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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ss OWi 374/05 OLG Hamm

Leitsatz: Das Amtsgericht muss sich mit der Einlassung des Betroffenen auseinandersetzen und prüfen, ob die Verhängung des Regelfahrverbotes angemessen ist oder dessen Folgen den Betroffenen möglicherweise unzumutbar belasten.

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Fahrverbot; Absehen; berufliche Gründe; Einlassung des Betroffenen, Auseinandersetzung; Würdigung

Normen: BKatV 4; StPO 267

Beschluss: Bußgeldsache
gegen L.J.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Lübbecke vom 18.03.2005 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 28. 07. 2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft bzw. auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Betroffenen sowie seines Verteidigers beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch nebst den diesem zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Lübbecke zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Lübbecke hat mit dem angefochtenen Urteil vom 18.03.2005 gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 75,- € sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Gleichzeitig hat es bestimmt, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Nach den Urteilsfeststellungen überschritt der Betroffene am 16.09.2004 um 17.22 Uhr mit dem von ihm geführten PKW auf der L 770 in Stemwede außerhalb geschlossener Ortschaft die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 34 km/h.

Gegen den Betroffenen war zuvor mit Bußgeldbescheid des Kreises Herford vom 09.02.2004, rechtskräftig seit dem 28.02.2004, wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 27 km/h ein Bußgeld in Höhe von 50,- € verhängt worden.

Zu den beruflichen Verhältnissen des Betroffenen hat das Amtsgericht festgestellt, dass dieser als Betriebsleiter der Firma teuto-Dienst GmbH tätig ist und etwa 2.000,- € netto monatlich verdient.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung für schuldig befunden und gegen ihn die für einen solchen Verstoß nach der Bußgeldkatalogverordnung vorgesehene Regelgeldbuße von 75,- € verhängt. Es ist zudem vom Vorliegen eines Regelfalles gemäß § 4 Abs. 2 BKatV ausgegangen und hat gegen den Betroffenen ein einmonatiges Fahrverbot verhängt und dazu u.a. ausgeführt:

"Im vorliegenden Fall war es auch nicht angezeigt, von der Verhängung eines Fahrverbots gegen Erhöhung der Geldbuße wegen besonderer Härten abzusehen.
Der Betroffene hat zwar vorgetragen, er sei zur Ausübung seines Berufes auf einen Pkw angewiesen und benötige daher zwingend den Führerschein. Jedoch handelt es sich vorliegend um den zweiten bußgeldrelevanten Geschwindigkeitsverstoß des Betroffenen innerhalb eines Zeitraums von nur einem Jahr. Dies lässt darauf schließen, dass der Betroffene allein durch die Verhängung von Bußgeldern nicht zu verkehrsgerechten Verhalten bewegt werden kann. Die Verhängung eines Fahrverbots erscheint daher zur Einwirkung auf den Betroffenen erforderlich. Daher konnte selbst unter Berücksichtigung möglicher beruflicher Schwierigkeiten nicht von der Verhängung des Fahrverbots abgesehen werden. Darüber hinaus müsste den Betroffenen die Tatsache, dass er beruflich auf den Führerschein angewiesen ist, dazu bewegen, sich in besonderem Maße verkehrsgerecht zu verhalten. Ist dies nicht der Fall, so hat der Betroffene die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu tragen."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er unter näheren Ausführungen die Sachrüge erhebt.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat mit der erhobenen Sachrüge hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruches in der Sache auch einen zumindest vorläufigen Erfolg.

1. Die Überprüfung des Schuldausspruches des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben. Insoweit war daher die Rechtsbeschwerde entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

2. Dagegen kann der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand haben.

Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass der Betroffene nach seiner Einlassung zur Ausübung seines Berufes auf einen PKW angewiesen ist und daher zwingend seinen Führerschein benötigt. Darüber hinaus ist in den Urteilsgründen die Rede von möglichen beruflichen Schwierigkeiten des Betroffenen infolge des Fahrverbotes. Das Amtsgericht hat sich aber weder näher mit der Einlassung des Betroffenen befasst, noch in den Urteilsgründen ausgeführt, welche beruflichen Nachteile der Betroffene bei der Verhängung eines Fahrverbotes zu befürchten hat, sondern ausschließlich darauf abgestellt, dass es sich bei der hier in Rede stehenden Geschwindigkeits-überschreitung des Betroffenen um dessen zweiten bußgeldrelevanten Geschwindigkeitsverstoß innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr handele und deshalb der Betroffene nur noch durch die Verhängung eines Fahrverbotes zu einem verkehrsgerechten Verhalten bewegt werden könne. Dies erweist sich als rechtsfehlerhaft. Denn für die Verhängung des Regelfahrverbotes gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV ist es Voraussetzung, dass der Betroffene innerhalb eines Jahres, nachdem gegen ihn als Führer eines Kraftfahrzeuges wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h eine Geldbuße festgesetzt worden ist, er eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung in diesem Umfang begeht. Dabei erfasst die gesetzliche Regelfallbeschreibung auch die Fallgestaltung, dass der Betroffene beide Geschwindigkeitsüberschreitungen innerhalb eines Jahres begeht, abgesehen davon, dass sich aus den Urteilsgründen ohnehin nur ergibt, dass der Betroffene die hier in Rede stehende Ordnungswidrigkeit innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft des Bußgeldbescheides des Kreises Herford vom 09.02.2004 begangen hat, da die Tatzeit des Verstoßes, die dem vorgenannten Bußgeldbescheid zugrunde liegt, nicht mitgeteilt wird.

Die Erwägungen des Amtsgerichts zu den beiden von dem Betroffenen begangenen Geschwindigkeitsüberschreitungen rechtfertigen daher zwar die Annahme eines beharrlichen Verstoßes i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 StVG. Die Ablehnung eines Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbotes wegen besonderer Härte kann jedoch auf die diese Erwägungen, aus denen sich lediglich das vorliegender Voraussetzungen für die Verhängung des Regelfahrverbotes gemäß § 4 Abs. 2 BKatV ergibt, nicht gestützt werden. Vielmehr hätte das Amtsgericht sich mit der Einlassung des Betroffenen auseinandersetzen und prüfen müssen, ob die Verhängung des Regelfahrverbotes angemessen ist oder dessen Folgen den Betroffenen möglicherweise unzumutbar belasten. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils im gesamten Rechtsfolgenausspruch, da zwischen Geldbuße und Fahrverbot eine Wechselwirkung besteht. Eine eigene Sachentscheidung des Senats gemäß § 79 Abs. 6 OWiG kommt nicht in Betracht, da unter Berücksichtigung der in den Urteilsgründen wiedergegebenen Einlassung des Betroffenen, er sei zwingend auf seinen Führerschein angewiesen und habe bei der Verhängung eines Fahrverbotes berufliche Nachteile zu befürchten, ein Ausnahmefall, der ein Absehen von dem Regelfahrverbot rechtfertigen könnte, nicht völlig ausgeschlossen werden kann und die bisherigen Feststellungen des Amtsgerichts, da jegliche Auseinandersetzung mit der Einlassung des Betroffenen fehlt, keine abschließende Entscheidung ermöglichen.


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