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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 Ss 198/05 OLG Hamm

Leitsatz: Beim Zusammentreffen mehrerer die Schuldfähigkeit möglicherweise beeinträchtigender Faktoren - hier: der Intelligenzminderung des Angeklagten in Verbindung mit seiner Alkoholisierung bei der Tat - bedarf die Schuldfähigkeitsbeurteilung eingehender Erörterung

Senat: 1

Gegenstand: Revision

Stichworte: Schuldfähigkeit; minder schwerer Fall; mehrere Umstände; Abwägung

Normen: StGB 21 ]
Beschluss: .Strafsache

gegen O.E.
wegen räuberischer Erpressung

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Siegen als große Jugendkammer vom 15. Februar 2005 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 16. 06. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Angeklagten bzw. seiner Verteidigerin sowie auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 u. Abs. 4 StPO beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Siegen zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Siegen vom 11. Oktober 2004 wegen räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt worden. Die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Siegen mit Urteil vom 15. Februar 2005 verworfen.

Zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten hat das Landgericht u.a. festgestellt, dass seine schulischen Leistungen mangelhaft bis ungenügend gewesen seien, da er intellektuell minder begabt sei und an der Grenze zur geistigen Behinderung stehe. Darüber hinaus habe er angegeben, er habe ein Alkoholproblem und leide darunter. Er habe außerdem regelmäßig Joints geraucht und ab und zu „Koks durch die Nase gezogen“. Suchtstrukturen seien bei ihm allerdings nicht festzustellen. Er wolle vielmehr mit einer Therapie vermeiden, in Haft zu kommen oder zu bleiben.

In der Sache selbst hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte sich ge-meinsam mit seinem Mittäter S. am 15. Mai 2004 auf dem Stadtfest in Kreuztal aufhielt, wo er etwa eine halbe Flasche Wodka, gemixt mit Cola, getrunken hat. Am späten Abend hätten der Angeklagte und S. beschlossen, eine Gruppe Jugendlicher, die ihnen zufällig begegnet sei, zu überfallen, um sich auf diese Weise Geld zu verschaffen. Nachdem sie die Jugendlichen aufgefordert hätten, ihr Geld herauszugeben, hätten sich zwei der Jugendlichen schnellen Schrittes entfernt, während der Geschädigte T. zurückgeblieben sei. Der Angeklagte habe den Zeugen T. festgehalten und aufgefordert, Geld und Wertsachen herauszugeben. Als dieser sich zunächst geweigert habe, sei er entweder vom Angeklagten oder von S. geschlagen und getreten worden, um der Forderung nach Geld Nachdruck zu verleihen. Infolge der Gewaltanwendung habe der Geschädigte dem Angeklagten sein Handy im Werte von 400,- € und sein Bargeld in Höhe von 1,20 € herausgegeben.

Im Rahmen der Strafzumessung hat die Kammer ausgeführt, ein minder schwerer Fall im Sinne der §§ 253, 255 i.V.m. § 249 Abs. 2 StGB liege nicht vor. Ein solcher sei nur dann gegeben, wenn das Maß der Gewalt gering sei. Hier sei das Maß der angewandten Gewalt nicht unterdurchschnittlich gewesen. Die Tat weiche in ihrer Ausführung nicht von durchschnittlichen Taten nach unten ab. Dass der Angeklagte alkoholisiert gewesen sei, führe auch nicht zur Annahme eines minder schweren Falles, denn die Alkoholisierung sei nicht sonderlich schwerwiegend gewesen. Der Angeklagte sei Alkohol gewöhnt und hätte sich normal verhalten können. Ausfallerscheinungen seien nicht festzustellen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Angeklagten, mit der die Verletzung materiellen und formellen Rechts gerügt wird. Im Rahmen der Verfahrensrüge wird die Verletzung der Aufklärungspflicht geltend gemacht. Die Kammer habe es entgegen § 244 Abs. 2 StPO unterlassen, ein Gutachten zur Frage der Schuldfähigkeit oder eingeschränkten Schuldfähigkeit des Angeklagten einzuholen.

II.
Soweit die Revision sich gegen den Schuldspruch wegen räuberischer Erpressung richtet, ist sie nicht begründet, da die Nachprüfung aufgrund der materiellen Rüge insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.

Die Revision des Angeklagten hat aber bezüglich des Rechtsfolgenausspruches einen vorläufigen Erfolg.

Zwar ist die formelle Rüge, das Gericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, dass ein Sachverständigengutachten zur Frage der Schuldfähigkeit nicht eingeholt worden ist, nicht in zulässiger Weise erhoben worden. In zulässiger Form ist die Aufklärungsrüge nur dann erhoben, wenn die Revision Tatsachen, die das Gericht zu ermitteln unterlassen hat, sowie die Beweismittel bezeichnet, dessen sich der Tatrichter hätte bedienen sollen. Ferner ist darzulegen, aufgrund welcher Umstände das Gericht sich zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt sehen müssen und welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiswürdigung zu erwarten gewesen wäre. Schließlich muss auch dargetan werden, dass sich die nicht aufgeklärten Tatsachen zugunsten des Revisionsführers ausgewirkt hätten (Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 244 Rdnr. 81). Diesen Anforderungen wird das Revisionsvorbringen nicht gerecht, da nicht dargelegt ist, welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre. Eine Aufklärungsrüge, die ein dem Angeklagten günstiges Ergebnis - wie im vorliegenden Fall - nur für möglich erachtet, ist unzulässig (Meyer-Goßner, a.a.O.).

Die Revision hat allerdings auf die allgemeine Sachrüge hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) und damit auch das Vorliegen eines minder schweren Falles verneint hat, halten rechtlicher Nachprüfung nicht Stand. Beim Zusammentreffen mehrerer die Schuldfähigkeit möglicherweise beeinträchtigender Faktoren - hier: der Intelligenzminderung des Angeklagten in Verbindung mit seiner Alkoholisierung bei der Tat - bedarf die Schuldfähigkeitsbeurteilung eingehender Erörterung (BGH NStZ-RR 2004, 162). Nach den Feststellungen steht der intellektuell minder begabte Angeklagte an der Grenze zur geistigen Behinderung. Darüber hinaus ergibt sich aus den Ausführungen des Landgerichts, dass der Angeklagte infolgedessen eine geringe Frustrationstoleranz und hohe Gewaltbereitschaft aufweist. In der Vergangenheit hat sich seine nur geringe Bereitschaft gezeigt, Gesetze und soziale Normen zu achten. Er ist bereits mehrfach strafrechtlich auffällig geworden, u.a. mit Gewaltdelikten. Insgesamt liegt es nach den Feststellungen nahe, dass das Hemmungsvermögen des Angeklagten bei der Tat in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt war, weil seine Fähigkeit, den Tatanreizen in der konkreten Tatsituation zu widerstehen und sich normgemäß zu verhalten, im Vergleich zu der eines „Durchschnittsbürgers“, also voll schuldfähigen Menschen, aufgrund seiner psychischen Verfassung in erheblichem Maße verringert war (BGH a.a.O.). Diese „Kombinationswirkung“ von Intelligenzminderung und Alkoholbeeinflussung ist von der Kammer nicht berücksichtigt worden. Darüber hinaus hat das Landgericht nicht bedacht, dass bei jugendlichen und heranwachsenden Tätern auch schon eine geringere Alkoholbeeinträchtigung zu einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit führen kann (BGH, NStZ 1997, 383). Nichts anderes gilt für junge Erwachsene.

Soweit die Kammer darauf abstellt, dass der Angeklagte „sich normal verhalten habe“, Ausfallerscheinungen seien nicht festzustellen gewesen, verkennt die Kammer, dass ein ungestörtes Leistungsverhalten nicht ohne weiteres geeignet ist, die durch eine Alkoholbeeinträchtigung begründete Vermutung der erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit auszuräumen. Vielmehr ist dabei zu bedenken, dass allein das äußere Leistungsbild unter Umständen nur wenig darüber auszusagen vermag, ob der Täter trotz alkoholischer Beeinflussung noch über die voll erhalten gebliebene Fähigkeit verfügt, den Tatanreizen zu widerstehen (BGH NStZ 1997, 383).

Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruches und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an eine andere große Jugendkammer des Landgerichts Siegen.

Nur am Rande bemerkt der Senat, dass auch im Übrigen die Strafzumessungserwägungen der Kammer nicht frei von Rechtsfehlern sind. So sind die Gesichtspunkte,
die Tat sei durch nicht unerhebliche Brutalität gekennzeichnet und der Angeklagte habe sich als Haupttäter dargestellt, nicht von den Feststellungen gedeckt.

Aktenzeichen: 1 Ss OWi 223/05 OLG Hamm

Leitsatz: Zum Rotlichtverstoß beim Umgehen der Lichtzeichenanlage

Senat: 1

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Rotlichtverstoß; Umgehen der Lichtzeichenanlage; Spurwechsel

Normen: StVO 37

Beschluss: Bußgeldsache
gegen M.C.,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 5. November 2004 gegen das Urteil des Amtsgerichts Unna vom 3. November 2004 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 17. 06. 2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a OWiG auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach Anhörung des Betroffenen bzw. seiner Verteidigerin beschlossen:

Der Tenor des angefochtenen Urteils wird dahingehend ergänzt, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft in amtliche Verwahrung gegeben wird, spätestens aber nach Ablauf von vier Monaten.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels fallen dem Betroffenen zur Last.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Unna hat den Betroffenen am 3. November 2004 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sowie Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens gemäß § 37 Abs. 2, 41 Abs. 2, 49 StVO, §§ 24, 25 StVG zu einer Geldbuße in Höhe von 175,- € verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Dem Urteil liegen folgende Feststellungen zugrunde:

„Am 6. Mai 2004 befuhr der Betroffene zunächst gegen 19.07 Uhr die BAB 1 bei Unna in Fahrtrichtung Bremen ab Kilometer 79,4 über die Strecke von mindestens 290 m mit einer Geschwindigkeit von 140 km/h. In dem betreffenden Bereich war durch deutlich erkennbare Verkehrszeichen 274 die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf 120 km/h begrenzt.

Der Betroffene befuhr den linken Fahrstreifen der Bundesautobahn. Dabei fuhr er dicht auf das vorausfahrende Fahrzeug auf und fuhr hinter diesem innerhalb der Fahrspur von links nach rechts und umgekehrt.

Unmittelbar vor der Anschlussstelle Kamen-Zentrum wechselte er dann direkt vom linken der drei Fahrstreifen auf die Ausfahrt und verließ die Autobahn.

Gegen 19:10 Uhr näherte er sich dann der am Ende der Ausfahrt befindlichen Lichtzeichenanlage an der Unnaer Straße (B 233). Dort befinden sich drei Fahrspuren, von denen zwei für den linksabbiegenden Verkehr und eine für den rechtsabbiegenden Verkehr freigegeben sind, wobei jeweils für beide Fahrtrichtungen eigene Lichtzeichenanlagen bestehen. Der Betroffene ordnete sich rechts ein. Auf den Spuren für die Linksabbieger standen bereits einige Fahrzeuge vor der LZA. Bei Rotlicht für den linksabbiegenden Verkehr und Grünlicht für seine eigene Fahrtrichtung fuhr der Betroffene zunächst leicht nach rechts, um dann unmittelbar im Einmündungsbereich doch nach links in Richtung Kamen abzubiegen. Auf diese Weise umging er das Rotlicht für den Linksverkehr, das zu diesem Zeitpunkt bereits über 9 Sekunden andauerte. Ihm war auch bewusst, dass er durch diese Fahrweise die Lichtzeichenanlage für den linksabbiegenden Verkehr umfuhr.“

Gegen dieses Urteil hat der Betroffene durch Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 5. November 2004, eingegangen bei dem Amtsgericht Unna am selben Tag, Rechtsbeschwerde eingelegt und diese nach Zustellung des Urteils am 2. Dezember 2004 mit Schriftsatz seiner Verteidigerin vom 30. Dezember 2004, eingegangen bei dem Amtsgericht Unna am selben Tag, begründet.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist rechtzeitig eingelegt und frist- und formgerecht begründet worden. Sie kann in der Sache jedoch lediglich einen Teilerfolg haben. Die Feststellungen des auf die Sachrüge zu überprüfenden Urteils tragen die Verurteilung wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sowie wegen fahrlässiger Missachtung des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage.

Insbesondere tragen die Feststellungen und Erwägungen des Amtsgerichts den Schuldspruch wegen Zuwiderhandlung gegen § 37 Abs. 2 StVO. Das festgestellte Verhalten des Betroffenen erfüllt den objektiven Tatbestand des Nichtbeachtens einer Rotlicht zeigenden Verkehrsampel. Seine Fahrweise stellt ein dem Einfahren in den Kreuzungs- oder Einmündungsbereich unter Missachtung des Rotlichts gleichstehendes Umfahren der Lichtzeichenanlage im Sinne der hierzu ergangenen Rechtsprechung dar.

Das Rotlicht der Verkehrssignalanlage ordnet an: „Halt vor der Kreuzung oder Einmündung“ (vgl. § 37 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 StVO). Es schützt den Querverkehr oder den einmündenden Verkehr, der für seine Fahrtrichtung durch Grünlicht der Signalanlage freie Fahrt hat und sich darauf verlassen darf, dass aus der gesperrten Fahrtrichtung keine Fahrzeuge in den geschützten Kreuzungs- oder Einmündungsbereich hineinfahren. Dadurch sollen solche Gefahrensituationen ausgeschlossen werden, die erfahrungsgemäß zu schweren Verkehrsunfällen führen können (OLG Düsseldorf, NZV 1993, 243). Zu dem durch die Lichtzeichenanlage geschützten Bereich gehört der gesamte Kreuzungs- oder Einmündungsbereich, wobei außer der Fahrbahn auch die parallel verlaufenden Randstreifen, Parkstreifen, Radwege oder Fußwege diesem Bereich zuzuordnen sind (Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 37 Rdnr. 50). Sind gleichgerichtete Fahrstreifen mit eigenen Lichtzeichen versehen, so hat jeder Kraftfahrer das seines Fahrstreifens zu beachten. Benutzt der Fahrzeugführer zum Zwecke der Umgehung einen Fahrstreifen, für den eine diesem zugeordnete Lichtzeichenanlage Grün zeigt, um im Einmündungs- oder Kreuzungsbereich, statt der vorgeschriebenen Richtung zu folgen, in den durch Rot gesperrten Fahrstreifen für eine andere Richtung zu wechseln, so liegt ein Rotlichtverstoß vor (BGH NZV 1998, 119).

Als ein derartiges Umfahren der für die Linksabbieger Rotlicht zeigenden Verkehrsampel stellt sich das Verhalten des Betroffenen dar. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts ist der Betroffene bei Grünlicht nur leicht nach rechts gefahren, um dann unmittelbar im Einmündungsbereich doch nach links in Richtung Kamen abzubiegen. Aus der Feststellung des Amtsgerichts „im Einmündungsbereich“ ergibt sich, dass der Betroffene noch nicht sehr weit nach rechts abgebogen war, sondern unmittelbar im Kreuzungsbereich entgegen der für die Linksabbieger Rotlicht zeigen-
den Verkehrsampel nach links abgebogen ist. Entgegen dem vom OLG Düsseldorf (NZV 1993, 243) zu entscheidenden Fall, war der Betroffene gerade nicht nach rechts eingebogen und hatte den Schutzbereich der Lichtzeichenanlage noch nicht verlassen.

Das angefochtene Urteil hält auch im Rechtsfolgenausspruch hinsichtlich der Höhe der verhängten Geldbuße und der Festsetzung des Fahrverbotes von einem Monat rechtlicher Überprüfung Stand.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu ausgeführt:

„Es begegnet keinen Bedenken, dass das Amtsgericht wegen der beiden straßenverkehrsrechtlichen Vorbelastungen des Betroffenen sowie der Tatsache, dass er neben dem qualifizierten Rotlichtverstoß auch eine fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat, die Regelbuße gem. § 1 BKatV i.V.m. Nr. 132.2 der Anlage zu § 1 Abs. 1 BKatV um 50,00 Euro erhöht hat.

Die Verhängung des Fahrverbotes entspricht § 4 Abs. 1 S. 1 BKatV, wonach ein grober Pflichtverstoß durch das Vorliegen der Voraussetzungen dieser Vorschrift indiziert ist. Von der Verhängung des Regelfahrverbotes kann nur ausnahmsweise abgesehen werden, nämlich wenn die Anordnung eine ganz erhebliche Härte darstellen würde oder eine Vielzahl für sich genommen gewöhnlicher oder durchschnittlicher Umstände in ihrem Zusammenhang dies rechtfertigt (zu vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., Rdn. 24 zu
§ 25 StVG m.w.N.).

Zur Annahme eines solchen Ausnahmefalles reichen die sich aus der Tat und der Person des Betroffenen ergebenden Umstände jedoch nicht aus. Besonderheiten, die die Tat des Betroffenen aus der Mehrzahl der sonstigen Fälle, die dem Regelfall unterliegen, herausheben könnten, sind nicht erkennbar.

Aus den Urteilsgründen ergibt sich schließlich auch, dass sich das Amtsgericht der Möglichkeit bewusst gewesen ist, unter Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen, wenn bei dem Betroffenen der mit dem Verbot erstrebte Besinnungs- und Erziehungseffekt auch dadurch hätte erreicht werden können.

Der Tatrichter hätte jedoch gem. § 25 Abs. 2 a StVG die Anordnung treffen müssen, dass das verhängte Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft. Die Anwendung dieser Vorschrift ist nämlich verbindlich, wenn
- wie hier - ihre Voraussetzungen erfüllt sind.“

Diesen Ausführungen schließt der Senat sich an und legt sie seiner Entscheidung zugrunde. Der Senat hat dementsprechend den Tenor des Urteils ergänzt. Er konnte auch selbst in der Sache entscheiden, da den Urteilsgründen zu entnehmen ist, dass gegen den Betroffenen bislang ein Fahrverbot nicht verhängt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO.


Aktenzeichen: 1 Ss OWi 357/05 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Wenn eine höhere Geldbuße festgesetzt wird, müssen Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen und seiner Leistungsfähigkeit getroffen werden.
2. Zur Beachtung eines Bußgeldkataloges

Senat: 1

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Geldbuße; Feststellungen; wirtschaftliche Verhältnisse; Bußgeldkatalog; Beachtung

Normen: OWiG 17

Beschluss: Bußgeldsache
gegen 1. R.W. und 2. W.J. ,
wegen Verstoßes gegen § 84 Abs. 1 Nr. 13 BauO NRW.

Auf die Rechtsbeschwerden der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Lemgo vom 18. Februar 2005 hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 06. 2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Lemgo zurückverwiesen.

Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Betroffenen zu 2.) wird als unbegründet verworfen.

G r ü n d e :
I.
Das Amtsgericht Lemgo hat mit Urteil vom 18. Februar 2005 den Betroffenen zu 1.) als Architekten und den Betroffenen zu 2.) als Bauunternehmer wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen die §§ 84 Abs. 1 Nr. 13, 59, 59 a BauO NRW zu einer Geldbuße von jeweils 2.500,- € verurteilt. Es hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

„Die Eheleute M. ließen als Bauherren auf ihrem Grundstück XXXX 15 a in B. ein Gebäude mit Garage errichten. Der Betroffene zu 1) war der bauleitende Architekt, der mit der bauleitenden Betreuung des zu errichtenden Wohnhauses und der Grenzgarage beauftragt war. Er hatte auch die Baupläne und Bauzeichnungen entworfen. Der Betroffene zu 2) war der von den Bauherren beauftragte ausführende Unternehmer, der nach den gefertigten Plänen des Betroffenen zu 1) den Bau ausführte.
Bei der Garage handelte es sich um eine Grenzgarage.
Durch die Baugenehmigung vom 30.01.2002 war insofern genehmigt, dass die Garage an der westlichen Grenzwand eine Länge von 7,75 Meter aufweist. Fensteröffnungen in der Gebäudeabschlusswand der Garage waren nach den genehmigten Plänen nicht vorgesehen.
Die Bauherren wünschten allerdings einen größeren Abstellraum innerhalb der Garage. Der Betroffene zu 1) änderte daraufhin die ursprünglichen Pläne dahingehend, dass der Abstellraum verbreitert wurde und die Gesamtlänge der Garage damit 16,695 Meter betrug. Auf die geänderte Bauzeichnung vermerkte er folgenden Hinweis: „Hinweis Verbreiterung Abstellraum auf 3,115 M auf Risiko Bauherr Gesamtlänge Garage beträgt nun 16,695 M/1,695 M mehr als zulässig“.
Tatsächlich wurde die Garage an der westlichen Grenzwand mit einer Länge von 9,50 Meter errichtet. Damit wurde die genehmigte Länge um 1,75 Meter abweichend von der Baugenehmigung erhöht. Die Garage wies Maße von 7,20 m x 9,50 m auf. Außerdem wurden abweichend von der Baugenehmigung vom 30.01.2002 auf Wunsch des Bauherren mindestens zwei Fensteröffnungen in der Gebäudeabschlusswand vom Bauunternehmer bzw. seinen Arbeitern eingebaut.
Der Betroffene zu 1.) war zum Zeitpunkt der Errichtung der Garage alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Fa. XXXXXX., die damals noch Eigentümerin der betroffenen Nachbargrundstücke war. Dem Betroffenen zu 2) wurde vom Betroffenen zu 1) zunächst der ursprüngliche und dann der geänderte Plan mit der vergrößerten Garage und dem o.g. Hinweis zur Unzulässigkeit der Garagenlänge übergeben. Dem Betroffenen zu 1) war die Abweichung der Bauausführung von der Baugenehmigung sowohl hinsichtlich der Garagenlänge als auch hinsichtlich der Fensteröffnungen bekannt.“

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Amtsgericht ausgeführt:

„Innerhalb des Bußgeldrahmens des § 84 Abs. 3 OWiG, der im Falle des § 84 Abs. 1 Nr. 13 eine Geldbuße bis zu 250.000,- € vorsieht, war hinsichtlich des Betroffenen zu 2) zu berücksichtigen, dass er Fachmann im Bereich des Baugewerbes ist, dass er selbst von der geänderten Bauausführung keinen unmittelbaren Vorteil hat, dass er aber insofern einen Vorteil hatte, dass ihm der Auftrag verblieb, dass ihm die Abweichung von der Baugenehmigung in 2 Punkten (Garagenlänge und Fenster) vorzuwerfen ist, und dass er vorsätzlich und nicht nur fahrlässig gehandelt hat. Außerdem ist das Ausmaß der überschrittenen Garagenlänge zu berücksichtigen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Abweichungen von der Baugenehmigung materiell baurechtswidrig waren. Öffnungen in Gebäudeabschlusswänden sind nach § 31 Abs. 4 BauO NRW unzulässig. Die Garagenlänge war nach § 6 Abs. 11 BauO NRW unzulässig, da die Grenzbebauung entlang einer Nachbargrenze 9,0 m und insgesamt 15,0 m nicht überschreiten darf. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Zustand von der Stadt Bad Salzuflen geduldet wird, Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen zu 2) sprechenden Umstände hielt das Gericht die Verhängung einer Geldbuße von 2.500,- € für tat- und schuldangemessen.

Hinsichtlich des Betroffenen zu 1) war innerhalb des o.g. Bußgeldrahmens zu berücksichtigen, dass er Fachmann im Bereich des Baugewerbes ist, dass er selbst von der geänderten Bauausführung keinen unmittelbaren Vorteil hatte, dass ihm die Abweichung von der Baugenehmigung in einem Punkt (Garagenlänge) vorzuwerfen ist, dass er vorsätzlich und nicht nur fahrlässig gehandelt hat und dass er in seiner Eigenschaft als Architekt durch die Erstellung des geänderten Planes auch die erste Ursache für die geänderte Bauausführung setzte. Außerdem ist das Ausmaß der überschrittenen Garagenlänge zu berücksichtigen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Abweichung von der Baugenehmigung materiell baurechtswidrig war.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass der Zustand von der Stadt Bad Salzuflen geduldet wird.
Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Betroffenen zu 1) sprechenden Umstände hielt das Gericht die Verhängung einer Geldbuße von 2.500,- € für tat- und schuldangemessen.“

Gegen dieses Urteil richten sich die rechtzeitig eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerden der Betroffenen, wobei der Betroffene zu 1.) die Rechtsbeschwerde auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruches beschränkt hat.

II.
Soweit sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen zu 2.) gegen den Schuldspruch des angefochtenen Urteils richtet, hat sie keinen Erfolg.

Auf die Überprüfung auf die Sachrüge hin lässt das Urteil hinsichtlich des Schuldspruchs Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen nicht erkennen. Die Feststellungen tragen eine Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Verstoßes gegen §§ 59, 84 Abs. 1 Nr. 13 BauO NRW. Die Angriffe der Verteidigung gegen die Urteilsfeststellungen und gegen die Beweiswürdigung können der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Die Beweiswürdigung ist allein Sache des Tatgerichts. Sie ist vom Rechtsbeschwerdegericht hinzunehmen, wenn sie frei von Rechtsfehlern ist, d.h. wenn sie weder gegen Denkgesetze noch gegen allgemein gültige Erfahrungssätze verstößt und sich nicht als lückenhaft und unklar erweist. Das ist vorliegend nicht der Fall. Das Amtsgericht hat sich hinreichend mit den vorhandenen Beweismitteln auseinandergesetzt und ist rechtsbedenkenfrei zu dem in dem angefochtenen Urteil dargelegten Beweisergebnis gelangt. Gemäß § 59 BauO NRW war der Beschwerdeführer verpflichtet, es zu unterlassen, die Garage entgegen den Vorschriften der Bauordnung zu errichten. Auch soweit er sich darauf beruft, er wäre davon ausgegangen, dass die Einhaltung der Bauvorschriften durch Erteilung von Baulasten gewährleistet würde, vermag dies sein ordnungswidriges Verhalten nicht zu beseitigen. Denn er war verpflichtet, sich vor Errichtung der Garage zu vergewissern, ob tatsächlich Baulasten erteilt worden sind.

Indessen hat die Rechtsbeschwerde, soweit der Rechtsfolgenausspruch in Rede steht, zumindest vorläufigen Erfolg.

Zwar gilt die Strafzumessung als „Domäne des Tatrichters“ und ist der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht mehr oder weniger entzogen. Die Strafzumessungserwägungen lösen jedoch die Rechtsbeschwerde aus, wenn sie rechtsfehlerhaft sind. Das ist u.a. dann der Fall, wenn die für das Maß der Geldbuße materiell-rechtlich maßgebenden Leitgesichtspunkte (§ 17 OWiG) nicht richtig gesehen oder nicht zugrunde gelegt worden sind.

Insoweit ist zu bemängeln, dass das Urteil keine Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Betroffenen und ihrer Leistungsfähigkeit enthält. Insbesondere bei, wie hier, höheren Geldbußen sind die wirtschaftlichen Verhältnisse ein Bemessungsfaktor. Zu diesen gehören Einkommen, Vermögen, Schulden und die Ertragslage der Betriebe. Bei einer relativ hohen Geldbuße, die nach der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit angebracht ist, um den Täter nachdrücklich zur Befolgung der Rechtsordnung anzuhalten, muss seine Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden, da es von ihr abhängt, wie empfindlich und damit nachhaltig die Geldbuße den Täter trifft (Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 17 Rdnr. 21 ff.). Hierzu fehlt es in dem angefochtenen Urteil an jeglichen Ausführungen. Weder sind die Einkommensverhältnisse der Betroffenen dargelegt, noch enthält das Urteil Ausführungen z.B. zur Größe des Betriebes des Betroffenen zu 2.).

Darüber hinaus existiert für Verstöße gegen die Landesbauordnung ein Bußgeldkatalog, der zwar lediglich für die Baubehörden im Sinne von internen Weisungen verbindlich ist, jedoch nicht für die Gerichte. Gleichwohl dürfen auch die Gerichte aus Gründen einer möglichst gleichmäßigen Behandlung gleichgelagerter Sachverhalte die dort vorgesehenen Regelsätze nicht unbeachtet lassen, wobei jedoch die Umstände des Einzelfalls und auch ein etwaiges Missverhältnis zwischen der Art des Verstoßes und der üblichen Taxe in die Prüfung einzubeziehen sind (Göhler, a.a.O., § 17 Rdnr. 32). Ausführungen hierzu sind dem amtsgerichtlichen Urteil nicht zu entnehmen. An den Zumessungserwägungen lässt sich nicht erkennen, ob dem Amtsgericht ein Bußgeldkatalog bekannt gewesen ist und ob es diesen bei der Findung der angemessenen Geldbuße berücksichtigt hat. Die Tatsache, dass das Amtsgericht den Gesichtspunkt des Ausmaßes der überschrittenen Garagenlänge in die Erwägung eingestellt hat, lässt allerdings vermuten, dass das Amtsgericht insoweit sich am Bußgeldkatalog orientiert hat, da dieser Punkt nach dem Bußgeldkatalog maßgeblich ist für die Höhe der Geldbuße. Insoweit ist allerdings der Rechtsbeschwerde des Betroffenen zu 1.) zuzugeben, dass nicht erkennbar wird, ob das Amtsgericht insoweit die Wandlänge an einer Seite von neun Metern oder aber die Gesamtlänge für beide Grenzseiten von 15 Metern zugrunde gelegt hat.

Letztendlich ist zu bemängeln, dass das Urteil keine Ausführungen dazu enthält, in welcher Höhe gegen die Bauherren eine Geldbuße verhängt worden ist. Bei der Bemessung der Geldbuße bezüglich des Betroffenen zu 1.) und zu 2.) kann aber nicht unbeachtet bleiben, dass die Geldbußen unter den drei am Bau Beteiligten zueinander ins Verhältnis gesetzt werden müssen. Insoweit ist von Bedeutung, dass die baurechtswidrige Errichtung der Garage letztendlich auf dem Wunsch des Bauherrn beruhte und dieser auch den wirtschaftlichen Vorteil an dieser Errichtung hat. Dieser Gesichtspunkt ist vom Amtsgericht zugunsten der Betroffenen zu 1.) und 2.) in keiner Weise berücksichtigt worden.

Aufgrund dieser lückenhaften bzw. fehlerhaften Zumessungserwägungen konnte der Rechtsfolgenausspruch keinen Bestand haben. Insoweit war das angefochtene Urteil auf die Sachrüge hin mit den diesbezüglichen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Lemgo zurückzuverweisen.

Hinsichtlich des Schuldspruchs war die Rechtsbeschwerde des Betroffenen zu 2.) als unbegründet zu verwerfen.


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