Aktenzeichen: 2 Ss OWi 526/05 OLG Hamm
Leitsatz: Zur Frage, wann ein Terminsverlegungsantrag, der mit der Verhinderung des Betroffenen aus beruflichen Gründen begründet wird, ausreichend begründet ist.
Senat: 2
Gegenstand: Rechtsbeschwerde
Stichworte: Verwerfungsurteil; genügende Entschuldigung; Verlegungsantrag; ausreichende Begründung; berufliche Gründe
Normen: OWiG 74
Beschluss: Bußgeldsache
gegen R.H.
wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 17. Mai 2005 gegen das Urteil des Amtsgerichts Herne-Wanne vom 12. Mai 2005 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 05. 09. 2005 durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. §§ 79 Abs. 6 OWiG, 349 StPO beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen verworfen.
Gründe:
I.
Der Oberbürgermeister der Stadt Herne hat gegen den Betroffenen wegen einer am 16. Mai 2003 begangenen fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung mit Bußgeldbescheid vom 2. Juli 2005 eine Geldbuße von 170 festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Nach Einspruch des Betroffenen, der bestritten hat zum Vorfallszeitpunkt Fahrer des Pkw gewesen zu sein, hat das Amtsgericht den Betroffenen mit Urteil vom 22. April 2004 zu einem Bußgeld von 170 verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Auf die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde hat der Senat das amtsgerichtliche Urteil mit Beschluss vom 2. September 2004 aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen (vgl. 2 Ss OWi 470/04, VA 2004, 193 VRS 107, 371).
Das Amtsgericht hat so dann erneut Termin zur Hauptverhandlung auf den 12. Mai 2005 bestimmt. Die Ladung für die neue Hauptverhandlung ging dem Betroffenen und seinem Verteidiger am 18. Januar 2005 zu. Mit beim AG Herne-Wanne am 27. April 2005 eingegangenem Schreiben vom 26. April 2004 beantragte der Verteidiger die Verlegung des Termins. Der Betroffene - so die Begründung - sei bedingt durch seine Arbeitstätigkeit am Termin der Hauptverhandlung in Italien eingesetzt. Die Wahrnehmung des Termins durch einen anderen Mitarbeiter des Arbeitgebers sei nicht möglich, da dem Betroffenen im Rahmen der Kundendienstleitung eine zentrale Position zukomme. Eine Anfrage des Verteidigers bei dem Arbeitgeber habe zu der dem Verlegungsantrag beigefügten Bescheinigung des Arbeitgebers vom 25. April 2004 geführt. In dieser heißt es: Hierdurch teilen wir mit, dass Herr Dieter Rutz im Auftrag unseres Unternehmens in der Zeit vom 10. - 13.05.2005 an 2 dringenden Gesprächen bei unseren Handelspartner in Italien teilnehmen muss. Da es sich hier um wichtige Gespräche handelt, ist die Anwesenheit von Herrn Rutz unbedingt notwendig .....
Das Amtsgericht hat mit Verfügung vom 4. Mai 2005 die Verlegung des Termins abgelehnt und dies u.a. damit begründet, dass die Ladung bereits am 14. Januar 2005 erfolgt sei. Der Betroffene habe genügend Zeit gehabt, den Termin seinem Arbeitgeber mitzuteilen, damit geschäftliche Termine hätten entsprechend ausgerichtet werden können. Es sei nicht ersichtlich, dass der Betroffene erforderliche frühzeitige Bemühungen unternommen hätte.
Der Betroffene hat daraufhin den erkennenden Richter wegen Besorgnis der Befangenheit mit Schriftsatz vom 11. Mai 2005 abgelehnt. Dieser Ablehnungsantrag hatte keinen Erfolg. In der Hauptverhandlung am 12. Mai 2005 erschien der Betroffene nicht. Der Verteidiger hat den erkennenden Richter erneut wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Dieser hat das Ablehnungsgesuch nicht in der Hauptverhandlung beschieden, sondern den Einspruch des Betroffenen nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dem Betroffenen sei das Erscheinen in der Hauptverhandlung zumutbar gewesen. Er habe nach Zugang der Terminsladung genügend Zeit gehabt, sich von beruflichen Verpflichtungen frei zu stellen. Dazu sei er auch unter Berücksichtigung der Umstände und der Bedeutung der Sache verpflichtet gewesen. E sei nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen, dass der Betroffene entsprechende Bemühungen unternommen habe.
Der Betroffene hat gegen das Verwerfungsurteil Rechtsbeschwerde eingelegt. Mit der formellen Rüge macht er u.a. geltend, dass sein Ablehnungsantrag nicht beschieden worden sei und er nicht unentschuldigt dem Hauptverhandlungstermin fern geblieben sei. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zu verwerfen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist nicht die so genannte absolute Verjährung gem. § 33 Abs. 3 Satz 2 OWiG eingetreten. Zwar ist für die am 16. Mai 2003 begangene Ordnungswidrigkeit die absolute Verjährungsfrist von 2 Jahren gem. § 33 Abs. 3 Satz 2 OWiG inzwischen abgelaufen- Die Rechtsbeschwerde übersieht jedoch, dass § 33 Abs. 3 Satz 4 OWiG ausdrücklich bestimmt, dass § 32 OWiG unberührt bleibt. Das bedeutet, dass die Verjährung nach dem Urteil des AG Herne-Wanne vom 22. April 2004 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens ruht.
2. a) Soweit der Betroffene mit der formellen Rüge geltend macht, dass das Amtsgericht seinen Ablehnungsantrag nicht beschieden hat und damit einen Verstoß gegen § 338 Nr. 3 StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 OWiG rügt, ist die Rüge nicht ausreichend begründet. Der Betroffene macht geltend, bei seinem in der Hauptverhandlung gestellten Antrag habe es sich um ein erneutes Ablehnungsgesuch gehandelt und nicht, wovon das Amtsgericht ausgegangen sei, um die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts, durch das sein außerhalb der Hauptverhandlung gestellter Ablehnungsantrag verworfen worden sei. Dieser Vortrag wird den Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 OWiG nicht gerecht. Der Betroffene teilt nämlich den genauen Wortlaut seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags nicht mit. Dem Rechtsbeschwerdegericht ist es daher nicht möglich, die vom AG Herne-Wanne vorgenommene Auslegung zu überprüfen und festzustellen, ob es sich tatsächlich um einen Ablehnungsantrag gehandelt hat, für den das in der StPO vorgesehene Verfahren nicht eingehalten worden ist.
Auch soweit der Betroffene mit der formellen Rüge geltend macht, ihm sei die dienstliche Äußerung des abgelehnten Richters zu seinem ersten Ablehnungsantrag nicht mitgeteilt worden, ist die Rüge nicht ausreichend im Sinn von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO begründet. Zwar ist die dienstliche Äußerung eines abgelehnten Richters gem. § 26 Abs. 3 StPO dem Betroffenen zur Kenntnis bringen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., 2005 § 26 Rn. 14 m.w.N.). Will der Betroffene auf das Unterlassen der Mitteilung die Rechtsbeschwerde stützen, kann er nur mit der formellen Rüge, die den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entsprechen muss. Diese sind vorliegend nicht erfüllt, da der Betroffene weder den Inhalt seines Ablehnungsgesuchs, noch des gerichtlichen Beschlusses mitteilt und auch den Gang des Ablehnungsverfahren nicht darstellt (vgl. dazu Pfeiffer in Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Aufl., § 26 Rn. 8).
b) Soweit der Betroffene mit der formellen Rüge geltend macht, er sei der Hauptverhandlung nicht unentschuldigt fern geblieben, ist die Rüge zwar zulässig, weil ausreichend im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG begründet. Sie ist jedoch unbegründet, da das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass der Betroffene dem Hauptverhandlungstermin unentschuldigt fern geblieben ist.
Der Senat hat bereits wiederholt zu der Frage Stellung genommen, wann das Ausbleiben eines Betroffenen im Hauptverhandlungstermin wegen der Erledigung dringender persönlicher oder beruflicher Angelegenheiten ausreichend entschuldigt ist (vgl. z.B. Senat in NZV 2004, 348; zuletzt Beschluss des Senats in 2 Ss 210/05 , VA 2005, 144 = VRR 2005, 270, zu § 329 Abs. 1 StPO). Danach ist das Ausbleiben dann genügend entschuldigt, wenn der Betroffene zwar zur Hauptverhandlung erscheinen könnte, ihm aber aus besonderen Gründen die Befolgung der Ladung billigerweise nicht zuzumuten ist und ihm deshalb die Zuwiderhandlung gegen die öffentlich-rechtliche Pflicht, der Ladung Folge zu leisten, nicht zum Vorwurf gereicht (Senat, a.a.O.). In dem Zusammenhang ist anerkannt, dass grundsätzlich berufliche Angelegenheiten gegenüber der Pflicht, zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Gericht zu erscheinen, zurückzutreten haben. Bei unaufschiebbaren und besonders bedeutsamen beruflichen oder geschäftlichen Angelegenheiten kann dem Betroffenen aber ausnahmsweise das Erscheinen vor Gericht unzumutbar sein (Senat, a.a.O.; OLG Hamm NZV 2003, 348, 349; OLG Düsseldorf NZV 1994, 44, 45). Insoweit ist eine Güterabwägung vorzunehmen, bei der insbesondere Art und Anlass der beruflichen Inanspruchnahme auf der einen und die Bedeutung des den Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens bildenden Vorwurfs auf der anderen Seite zu berücksichtigen sind. Die persönlichen Gründe, die das Fernbleiben in der Hauptverhandlung entschuldigen sollen, kennt nur der Betroffene, er hat sie daher dem Gericht mitzuteilen (BayObLG NStZ 2003, 98).
Dem ist der Betroffene vorliegend nicht ausreichend gerecht geworden. Der Betroffene hat zur Entschuldigung bzw. zur Begründung seines Verlegungsantrag lediglich auf seinen beruflichen Einsatz in Italien für die Teilnahme an zwei dringenden Gespräche hingewiesen. In der Bescheinigung des Arbeitgebers heißt es dazu nur pauschal, dass der Betroffene an zwei dringende Gespräche teilnehmen müsse und aufgrund der Wichtigkeit der Gespräche seine Anwesenheit unbedingt notwendig sei. Welchen Inhalt die Gespräche haben, warum nur der Betroffene und nicht ggf. auch ein Vertreter diese Gespräche führen kann, wird nicht im Einzelnen konkret dargelegt. Aus dem Vorbringen des Betroffenen zur Begründung des Verlegungsantrags wird auch nicht ersichtlich, dass die Gespräche durch den Betroffenen bzw. auf seine Veranlassung durch den Arbeitgeber nicht hätten verschoben oder bereits ursprünglich auf einen anderen Termin hätten gelegt werden können. Dies erscheint dem Senat insbesondere aufgrund der frühzeitigen Ladung durch das Amtsgericht möglich und zumutbar. Zumindest hätte der Betroffene darlegen müssen, dass er rechtzeitig alles Erforderliche getan hat, um eine Verlegung der Gesprächstermine zu erreichen, dass dies aber - aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen - nicht möglich gewesen sei. Dabei darf nicht übersehen werden, dass das Verfahren gegen den Betroffenen inzwischen mehr als zwei Jahre dauert und die es immerhin um die Verhängung eines Fahrverbotes geht. Dem Amtsgericht kann auch nicht vorgeworfen werden, dass es seiner Amtsaufklärungspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei. Es hat den Betroffenen unmittelbar nach Eingang des Verlegungsantrages darauf hingewiesen, dass es den Hauptverhandlungstermin nicht verlegen werde und eine Präzisierung des Vorbringens des Betroffenen erforderlich sei. Eine (weitere) Präzisierung seines Vorbringens hat der Betroffene aber nicht vorgenommen.
Nach allem war daher die Rechtsbeschwerde mit der sich aus § 473 Abs. 1 i.V.m. § 79 Abs. 3 OWiG ergebenden Kostenfolge zu verwerfen.
III.
Der Senat weist auf Folgendes hin: Das Amtsgericht hat für die Anfertigung des Protokolls der Hauptverhandlung ein Formular verwendet, in dem u.a. nicht nur der Tenor des Verwerfungsurteils enthalten ist, sondern auch die formularmäßigen Gründe des Verwerfungsurteils. Es dürfte sich empfehlen, diese Gründe in Zukunft ausdrücklich durchzustreichen, damit nach außen erkennbar wird, dass das Amtsgericht nicht bereits mit der Unterschrift unter das Protokoll der Hauptverhandlung ggf. auch schon das Verwerfungsurteil begründet hat. Wäre das nämlich der Fall, dann könnte nicht mehr nachträglich noch - wie vorliegend - das Urteil weiter bzw. ergänzend begründet werden. Der Senat ist vorliegend allerdings, da die entsprechenden Passagen in dem Formular nicht - was vorgesehen und möglich ist - angekreuzt worden sind, davon ausgegangen, dass es sich bei dem im Hauptverhandlungsprotokoll enthaltenen Ausführungen nicht um die - dann nicht ausreichende - Begründung der amtsgerichtlichen Entscheidung handelt.
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