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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ss 324/05 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Gewerbsmäßigkeit von Diebstahlstaten.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Diebstahl; gewerbsmäßig; vertypter Strafschärfungsgrund; Strafmilderungsgründe; Feststellungen;

Normen: StGB 243; StPO 267

Beschluss: Strafsache
gegen W.A.
wegen Diebstahls

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 17. März 2005 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 23. 08.  2005 durch den Richter am Oberlandesgericht., die Richterin am Oberlandesgericht und
den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Gütersloh hat den Angeklagten durch Urteil vom 24. September 2004 wegen Diebstahls in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Die auf das Strafmaß beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Bielefeld durch das angefochtene Urteil vom 17. März 2005 verworfen. Nach den Urteilsfeststellungen des Amtsgerichts hatte der Angeklagte am 5., 12. und 15. September 2003 jeweils aus verschiedenen Geschäften Waren - Parfum, Rasierklingen und ein schnurloses Telefon - im Wert von 53,99 €, 103,60 € und 69,99 oder 169,99 € - gestohlen, wobei in sämtlichen Fällen die entwendeten Waren dazu dienten, Mittel zum Kauf oder Tausch von Heroin zu erlangen. In den Feststellungen des Landgerichts zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten, auf die wegen der Einzelheiten unter III. des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird, hat die Strafkammer u.a. Folgendes ausgeführt:

"Der im Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung 39 Jahre alte Angeklagte kam 1990 - im Alter von 25 Jahren - als Spätaussiedler mit seinen Eltern nach Deutschland. Er ist Kasachstan geboren und hat dort 10 Jahre die Schule besucht. In Deutschland arbeitete er zunächst einige Zeit als Estrichleger; konnte diesen Beruf dann aber wegen einer Schulteroperation nicht mehr ausüben. Er ist seit mehreren Jahren arbeitslos und erhält derzeit Arbeitslosengeld in Höhe von 480,00 € monatlich.
Der Angeklagte war von 1992 bis 1996 in erster Ehe verheiratet. Aus dieser Ehe ist ein Sohn im Alter von jetzt 12 Jahren hervorgegangen. Die geschiedene Ehefrau hat für sich und das Kind auf Unterhaltszahlungen des Angeklagten verzichtet. Seit August 2003 ist der Angeklagte in zweiter Ehe verheiratet.

Der Angeklagte hat seit vielen Jahren Alkoholprobleme. Darüber hinaus ist er seit 1991 heroinabhängig. Es wurden mehrfach Entgiftungsversuche unternommen; eine Entziehungstherapie hat der Angeklagte noch nicht durchlaufen. Seit September 2004 wird der Angeklagte mit Methadon substituiert.

Aufgrund der Alkoholprobleme und der Heroinabhängigkeit kam es immer wieder zu Straftaten, vornehmlich zu Eigentumsdelikten gekommen."

Im Folgenden führt das Landgericht 26 Eintragungen des Angeklagten im Bundeszentralregister auf, vornehmlich wegen Trunkenheit im Straßenverkehr, Betäubungsmitteldelikten und Vermögensdelikten, wegen derer der Angeklagte verurteilt worden ist und auch mehrfach Strafhaft verbüßt hat.
Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat die Kammer die Diebstahlsfälle als besonders schwere Fälle gemäß § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB beurteilt und mit näheren Ausführungen Einzelstrafen von vier Monaten und zwei Mal sieben Monaten verhängt, aus denen sie eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten - ohne Strafaussetzung zur Bewährung - gebildet hat.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, insbesondere den Umstand, dass das Landgericht nicht erwogen habe, ob der Angeklagte die Taten im Zustand verminderter Schuldfähigkeit begangen habe. Aufgrund seiner Betäubungsmittelabhängigkeit habe der Angeklagte im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit gehandelt, so dass eine Strafrahmenverschiebung und eine deutlich niedrigere Bestrafung hätte erfolgen müssen.

II.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 28. Juli 2005 zu dem Rechtsmittel des Angeklagten Folgendes ausgeführt:

"Nach den insoweit zugrunde liegenden Feststellungen der Berufungskammer ist der Angeklagte seit 1991 heroinabhängig (S. 6 der Urteilsgründe); er ist bereits früher wegen sog. "Beschaffungskriminalität" straffällig geworden.
Bei der Strafzumessung hat die Berufungskammer die Strafe dem Strafrahmen des Regelbeispiels des § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB, des gewerbsmäßigen Diebstahls, entnommen und hat dazu ausgeführt, Gewerbsmäßigkeit liege deshalb vor, weil der Angeklagte durch die Taten Mittel zum Kauf oder Tausch von Heroin erlangen wollte. Das Gericht hat die Drogenabhängigkeit des Angeklagten ausweislich der Urteilsgründe nicht strafmildernd berücksichtigt.

Die Ausführungen der Berufungskammer tragen schon die Annahme einer gewerbsmäßigen Begehungsweise i.S. von § 243 Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht.
Zwar ergibt sich aus den Feststellungen zu der letzten Vorverurteilung des Angeklagten und den Feststellungen zu den jetzt abzuurteilenden Taten noch ausreichend, dass der Angeklagte sich aus wiederholter Begehung von Diebstählen eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang verschaffen wollte. Die Kammer hat dabei jedoch nicht bedacht, dass die indizielle Bedeutung des Regelbeispiels durch andere Strafzumessungsfaktoren entkräftet werden kann. Zur Erörterung insoweit besteht jedenfalls dann Anlass, wenn gesetzlich vertypte Milderungsgründe für den Angeklagten sprechen und nach Lage des Falles die Anwendung des Normalstrafrahmens
nicht gerade fern liegt (BGHR StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 19; BGH NStZ-RR 2003, 297).
Nicht nur vor diesem Hintergrund, sondern auch schon für sich genommen, stellt die fehlende Erörterung, ob die Voraussetzungen des § 21 StGB gegeben seien und inwieweit dies strafmildernd zu berücksichtigen sei, einen sachlich rechtlichen Mangel des Urteils dar. Zwar führt die Abhängigkeit von Betäubungsmitteln für sich allein regelmäßig noch nicht zu einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit i.S. des § 21 StGB. Diese Folge ist, wie der Bundesgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, bei einem Rauschgiftsüchtigen nur ausnahmsweise gegeben, z.B. wenn langjähriger Betäubungsmittelgenuss zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat oder der Täter unter starken Entzugserscheinungen leidet oder durch sie getrieben wird, sich mittels einer Straftat Drogen zu verschaffen. Unter Umständen kann auch bereits die Angst vor Entzugserscheinungen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Hemmungsfähigkeit und damit zu einer Anwendung des § 21 StGB führen (Senatsbeschluss vom 30.03.2000 - 3 Ss 101/00 - m.w.N.). Dazu, ob diese Voraussetzungen hier vorgelegen haben, oder aus welchen Gründen die Berufungskammer diese Voraussetzungen nicht feststellen konnte, fehlen jegliche Ausführungen.

Der Rechtsfolgenausspruch ist daher mit den dazu gehörigen Feststellungen aufzuheben.
Entgegen der Auffassung der Revision führt der Mangel jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch und damit auch zur Aufhebung des Schuldspruchs. Zwar wies das mit der Berufung angefochtene Urteil des Amtsgerichts Gütersloh dieselben unzureichenden Feststellungen und Strafzumessungserwägungen auf; die Lücken bei den Feststellungen betrafen jedoch lediglich den Rechtsfolgenausspruch und berührten den Schuldspruch wegen Diebstahls in drei Fällen nicht. Die Berufung des Angeklagten konnte daher wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung.


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