigt dies strafmildernd, ohne jedoch auf den Umstand einzugehen, dass der Angeklagte in erster Instanz noch behauptet hatte, nicht gegen den Kopf, sondern „nur“ in Richtung des Oberkörpers des Zeugen und Nebenklägers R. getreten zu haben. Diese vom festgestellten Sachverhalt abweichende Sachverhaltsdarstellung des Angeklagten in erster Instanz sah das Amtsgericht jedoch aufgrund der Angaben der vernommenen Zeugen Rh. und K. als widerlegt an. Nachdem der Angeklagte seine zunächst unbeschränkte Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil nachträglich wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hatte, gab es, was den vom Amtsgericht festgestellten Tathergang betrifft, in der Berufungshauptverhandlung nichts mehr „zu gestehen“. Der Sache nach ist das vom Landgericht strafmildernd berücksichtigte „Geständnis“ des Angeklagten nichts anderes als die Anerkennung des vornehmlich auf Zeugenaussagen beruhenden und durch nachträgliche Beschränkung der Berufung rechtskräftig gewordenen Schuldspruchs in dem amtsgerichtlichen Urteil. Ein solches Verhalten eines Angeklagten wirkt sich aber, was die Kammer möglicherweise verkannt hat, im Rahmen der Strafzumessung nicht so positiv aus wie ein bereits im erstinstanzlichen Verfahren abgegebenes, uneingeschränktes Geständnis.

c) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet das angefochtene Urteil schließlich auch hinsichtlich der bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Entscheidung über die Strafaussetzung grundsätzlich Sache des Tatrichters ist. Das gilt sowohl für die Annahme einer günstigen Sozialprognose i.S.v. § 56 Abs. 1 StGB als auch für die Gesamtbeurteilung der in der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten liegenden Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB. Die hierauf bezogene Würdigung des Tatrichters ist vom Revisionsgericht im Zweifel bis an die Grenze des Vertretbaren hinzunehmen. Die revisionsgerichtliche Überprüfung beschränkt sich auf Rechts- und Ermessensfehler (vgl. Tröndle/Fischer, § 56 Rdnr. 25; OLG Hamm, Urteil vom 7. November 2001 - 5 Ss 776/01 -; Urteil vom 1. Dezember 1999 - 4 Ss 618/99 -). Allerdings enthebt dieses Ermessen den Tatrichter nicht von der Verpflichtung, Ausführungen im Urteil niederzulegen, die dem Revisionsgericht eine Überprüfung dahingehend ermöglichen, ob er bei der Prognoseentscheidung (§ 56 Abs. 1 StGB) und, soweit erforderlich, bei der Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten (§ 56 Abs. 2 StGB) sämtliche relevanten Gesichtspunkte berücksichtigt hat (BGH NStZ 1994, 336; NJW 1995, 1038; OLG Hamm, a.a.O.).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Zum einen hat es die Kammer rechtsfehlerhaft unterlassen, bei der Erörterung der positiven Sozialprognose i.S.d. § 56 Abs. 1 StGB auch den Umstand zu würdigen, dass der Angeklagte durch das festgestellte Verhalten vom 15. September 2002 als „Bewährungsversager“ in Erscheinung getreten ist. Der Angeklagte war nämlich, wie bereits erwähnt, am 3. Mai 2002 vom Amtsgericht Hamm wegen einer am 19. August 2002 begangenen gefährlichen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung für die Dauer von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden. Dieses Urteil ist zwar erst nach Begehung der im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Straftat rechtskräftig geworden, nämlich am 21. Oktober 2002 durch Rücknahme der Berufung des Angeklagten. Unter dem Gesichtspunkt des möglichen Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung sind aber Straftaten, die ein Verurteilter in der Bewährungszeit begeht, und solche, die in der Zeit zwischen der Entscheidung über die Strafaussetzung und deren Rechtskraft begangen werden, gemäß § 56 f Abs. 1 S. 2 StGB gleich zu behandeln. Nichts anderes kann für die im Rahmen des § 56 Abs. 1 StGB bedeutsame Frage gelten, ob trotz des „Bewährungsversagens“ im obigen Sinne eine (erneute) positive Sozialprognose gerechtfertigt ist.

Das „Bewährungsversagen“ des Angeklagten hätte zudem als wesentlicher Ge-sichtspunkt im Rahmen der gemäß § 56 Abs. 2 StGB gebotenen Gesamtwürdigung ausdrückliche Mitberücksichtigung finden müssen (vgl. BayObLG NStZ-RR 2004, 42). Insoweit sind die Ausführungen des Landgerichts zu § 56 Abs. 2 StGB lücken- und damit fehlerhaft. Die hierzu in dem angefochtenen Urteil vorgenommene Ge-samtwürdigung ist, wie bereits ausgeführt, auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Strafkammer unter Verstoß gegen die Bindungswirkung des amtsgerichtlichen Urteils eine vom Angeklagten zu Beginn der Auseinandersetzung vor der Gaststätte zugunsten des Nebenklägers erbrachte Hilfeleistung festgestellt und diese im Rahmen des § 56 Abs. 2 StGB zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt hat. Auch die alkoholbedingte Enthemmung des Angeklagten musste, da selbst verschuldet, im Gegensatz zur Auffassung des Landgerichts bei der Frage nach dem Vorliegen besonderer Umstände i.S.d. § 56 Abs. 2 StGB außer Betracht bleiben. Soweit die Straf-kammer im Rahmen der Gesamtwürdigung nach § 56 Abs. 2 StGB zudem auf die Geständnisbereitschaft des Angeklagten abgestellt hat, begegnet dies ebenfalls rechtlichen Bedenken. Insoweit wird, was das Gewicht des „Geständnisses“ betrifft, auf die obigen Ausführungen des Senats zur Strafzumessungsfrage, die im Anwendungsbereich des § 56 Abs. 2 StGB entsprechend gelten, verwiesen.

Im Rahmen ihrer Erwägungen zu § 56 Abs. 2 StGB hat die Strafkammer schließlich „relativierend berücksichtigt“, dass letztlich nicht klar festgestellt werden könne, welche Verletzungsfolgen auf das Verhalten des früheren Angeklagten G. und welche Verletzungsfolgen auf das Verhalten des Angeklagten zurückzuführen seien. Auch diese Erwägung begegnet rechtlichen Bedenken, da nicht ersichtlich ist, dass das Landgericht insoweit überhaupt den Versuch unternommen hat, die für die Strafzumessung und auch für die Gesamtwürdigung im Rahmen des § 56 Abs. 2 StGB bedeutsame Frage der Zurechenbarkeit der beim Nebenkläger eingetretenen Verletzungsfolgen zu klären. Zwar hatte auch das Amtsgericht hierzu keine näheren Feststellungen getroffen. Aufgrund der Berufungsbeschränkung und der sich daraus ergebenden Bindungswirkung war die Strafkammer jedoch nicht gehindert, hierzu ergänzend die gebotenen Feststellungen (soweit möglich) zu treffen. Die Gefahr eines Widerspruchs zu den insoweit lückenhaften amtsgerichtlichen Feststellungen bestand diesbezüglich nicht. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht durch weitere Beweiserhebungen nähere Feststellungen zu der Frage, welche Verletzungsfolgen dem früheren Mitangeklagten G. und welche dem Angeklagten zuzurechnen sind, hätte treffen können.

Schließlich hätte sich die Strafkammer mit der Frage befassen müssen, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe erfordert (§ 56 Abs. 3 StGB). Insoweit lässt das angefochtene Urteil jegliche Ausführungen vermissen. Eine Auseinandersetzung mit dieser Frage drängte sich vorliegend jedoch auf, weil der Angeklagte bereits einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten war und nur etwa vier Monate nach seiner Verurteilung durch das Amtsgericht Hamm am 3. Mai 2002 (die am 21. Oktober 2002 rechtskräftig wurde) erneut im alkoholisierten Zustand mehrfach mit dem beschuhten Fuß auf ein am Boden liegendes, wehrloses Opfer eingetreten hat. Das Berufungsgericht hätte daher auch bei Bejahung der Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 u. 2 StGB die von § 56 Abs. 3 StGB aufgeworfene Frage erörtern müssen, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafe gebietet. Dies wäre dann der Fall, wenn andernfalls eine ernstliche Gefährdung der rechtlichen Gesinnung der Bevölkerung als Folge schwindenden Vertrauens in die Funktion der Rechtspflege zu besorgen wäre. Eine solche Gefährdung ist nach der Rechtsprechung des BGH gegeben, wenn der bloße Strafausspruch ohne Vollstreckung von der Bevölkerung im Hinblick auf schwerwie-gende Besonderheiten des konkreten Einzelfalles als ungerechtfertigte Nachgiebig-keit und unsicheres Zurückweichen vor dem Verbrechen und damit als schlechthin unverständlich erscheinen müsste (vgl. BGHSt 24, 40, 46).

Nach alledem war das angefochtene Urteil mit den darin zum Rechtsfolgenausspruch getroffenen Feststellungen aufzuheben und die Sache gemäß § 354 Abs. 2 StPO zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichits Dortmund zurückzu-verweisen.




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