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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 Ss OWi 98/05 OLG Hamm

Leitsatz: Zum erforderlichen Umfang der Feststellungen bei einem Verstoß nach § 9 Abs. 12 Nr. 7 der Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße und mit Eisenbahnen (Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn -GGVSE)

Senat: 1

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Ladungssicherung; GefahrgutVO

Normen: GGVSE 10; GGVSE 9, Abs. 12 Nr. 7 GGVSE, § 10 Abs. 1 Nr.

Beschluss: Bußgeldsache
gegen B.R.
wegen Verstoßes gegen die Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn -GGVSE -.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Siegen vom 07. Dezember 2004 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 26. 05. 2005 durch den Richter am Oberlandesgericht Brauch als Einzelrichter gem. § 80 a OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahren - an das Amtsgericht Siegen zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen die Pflicht, die erforderliche Ausrüstung zur Ladungssicherung zur Verfügung zu stellen (Ordnungswidrigkeit gem. § 10 Nr. 16 e, § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE, § 10 Abs. 1 Nr. 1 Gefahrgutbeförderungsgesetz - GGBefG -) eine Geldbuße in Höhe von 325,00 € verhängt.

Hierzu hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:

„Der Betroffene... betreibt ein Transportunternehmen mit insgesamt 7 Fahrzeugen, wobei er als Subunternehmer eines Paketdienstes tätig ist. Die Beladung der Fahrzeuge übernehmen die Fahrer, die beim Betroffenen angestellt sind, weitgehend selbst. Die Fahrer erhielten auf Veranlassung des Betroffenen eine Schulung in Ladungssicherung.

Am 29.06.2004 gegen 09.20 Uhr befuhr der beim Betroffenen seinerzeit als Fahrer angestellte Zeuge N. die B 62 in Hilchenbach Altenteich. Er wurde dort von den Zeugen PHK Sch. und POK St. angehalten. Dabei wurde festgestellt, dass er einen Kanister, der Kaliumhydroxidlösung enthielt, geladen hatte. Dabei handelte es sich um Gefahrgut der Klasse 8 II ADR. Der Kanister fiel, als der Zeuge N. die hintere Laderaumtür öffnete, aus dem Laderaum und konnte vom Zeugen kurz vor dem Aufschlag auf die Straße aufgegangen werden. Der Kanister war von drei Seiten durch andere Pakete eingerahmt, zum Fahrzeugheck hin stand er unmittelbar an der Laderaumtür. Das Fahrzeug war voll beladen, der Kanister war Bestandteil der zuerst auszuliefernden Fracht. Er war weder durch eine Plastikbox noch durch Gurte gesichert.
Auf dem Lager des Betroffenen sind Ladungssicherungsmittel wie Gurte oder Plastikboxen vorhanden. Allerdings ist die Benutzung der Plastikboxen besonderen Transportgütern vorbehalten. Die Fahrer sind angewiesen, solche Boxen grundsätzlich nicht zu benutzen.
Das zum Vorfallzeitpunkt vom Zeugen N. benutzte Fahrzeug war 1 oder 2 Tage zuvor von der Fa. M.B. in Siegen angemietet worden, weil ein anderes der Fahrzeuge des Betroffenen einen Defekt hatte. Der Zeuge N. hatte auf Anweisung des Betroffenen dem Fahrer des defekten Fahrzeugs das sonst von ihm genutzte Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXXXXzur Verfügung gestellt und stattdessen das Mitfahrzeug übernommen. Im Fahrzeug XXXXXXXXX war ein Gurt zur Ladungssicherung vorhanden. Der Zeuge N. hatte den Betroffenen des öfteren wegen erfolglos wegen Haltegurten angesprochen. Im Mietfahrzeug befanden sich keine Sicherungsmittel.
Gegen den Zeugen N. wurde wegen des Vorfalls vom 29.06.04 ein Bußgeld in Höhe von 325,00 € verhängt.“

Zur Beweiswürdigung ist in dem Urteil folgendes ausgeführt:

„Diese Feststellungen beruhen auf den anschaulichen und glaubhaften Bekundungen der Zeugen Sch. und St. sowie des Zeugen N.. Insbesondere auch die Aussage des Zeugen N. wies keine einseitigen Belastungstendenzen auf und war in sich widerspruchsfrei. Er ist mittlerweile aus dem Unternehmen des Betroffenen ausgeschieden.

Der Betroffene hat sich dahin eingelassen, die Angaben des Zeugen N. seien Schutzbehauptungen. Dieser sei für die Ladungssicherung verantwortlich gewesen und hätte die entsprechenden Schulungen im Umgang mit Gefahrgut besucht. Der Zeuge habe die Möglichkeit und Verpflichtung gehabt, von sich aus für eine ausreichende Sicherung des Gefahrguts zu sorgen. Der Zeuge wolle ihn, weil das Arbeitsverhältnis im Unfrieden beendet worden sei, belasten.
Im übrigen sei eine hinreichende Ladungssicherung erfolgt, weil der Kanister vollständig durch die übrige Ladung eingerahmt und so fixiert gewesen sei, dass er nicht verrutschen oder umstürzen konnte, und dies nach 7.5.7.1 ADR ausreichend sei.“

Zur rechtlichen Würdigung und zur Bemessung der Höhe des verhängten Bußgeldes heißt es in dem angefochten Urteil:

„Zur Überzeugung des Gerichts steht aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme ein Verstoß des Betroffenen gegen seine Pflicht geeigneter Ladungssicherungsmittel zur Verfügung zu stellen aus § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE fest. Diese Pflicht besteht unabhängig von der Frage, ob im konkreten Fall die in Ziff. 7.5.7.1 ADR genannten Sicherungsmittel ausnahmsweise entbehrlich waren, weil das Fahrzeug voll beladen war. Die Sicherungsmittel müssen stets zur Verfügung gestellt werden. Aufgrund der Beweisaufnahme steht indes fest, dass der Betroffene dies nicht in hinreichendem Umfang tat, weil er die vorhandenen Plastikboxen regelmäßig nicht ohne weiteres zur Verfügung stellte und vor allem das als Ersatzfahrzeug angemietete Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XXXXXXXXX nicht mit Ladungssicherungsmitteln ausstattete. Entgegen der Ansicht des Betroffenen war es nicht Sache des Fahrers, der das von ihm überwiegend genutzte Fahrzeug einem Kollegen übergab, aus diesem evtl. vorhandene Sicherungsmittel zu entnehmen und für das Mietfahrzeug zu verwenden. Vielmehr war dies Sache des als Halter und Unternehmer verantwortlichen Betroffenen. Dieser hätte sich wenigstens über das Vorhandensein von Ladungssicherungsmittel vergewissern müssen.
Seine Argumentation, der Zeuge N. hätte sich aufgrund seiner durch die ADR- Schulung erworbenen Kenntnisse durchsetzen und eigenverantwortlich eine zur Sicherung des Kanisters geeignete Box vom Lager holen müssen, geht an der wirtschaftlichen Wirklichkeit vorbei. Es ist von dem weisungsabhängigen angestellten Fahrer nicht zu erwarten, dass er bei der Vorgabe, solche Boxen nur im Ausnahmefall zu verwenden, dies bei einem mit einem Mietfahrzeug durchzuführenden Transport tut. Der Betroffene hätte demgegenüber im Rahmen seiner Pflicht aus § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE allgemein entsprechende Boxen für jedes Fahrzeug zur Verfügung stellen und die Fahrer zu ihrer Benutzung anhalten müssen, und insbesondere die Bereitstellung für das ersatzweise angemietete Fahrzeug sicherstellen müssen. Der Betroffene hat demnach in Kenntnis seiner Verantwortlichkeit im Rahmen des Transports von Gefahrgütern die erforderliche Sorgfalt bei Überwachung der Bereitstellung und Benutzung von Ladungssicherungsmitteln außer Acht gelassen.

Das Bußgeld war angesichts der im konkreten Fall eher geringen Gefährdung im Vergleich zum Bußgeldbescheid geringer anzusetzen. Das Verschulden des Betroffenen (ist) in der Schwere dem des Zeugen N. als selbständig ladenden Fahrer vergleichbar, so dass im Interesse materieller Gerechtigkeit die Höhe von 325,- € angemessen ist.“

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Ein Verstoß gegen § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE, den das Amtsgericht unter falscher Anwendung der Ziffer 7.5.7.1 ADR festgestellt habe, liege tatsächlich nicht vor. Zudem, so macht der Betroffene geltend, habe das Amtsgericht die Aussage des Zeugen N. fehlerhaft gewürdigt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat einen zumindest vorläufigen Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

1. Die amtsgerichtlichen Feststellungen tragen den Schuldspruch nicht. Nach § 9 Abs. 12 Nr. 7 der Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße und mit Eisenbahnen (Gefahrgutverordnung Straße und Eisenbahn -GGVSE) vom 11. Dezember 2001 in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. September 2003 (BGBl. I, S. 1913, berichtigt am 13. Oktober 2003 (BGBl. I, S. 2139), zuletzt geändert am 24. März 2004 (BGBl. I, S. 485), die die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße mit Fahrzeugen und auf der Schiene mit Eisenbahnen in Deutschland regelt, haben der Halter und der Beförderer im Straßenverkehr dafür zu sorgen, dass der Fahrzeugführer über die erforderliche Ausrüstung zur Durchführung der Ladungssicherung nach Unterabschnitt 7.5.7.1 ADR (Anlagen A und B des Europäischen Übereinkommens vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße-ADR-) verfügt. Nach § 10 Nr. 16 e. GGVSE handelt ordnungswidrig im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Gefahrgutbeförderungsgesetzes - GGBefG - vom 06. August 1975 (BGBl. I 1975, S. 2121, Bekanntmachung der Neufassung in BGBl. I 1998, S. 3114), wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE nicht dafür sorgt, dass der Fahrzeugführer über die erforderliche Ausrüstung zur Durchführung der Ladungssicherung verfügt. Ein ordnungswidriges Verhalten des Betroffenen im Sinne dieser Vorschriften ergibt sich aus den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen nicht. Zwar war der Betroffene zum Zeitpunkt des in Rede stehenden Verstoßes als gewerblicher Mieter des zu Erwerbszwecken eingesetzten Transportfahrzeuges dessen Halter und daneben auch Beförderer im Sinne von § 2 Nr. 2 GGVSE. Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen wurde mit diesem Fahrzeug am 29. Juni 2004 ein Kanister, der Kaliumhydroxidlösung enthielt, und damit Gefahrgut im Sinne von § 2 Nr. 9 GGVSE und der Anlage A zum ADR (dort Klasse 8 Nr. 1814) transportiert. Zudem verfügte das eingesetzte Fahrzeug bei der in Rede stehenden Fahrt auch nicht über die erforderliche Ausrüstung zur Durchführung der Ladungssicherung nach Unterabschnitt 7.5.7.1 ADR, wonach die einzelnen Teile einer Ladung mit gefährlichen Gütern auf dem Fahrzeug oder im Container so verstaut oder durch geeignete Mittel gesichert sein müssen, dass sie ihre Lage zueinander sowie zu den Wänden des Fahrzeugs oder Containers nur geringfügig verändern können. In Satz 3 des Unterabschnitts 7.5.7.1 ADR heißt es zwar, dass eine ausreichende Ladungssicherung im Sinne des ersten Satzes auch dann vorliegt, wenn die gesamte Ladefläche in jeder Lage mit Versandstücken vollständig ausgefüllt ist. Nach den getroffenen Feststellungen war der weder durch eine Transportschutzkiste noch durch Zurrgurte o.ä. gesicherte Kanister von drei Seiten durch andere Pakete eingerahmt, zum Fahrzeugheck hin stand er unmittelbar an der Laderaumtür. Ein Verrutschen oder Umkippen des Kanisters während der Fahrt war somit ausgeschlossen. Aus der Überschrift zum Kapitel 7.5. ADR („Vorschriften für die Be- und Entladung und die Handhabung“) und den in diesem Kapitel unter 7.5.1 enthaltenen allgemeinen Vorschriften ergibt sich aber, dass die Beladung eines Fahrzeugs mit gefährlichen Transportgütern so zu erfolgen hat, dass auch eine sichere Entladung gewährleistet ist. Verdeutlicht wird dies durch die im Unterabschnitt 7.5.7.2 ADR vorgenommene Klarstellung, dass die Vorschriften des Unterabschnitts 7.5.7.1 auch für das Beladen, Verstauen und Entladen von Containern auf Fahrzeugen gelten. Eine sichere Entladung des mit dem Kanister beladenen Fahrzeugs war vorliegend jedoch nicht gewährleistet, weil der nach den amtsgerichtlichen Feststellungen ungesichert unmittelbar vor der Laderaumtür verstaute Kanister beim Öffnen der Heckklappe des Fahrzeugs herausfallen konnte und dann auch tatsächlich dem Zeugen N., als dieser die hintere Laderaumtür öffnete, entgegenfiel. Eine ausreichende Ladungssicherung nach Unterabschnitt 7.5.7.1 ADR wäre daher nur gegeben gewesen, wenn der Kanister durch geeignete Mittel (z. B. mittels Zurrgurte oder mit Hilfe einer Transportschutzkiste) so gesichert gewesen wäre, dass auch ein Umfallen beim Öffnen der hinteren Laderaumtür ausgeschlossen gewesen wäre.

Das mangelhafte Verstauen bzw. ungenügende Sichern des Kanisters ist allerdings nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen entgegen der in dem angefochtenen Urteil vorgenommenen rechtlichen Wertung nicht dem Betroffenen in seiner Eigenschaft als Halter und Beförderer anzulasten. Als Halter und Beförderer hat er nach § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE (lediglich) im Straßenverkehr dafür zu sorgen, dass der Fahrzeugführer über die erforderliche Ausrüstung zur Durchführung der Ladungssicherung nach Unterabschnitt 7.5.7.1 ADR verfügt. Damit reicht die Verantwortlichkeit des Halters und Beförderers nicht so weit wie die des Verladers und Fahrzeugführers, die nach § 9 Abs. 13 GGVSE im Straßenverkehr die Vorschriften „über die Beladung und die Handhabung nach Kapitel 7.5 ADR zu beachten“ haben. Diese von § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE abweichende Formulierung macht deutlich, dass die Verantwortlichkeit des Halters und Beförderers für die Durchführung der Ladungssicherung - im Gegensatz zu der des Verladers und Fahrzeugführers - begrenzt ist. Während der Verlader und der Fahrzeugführer die volle Verantwortung für die Beachtung der Vorschriften über die Be- und Entladung und die Handhabung nach Kapitel 7.5 ADR tragen, erschöpft sich die Verantwortlichkeit des Halters und Beförderers für die Ladungssicherung darin, dem Fahrzeugführer die zur Durchführung der Ladungssicherung erforderliche Ausrüstung zur Verfügung zu stellen. Der einen Verstoß gegen die dem Halter und Beförderer obliegende Verpflichtung aus § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE sanktionierende Tatbestand des § 10 Nr. 16 e. GGVSE ist also (nur) dann erfüllt, wenn der Halter bzw. Beförderer dem Fahrzeugführer die im Einzelfall erforderlichen Ladungssicherungsmittel nicht zur Verfügung stellt. Hat hingegen der Halter bzw. Beförderer dafür gesorgt, dass dem Fahrzeugführer die im konkreten Einzelfall benötigten Sicherungsmittel zur Verfügung stehen, scheidet eine weitergehende Verantwortlichkeit des Halters und/oder Beförderers - insbesondere für die tatsächliche Benutzung dieser Sicherungsmittel - im Rahmen des § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE aus. Insoweit obliegt dem Halter/Beförderer - entgegen der vom Amtsgericht vertretenen Auffassung - auch keine dahingehende Kontroll- und Überwachungspflicht. Die tatsächliche Benutzung der benötigten, vom Halter bzw. Beförde-rer zur Verfügung zu stellenden Sicherungsmittel ist, wie sich aus § 9 Abs. 13 GGVSE ergibt, allein Sache des Verladers und des Fahrzeugführers.

Aus den Feststellungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Urteil ergibt sich gerade nicht, dass der Betroffene als Halter und Beförderer den bei ihm als Fahrer angestellten Zeugen N. die zur Sicherung des Kanisters erforderlichen Sicherungsmittel nicht zur Verfügung gestellt hat. Zwar befanden sich in dem als Transportmittel benutzten Mietfahrzeug keine Sicherungsmittel. Für eine „Zurverfügungsstellung“ reicht es aber aus, wie sich aus einer am Wortlaut des § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE orientierten Auslegung dieser Vorschrift und aus einem Umkehrschluss zu § 9 Abs. 13 GGVSE ergibt, dass dem Fahrer die im konkreten Fall erforderlichen Mittel zur Durchführung der Ladungssicherung zur Verfügung stehen und er von diesen ohne Schwierigkeiten - in eigener Verantwortung - Gebrauch machen kann (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 23. September 1988 - 1 Ss 134/88 -, Kurzwiedergabe in NZV 1989, 203, zur Ausrüstung des Transportfahrzeugs mit Warntafeln). Dem Fahrzeugführer stehen die im konkreten Fall benötigten Sicherungsmittel aber nicht nur dann zur Verfügung, wenn sie sich bei Fahrtantritt griffbereit im Fahrzeug befinden. Die im Einzelfall benötigten Ladungssicherungsmittel stehen dem Fahrzeugführer vielmehr auch dann - zur eigenverantwortlichen Benutzung - zur Verfügung, wenn der Halter/Beförderer solche Sicherungsmittel in ausreichender Anzahl an einem Standort, von dem aus der Fahrzeugführer seine Fahrt antritt, lagermäßig vorrätig hat und sich der Fahrzeugführer ihrer ohne Schwierigkeiten bedienen kann. Ein solcher Fall kann hier - auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen - nicht ausgeschlossen werden. So hat das Amtsgericht festgestellt, dass auf dem Lager des Betroffenen Ladungssicherungsmittel wie Gurte oder Plastikboxen vorhanden sind. Aus den getroffenen Feststellungen ergibt sich auch nicht, dass der Betroffene ein im konkreten Fall zur ordnungsgemäßen Sicherung des Kanisters benötigtes Sicherungsmittel nicht ohne weiteres vor Fahrtantritt aus dem Lager des Betroffenen hätte entnehmen und benutzen können. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass ein Sicherungsgurt zur ordnungsgemäßen Befestigung des Kanisters im Fahrzeug ausgereicht hätte. Solche Gurte befanden sich im Lager des Betroffenen und standen den angestellten Fahrern ohne Einschränkung zur Verfügung. Insoweit ist die vom Amtsgericht getroffene Feststellung, dass der Betroffene seinen Fahrern „die vorhandenen Plastikboxen regelmäßig nicht ohne weiteres zur Verfügung stellte“ nicht geeignet, einen Verstoß gegen § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE zu begründen. Selbst wenn aber - was sich aus den Urteilsfeststellungen nicht ergibt - ein sicheres Verstauen des Kanisters im Laderaum des Transportfahrzeugs nur mit Hilfe einer Transportschutzkiste bzw. Plastik- oder Gitterbox möglich gewesen wäre, ist nicht festgestellt, dass dem Betroffenen eine solche Box am Vorfallstag nicht (ohne weiteres) zur Verfügung stand. Die hierzu getroffenen Feststellungen sind lückenhaft und unklar. In den Urteilsgründen heißt es insoweit: „Allerdings ist die Benutzung der Plastikboxen besonderen Transportgütern vorbehalten. Die Fahrer sind angewiesen, solche Boxen grundsätzlich nicht zu benutzen.“ Welche „besonderen Transportgüter“ damit gemeint sind, ist völlig unklar. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass damit gerade gefährliche Güter im Sinne der GGVSE gemeint sind. Die in den Urteilsgründen wiedergegebene Anweisung des Betroffenen an seine Fahrer, „solche Boxen grundsätzlich nicht zu benutzen“, kann dahin zu verstehen sein, dass solche Plastikboxen - bei Bedarf - ausschließlich bei Gefahrguttransporten benutzt werden sollen. Eine solche Anweisung wäre aber im Rahmen des § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE unschädlich, d. h. sie würde einem Zur-Verfügung-Stellen der am Lager vorrätigen Plastikboxen nicht entgegenstehen. Insoweit bedarf der Sachverhalt, was den vom Amtsgericht angenommenen Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 10 Nr. 16 e. i.V.m. § 9 Abs. 12 Nr. 7 GGVSE betrifft, weiterer Aufklärung.

2. Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen reichen auch nicht aus, um - im Wege einer eigenen Sachentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gem. § 79 Abs. 6 OWiG - gegen den Betroffenen wegen Nichtbeachtung einer Vorschrift über die Beladung oder die Handhabung eine Geldbuße gem. § 10 Abs. 1 Nr. 1 GGBefG, § 10 Nr. 17, § 9 Abs. 13 GGVSE festzusetzen. Nach § 10 Nr. 17 GGVSE handelt ordnungswidrig im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1 GGBefG, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 9 Abs. 13 GGVSE eine Vorschrift über Beladung oder die Handhabung nicht beachtet. Die zu Grunde liegende Vorschrift des § 9 Abs. 13 GGVSE schreibt - wie bereits ausgeführt - vor, dass der Verlader und der Fahrzeugführer im Straßenverkehr die Vorschriften über die Beladung und die Handhabung nach Kapitel 7.5 ADR zu beachten haben. Verlader und Fahrzeugführer sind danach nebeneinander für die Einhaltung der Vorschriften über die Beladung und die Handhabung nach Kapitel 7.5 ADR verantwortlich. Der Betroffene war Verlader im Sinne des § 2 Nr. 4 GGVSE. Danach ist Verlader das Unternehmen, das die gefährlichen Güter in ein Fahrzeug, einen Wagen oder einen Großcontainer verlädt. Nach § 2 Nr. 4 Satz 2 GGVSE ist Verlader auch das Unternehmen, das als unmittelbarer Besitzer das gefährliche Gut dem Beförderer zur Beförderung übergibt oder selbst befördert. Vorliegend hatte der Betroffene als Inhaber des Transportunternehmens, das mit der Durchführung des Gefahrguttransports beauftragt worden war, das gefährliche Gut als unmittelbarer Besitzer (Besitzherr nach §§ 854, 855 BGB) nach dem Verladen selbst befördert. Es oblag damit nicht nur dem Fahrzeugführer, sondern auch dem Betroffenen in seiner Eigenschaft als Verlader, für eine den Vorschriften über die Beund Entladung und die Handhabung nach Kapitel 7.5 ADR entsprechende Verstauung der Ladung Sorge zu tragen. Wie bereits ausgeführt, war der mit Kaliumhydroxidlösung befüllte Kanister entgegen 7.5.1.1 und 7.5.7.1 ADR nicht so gesichert, dass dessen sichere Entladung gewährleistet war. Ob der Betroffene insoweit zumindest fahrlässig gehandelt hat, lässt sich auf der Grundlage der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen jedoch nicht zweifelsfrei feststellen. Zwar genügte der Betroffene seiner Verantwortung als Verlader für das ordnungsgemäße Beladen und Verstauen des Kanisters nicht schon dadurch, dass er den Zeugen N.
- wie die anderen bei ihm angestellten Fahrer auch - mit den einzuhaltenden Bestimmungen vertraut machte und Ladungssicherungsmittel in seinem Lager vorrätig hielt. Seiner sich aus § 9 Abs. 13 GGVSE ergebenden Verantwortung als Verlader für die Einhaltung der Vorschriften über die Beladung und Handhabung genügte der Betroffene vielmehr nur, wenn er sich von der Ordnungsmäßigkeit der Beladung vor bzw. bei der Abfahrt des Transportfahrzeuges und darüber hinaus von der Fähigkeit des Fahrers überzeugte, eine solche Beladung bestimmungsgemäß durchzuführen. Insoweit oblag dem Betroffenen nicht nur die Pflicht, die eingesetzten Fahrer sorgfältig auszuwählen, sondern diese auch durch zumindest stichprobenartige Kontrollen zu überwachen (vgl. OLG Düsseldorf, VRS 74, 302). Ob der Betroffene sich insoweit verkehrsgerecht verhalten hat und seiner Verantwortung als Verlader für die ordnungsgemäße Beladung und Handhabung nach § 9 Abs. 13 GGVS gerecht geworden ist, bleibt nach den insoweit lückenhaften Feststellungen des Amtsgerichts, das einen Verstoß gegen § 9 Abs. 13 GGVS nicht in Erwägung gezogen hat, unklar. So ist den Urteilsfeststellungen schon nicht zu entnehmen, ob der Betroffene bei der Beladung des Fahrzeugs überhaupt anwesend war und diesen Beladungsvorgang überwacht hat. Sollte der Betroffene bei der Beladung nicht anwesend gewesen sein, wären nähere Feststellungen zur Art und zum Grad der Überwachung der Beladungsvorgänge zu treffen. Insbesondere wäre aufzuklären, ob und inwieweit der Betroffene durch sorgfältige Auswahl der Fahrer, deren regelmäßige Unterrichtung über den Inhalt der zu beachtenden Vorschriften über die Beladung und Handhabung und deren Kontrolle im Rahmen des ihm Zumutbaren ausreichend Sorge dafür getragen hat, dass das der Gefahrgutverordnung unterfallende Transportgut ordnungsgemäß verstaut und gesichert wird.

Nach alledem war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Siegen zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

3.
Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat vorsorglich noch auf folgendes hin:

Die in dem angegriffenen Urteil vorgenommene Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft. Die Beweiswürdigung ist schon deshalb lückenhaft, weil die Einlassung des Betroffenen in den Urteilsgründen nur unzureichend wiedergegeben wird. So ist insbesondere unklar, ob der Betroffene den vom Amtsgericht festgestellten Beladungszustand (Herausfallen des Kanisters beim Öffnen der hinteren Laderaumtür) eingeräumt hat. Darüber hinaus ist dem angefochtenen Urteil nicht hinreichend zu entnehmen, auf welche Zeugenaussagen der Tatrichter die getroffenen Feststellungen gestützt hat. Die bloße Angabe von Belastungszeugen, ohne deren Aussage wiederzugeben und zu würdigen, ist unzureichend (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 71 Rdnr. 43). In den Urteilsgründen heißt es zwar insoweit, dass die Feststellungen „auf den anschaulichen und glaubhaften Bekundungen der Zeugen Sch. und St. sowie des Zeugen N. beruhen“. Allerdings werden die Aussagen dieser Zeugen im einzelnen im Rahmen der Beweiswürdigung nicht - auch nicht zusammenfassend - wiedergegeben. Angesichts des Umstandes, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Zeugen N. - offensichtlich auf Grund des hier in Rede stehenden Vorfalls - nach Angaben dieses Zeugen „im Unfrieden“ beendet worden ist, hätte es zudem näherer Ausführungen zur Frage der Glaubwürdigkeit dieses Zeugen und zur Glaubhaftigkeit seiner Angaben bedurft.

Was die Höhe des vom Amtsgericht festgesetzten Bußgeldes von 325,00 € betrifft, fehlt es an näheren Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen. Diese sind aber nach § 17 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 OWiG bei der Zumessung der Geldbuße regelmäßig mit zu berücksichtigen. Lediglich bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten bleiben sie in der Regel außer Betracht (§ 17 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 OWiG). Die Gering-wertigkeitsgrenze ist bei einer Geldbuße von 325,00 € aber unzweifelhaft überschritten (vgl. Göhler, § 17 Rdnr. 24 m. w. N.).


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