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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss OWi 312/05 OLG Hamm

Leitsatz: Die Anordnung der ersten Vernehmung eines Betroffenen nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG bedarf keiner besonderen Form. Erfolgt die Anordnung schriftlich, ist grundsätzlich nach § 33 Abs. 2 OWiG die Unterzeichnung erforderlich, wofür ein vom Sachbearbeiter angebrachtes Handzeichen genügt. Es ist für die Frage der Unterbrechung der Verjährung unschädlich, wenn dieses Handzeichen nicht lesbar ist.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Verjährungsunterbrechung; Anordnung der Vernehmung; Handzeichen des Sachbearbeiters; Lesbarkeit

Normen: OWiG 33

Beschluss: Bußgeldsache
gegen M.E.
wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 20. Januar 2005 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 11. 08. 2005 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 79 Abs. 5 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 OWiG beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten der Betroffenen verworfen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat die Betroffene wegen einer fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach den §§ 41 Abs. 2, 49 StVO in Verbindung mit §§ 24, 25 StVG zu einer Geldbuße von 150 EURO verurteilt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen hat die Betroffene am 8. Mai 2004 auf der BAB A 42 die an der Vorfallsstelle auf 100 km/h begrenzte zulässige Höchstgeschwindigkeit um 52 km/h überschritten. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel zu verwerfen.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Vielmehr war die Rechtsbeschwerde entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nach §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen, da die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerdebegründung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen erkennen lässt.

Zusätzlich zu den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 20. Mai 2005, die sich der Senat zu eigen macht, weist der Senat auf folgendes hin:

1. Verfolgungsverjährung ist hinsichtlich der von der Betroffenen am 8. Mai 2004 begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit nicht eingetreten. Vielmehr ist die Verjährung durch der Anordnung der ersten Vernehmung der Betroffenen gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen worden.

Das Verfahren richtete sich zunächst gegen den Halter des von der Betroffenen bei dem Verkehrsverstoß gesteuerten Fahrzeugs. Am 22. Juli 2004 erhielt die Bußgeldbehörde vom Polizeipräsidium Gelsenkirchen die Mitteilung, dass die Ordnungswidrigkeit von der Betroffenen begangen worden sei. Der Sachbearbeiter der Bußgeldbehörde gab daraufhin als berechtigter Mitarbeiter der Bußgeldstelle manuell den Namen des Betroffenen in das EDV-System ein und veranlasste die Übersendung eines Anhörungsbogens an die Betroffene. Dies ist in der Akte mit dem Vermerk „Anhörung veranlasst“, der mit einem Handzeichen unterzeichnet ist, vermerkt. Der Anhörungsbogen an die Betroffene wurde dann nach der vom Senat im Freibeweisverfahren eingeholten Auskunft der Bußgeldbehörde am 29. Juli 2004 um 09.44 Uhr automatisiert erstellt und anschließend in den Postversand gegeben. Das dem Senat vorliegende Statusblatt 43719807/A1F/0390 über die Bearbeitung des Bußgeldverfahrens vom 10. Juni 2005 belegt die Anordnung der Anhörung der Betroffenen am 28. Juli 2004 und bestätigt weiterhin, dass der Anhörungsbogen am 29. Juli 2004 versandt worden ist

Durch diesen Verfahrenablauf ist die Verjährung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG wirksam unterbrochen worden. Die Anordnung der ersten Vernehmung eines Betroffenen nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG bedarf keiner besonderen Form (vgl. zuletzt Senat in VRR 2005, 36; KK-Weller OWiG, 2. Aufl. § 33 Rn. 26 m.w.N.). Erfolgt die Anordnung schriftlich, ist grundsätzlich nach § 33 Abs. 2 OWiG die Unterzeichnung erforderlich, wofür ein vom Sachbearbeiter angebrachtes Handzeichen genügt (OLG Köln VRS 84, 104; Göhler § 33 Rn. 45; Beschluss des hiesigen 4. Senats für Bußgeldsachen vom 9. Dezember 2004 in 4 Ss OWi 651/04). Dieses ist vorhanden. Es ist für die Frage der Unterbrechung der Verjährung unschädlich, dass dieses Handzeichen nicht lesbar ist. Nach allgemeiner Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung ist selbst das Fehlen des Handzeichens (oder der Unterschrift) dann unschädlich, sofern sich der geäußerte behördliche Wille der Unterbrechungshandlung auf andere Weise mit Gewissheit feststellen lässt (Beschluss des hiesigen 4. Senats für Bußgeldsachen; KK-Weller a.a.O. Rn. 11; Göhler, a.a.O., § 33 Rn. 45; vgl. hierzu auch BayObLG VRS 62, 58; BayObLG DAR 2004, 401). Dann kann aber für ein (nur) unleserliches Handzeichen nichts anderes gelten. Der Wille der Behörde zur Unterbrechung ergibt sich hier eindeutig aus der Anordnung der Anhörung, der durch das dem Senat vorliegende Statusblatt, das auf innerbehördliche Vorgänge zurückzuführen ist, zurückgeht.

Die Verjährung ist in der Folgezeit am 19. August 2004 durch den Erlass des Bußgeldbescheides (§ 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG), der der Betroffenen am 21. August 2004 zugestellt worden ist, durch den Eingang der Akten bei dem Amtsgericht Herne-Wanne am 2. November 2004, die Anberaumung des Hauptverhandlungstermins am 05. November 2004 bzw. am 25. November 2004 und die Hauptverhandlung am 20. Januar 2005 weiter unterbrochen worden.

2. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat die von der obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze für die
Identifizierung des Betroffenen anhand eines von dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes (vgl. dazu zuletzt u.a. Senat im Beschluss vom 13. Mai 2005 in 2 Ss OWi 274/05, StraFo 2005, 297 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung) beachtet. Es hat zudem noch ein Sachverständigengutachten eingeholt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist insbesondere auch nicht der Grundsatz „in dubio pro reo“ verletzt. Der Zweifelssatz ist nur dann verletzt, wenn sich aus dem Urteil ergibt, dass der Tatrichter noch Zweifel an der Täterschaft des Betroffenen hatte, ihn aber dennoch verurteilt hat. Die Zweifel des Verteidigers an der Täterschaft der Betroffenen sind in diesem Zusammenhang ohne Belang.


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