Aktenzeichen: 2 Ws 62/05 OLG Hamm
Leitsatz: Die Auslagen eines freigesprochenen Angeklagten für einen Privatgutachter sind nur ausnahmsweise dann erstattungsfähig, wenn dessen Beauftragung trotz der umfassenden Antragsrechte des Angeklagten als unbedingt notwendig anzusehen ist
Senat: 2
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: Privatgutachten; Kostenerstattung; eigene Ermittlungen;
Normen: StPO 467
Beschluss: Strafsache
gegen D.I.
wegen räuberischer Erpressung
Auf die sofortige Beschwerde des ehemaligen Angeklagten vom 8. März 2005 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Bochum vom 25. Februar 2005 sowie auf die (unselbstständige) Anschlussbeschwerde des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm vom 15. April 2005 gegen den vorgenannten Kostenfestsetzungsbeschluss hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25. 05. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung des ehemaligen Angeklagten bzw. seines Verteidigers und des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des ehemaligen Angeklagten wird auf dessen Kosten als unbegründet verworfen.
Der Beschwerdewert wird auf 3.817,87 festgesetzt.
Die unselbstständige Anschlussbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten der Anschlussbeschwerde fallen der Staatskasse zur Last, die auch die von dem früheren Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat.
Der Beschwerdewert für die Anschlussbeschwerde wird auf 620,60 festgesetzt.
G r ü n d e :
I.
Der frühere Angeklagte ist durch Urteil des Landgerichts Bochum vom 20. Februar 2002 vom Vorwurf der schweren räuberischen Erpressung freigesprochen worden. Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des früheren Angeklagten wurden der Staatskasse auferlegt.
Mit seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 11. Dezember 2003 hat der Verteidiger des ehemaligen Angeklagten für diesen die Festsetzung der notwendigen Auslagen in Höhe von 5.522,84 beantragt. Mit Beschluss vom 25. Februar 2005 hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Bochum die dem ehemaligen Angeklagten gemäß §§ 467, § 467 a StPO aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 1.704,97 nebst 5 % Zinsen seit dem 15. Dezember 2003 festgesetzt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des früheren Angeklagten vom 8. März 2005, mit der weiter Festsetzung der ursprünglich beantragten Gebühren begehrt wird.
Der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm hat unter dem 15. April 2005 zu der Beschwerde des ehemaligen Angeklagten Stellung genommen und gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. Februar 2005 (unselbstständige) Anschlussbeschwerde eingelegt, mit der er beantragt, die notwendigen Auslagen des ehemaligen Angeklagten auf 1.084,37 nebst
5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 15. Dezember 2003 festzusetzen. Mit seinem replizierenden Schriftsatz vom 11. Mai 2005 trägt der Verteidiger des ehemaligen Angeklagten vor, dass er in erster Linie eine Entscheidung über die Kosten des von ihm in Auftrag gegebenen Privatgutachters anstrebe.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird hinsichtlich der Einzelheiten des Kostenfestsetzungsantrages vom 11. Dezember 2003 auf Bl. 13, 14, hinsichtlich der Stellungnahme der Bezirksrevisorin beim Landgericht Bochum vom 24. Februar 2005
auf Bl. 28 des Kostenheftes, hinsichtlich des angefochtenen Beschlusses vom 25. Februar 2005 auf Bl. 29 ff. des Kostenheftes, hinsichtlich der Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm vom 15. April 2004 auf Bl. 45 ff. des Kostenheftes sowie schließlich hinsichtlich des Schriftsatzes des Verteidigers des ehemaligen Angeklagten vom 11. Mai 2005 auf Bl. 56 ff. des Kostenheftes Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde des ehemaligen Angeklagten ist zwar gemäß § 464 b S. 3 StPO, § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 11 Abs. 2 RPflG zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Die in dem Kostenfestsetzungsantrag vom 11. Dezember 2003 in Ansatz gebrachten Gebühren gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 BRAGO sind im Ergebnis als unbillig hoch und deshalb für das Kostenfestsetzungsverfahren als nicht verbindlich anzusehen.
Die Höhe der erstattungsfähigen Gebühren gemäß den §§ 83 ff. BRAGO bestimmt sich nach den Grundsätzen des § 12 BRAGO. Wie der Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm in seiner Stellungnahme vom 15. April 2005 zutreffend ausgeführt hat, ist eine Gebührenbestimmung des Rechtsanwalts ab einer Abweichung von mehr als 20 % von der angemessenen Gebühr als unbillig und deshalb gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 BRAGO für die erstattungspflichtige Staatskasse als nicht mehr verbindlich anzusehen.
Hinsichtlich der von dem ehemaligen Ansatz gebrachten Gebühr gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO für den Hauptverhandlungstermin vom 13. Februar 2002 sowie hinsichtlich der gemäß § 83 Abs. 2 Nr. 2 BRAGO in Ansatz gebrachten Gebühren für die Termine vom 11. Dezember 2000, 19. Dezember 2000, 29. Dezember 2000, 9. Januar 2001, 17. Januar 2001, 25. Januar 2001 sowie vom 13., 18. und 20. Februar 2002 teilt der Senat die Auffassung der Rechtspflegerin des Landgerichts Bochum, die unter Zugrundelegung der sich aus § 12 BRAGO ergebenden Kriterien der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers eine sachgerechte und nicht zu beanstandende Differenzierung hinsichtlich der einzelnen Termine vorgenommen hat. Die in dem Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Bochum vom 25. Februar 2005 festgesetzten Gebühren sind als angemessen, aber auch ausreichend anzusehen, so dass der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Begründung dieses Beschlusses Bezug nimmt.
In ebenfalls nicht zu beanstandender Weise hat die Rechtspflegerin des Landgerichts Bochum die angemeldeten Kosten des Privatgutachtens des Sachverständigen Dr. S. gemäß der Rechnung vom 23. Januar 2001 und die dafür erforderlichen Arbeiten der Firma Fotografik St.ein vom 6. Dezember 2000 in Höhe von insgesamt 529,04 abgesetzt. Gemäß § 464 a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO ist Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens, dass es sich um zur sachgemäßen Wahrnehmung der Verteidigung erforderliche Auslagen handelt. Die Auslagen eines freigesprochenen Angeklagten für einen Privatgutachter sind nur ausnahmsweise dann erstattungsfähig, wenn dessen Beauftragung trotz der umfassenden Antragsrechte des Angeklagten als unbedingt notwendig anzusehen ist (OLG Koblenz, NStZ-RR 2000, 64). Grundsätzlich ist der Angeklagte gehalten, zunächst seine prozessualen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Staatsanwaltschaft und das Gericht zu entsprechenden Ermittlungen zu veranlassen (OLG Düsseldorf, NStZ 1997, 511). Zu Recht führt der Leiter des Dezernats 10 aus, dass der Beschuldigte/Angeklagte durch das Prinzip allseitiger Aufklärung (§ 160 Abs. 2, 201, 202, 244 Abs. 3 StPO) und durch den Grundsatz in dubio pro reo geschützt und die Staatsanwaltschaft verpflichtet ist, auch die zur Entlastung des Angeklagten dienenden Umstände zu ermitteln. Insoweit wird zum Zwecke der Vermeidung von Wiederholungen auf die Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts vom 15. April 2005 Bezug genommen. Die Einholung des Privatgutachtens war nicht die einzige erfolgversprechende Verteidigungsstrategie mit dem Ziel eines Freispruchs; vielmehr hätte der Verteidiger statt der Beibringung dieses Gutachtens verstärkt auf Zweifel an dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H. hinwirken müssen.
III.
Die unselbstständige Anschlussbeschwerde ist zwar zulässig, hat aber in der Sache ebenfalls keinen Erfolg.
Dies ergibt sich aus den vorausgegangenen Ausführungen bereits, soweit nicht die Termine vom 4. und 8. Dezember 2000 betroffen sind. Der Senat ist insoweit der Auffassung, dass die Rechtspflegerin des Landgerichts Bochum in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. Februar 2005 die Gebühren unter Anwendung der Kriterien des § 12 BRAGO sachgerecht festgesetzt hat.
IV. Die Kostenentscheidungen folgen aus § 473 Abs. 1 StPO.
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