Aktenzeichen: 3 Ss 410/05 OLG Hamm
Leitsatz: Der Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlunmg kann nur auf neue Tatsachen, die dem Berufungsgericht bei seiner Verwerfungsentscheidung noch nich bekannt waren, gestützt werden.
Senat: 3
Gegenstand: Revision
Stichworte: Berufungsverwerfung; Wiedereinsetzung; neue Tatsachen; Revisionsbegründung; Anforderungen
Normen: StPO 329; StPO 344
Beschluss: Strafsache
gegen A.A.
wegen Betruges
Auf die sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 11.08.2005 sowie auf ihre Revision gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 03.05.2005 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 22. 09. 2005 durch den Richter am Oberlandesgericht , die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung und auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
1. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 03.05.2005 wird auf ihre Kosten, § 473 Abs. 1 StPO, als unzulässig verworfen.
2. Die sofortige Beschwerde der Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Bielefeld vom 11.08.2005 wird ebenfalls auf ihre Kosten, § 473 Abs. 1 StPO als unbegründet verworfen.
Gründe:
Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 15.09.2005 zu der sofortigen Beschwerde sowie zu der Revision der Angeklagten Folgendes ausgeführt:
"I.
Das Amtsgericht Herford hat die Angeklagte mit Urteil vom 20.12.2004
(Bl. 66-73 d.A.) wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Hiergegen hat die Angeklagte Berufung eingelegt (Bl. 64 d.A.). Mit Verfügung vom 08.04.2005 (Bl. 89 d.A.) hat der Vorsitzende der 11. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld das persönliche Erscheinen der Angeklagten angeordnet. Mit Verfügung vom 14.04.2005 ist die Angeklagte umgeladen (Bl. 94 d.A.) und auf die in der früheren Ladung enthaltenen Belehrung hingewiesen worden (Bl. 95 d.A.). Die Ladung der Angeklagten ist durch Übergabe des Schriftstückes in den zu der Wohnung gehörenden Briefkasten bewirkt worden (Bl. 100 R d.A.).
Die Angeklagte hat sich am 29.04.2005 fernmündlich bei dem Landgericht Bielefeld gemeldet und mitgeteilt, dass sie zu dem Hauptverhandlungstermin am 03.05.2005 nicht erscheinen werde, vielmehr am 02.05.2005 einen Arzt aufsuchen und sich ein Attest über ihre Verhandlungsunfähigkeit ausstellen lassen werde (Bl. 105 d.A.). Die Angeklagte hat unter dem 02.05.2005 die Ablichtung eines Attestes übersandt, welches von Dr. med. Eckhard E. gezeichnet und am 29.04.2005 ausgestellt worden war und folgenden Inhalt gehabt hat: "Hiermit wird ärztlicherseits Frau Anke Anders bescheinigt, dass sie aufgrund einer akuten Kreislauferkrankung den anstehenden Gerichtstermin am 03.05.2005 nicht wahrnehmen kann". (Bl. 156 d.A.).
Der Vorsitzende der 11. kleinen Strafkammer des Landgerichts Bielefeld hat daraufhin am 03.05.2005 mit dem Aussteller Dr. E. fernmündlich Rücksprache genommen, welcher ihm bestätigt hat, dass sich die Angeklagte am 29.04.2005 wegen Bluthochdrucks in seiner ärztlichen Behandlung befunden habe, er ihr jedoch ein Medikament verordnet habe, welches bei Einnahme den Bluthochdruck derart abgesenkt hätte, dass die Angeklagte den Termin am 03.05.2005 hätte wahrnehmen können (Bl. 156 d.A.).
Die Angeklagte ist der Hauptverhandlung am 03.05.2005 ferngeblieben
(Bl. 107-110 d.A.).
Das Landgericht Bielefeld hat die Berufung der Angeklagten mit Urteil vom 03.05.2005 verworfen (Bl. 111-113 d.A.). Gegen dieses, dem Verteidiger der Angeklagten am 31.05.2005 (Bl. 126 d.A.) zugestellte Urteil, hat dieser mit Schriftsatz vom 31.05.2005, eingehend beim Landgericht Bielefeld am selben Tag, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und hilfsweise Revision eingelegt (Bl. 127-129 d.A.).
Nachdem das Landgericht Bielefeld mit Schreiben vom 02.06.2005 bei dem behandelnden Arzt Dr. E. um Stellungnahme zur Verhandlungs- und Reisefähigkeit der Angeklagten ersucht hat (Bl. 133-134 d.A.), hat dieser mit Schreiben vom 13.07.2005 ausgeführt, dass er die Aussage seines Attestes vom 29.04.2005 bestätige und ein weiterer Praxisbesuch der Angeklagten am 02.05.2005 zur Abnahme von Blut notwendig gewesen sei (Bl. 138 d.A.).
Das Landgericht Bielefeld hat mit Beschluss vom 11.08.2005 das Wiedereinsetzungsgesuch der Angeklagten verworfen (Bl. 140-145 d.A., Leseabschrift Bl. 146-151 d.A.). Gegen diesen, dem Verteidiger der Angeklagten am 23.08.2005 zugestellten Beschluss (Bl. 153 d.A.) richtet sich die sofortige Beschwerde der Angeklagten vom 24.08.2005, diese eingehend beim Landgericht Bielefeld am 29.08.2005 (Bl. 154-156 d.A.).
Die gem. § 329 Abs. 3, § 46 Abs. 3 StPO statthafte und fristgerecht eingelegte (§ 311 Abs. 2 StPO) sofortige Beschwerde ist nicht begründet.
Das Fernbleiben der Angeklagten im Hauptverhandlungstermin vom 03.05.2005 ist nicht entschuldigt. Zu Recht hat die Strafkammer den Wiedereinsetzungsantrag der Angeklagten verworfen, da diese mit Antragstellung keine neuen Tatsachen zur Entschuldigung ihres Ausbleibens in der Hauptverhandlung vorgetragen hat (zu vergl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 329 Rdz. 42 m. w. N.). Gemäß § 329 Abs. 3 StPO konnte die Angeklagte binnen einer Woche nach Zustellung des Urteils die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den in § 44 und 45 StPO bezeichneten Voraussetzungen beanspruchen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrages waren gem. § 45 Abs. 2 S. 1 StPO bei Antragstellung vorzutragen (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 06.04.1999 - 4 Ws 94/99 -).
In der Antragsschrift vom 31.05.2005 hat die Angeklagte jedoch keine neuen, der Strafkammer bis dahin nicht bekannten Tatsachen zur Entschuldigung ihres Ausbleibens vorgetragen. Die Angeklagte hat sich lediglich mit der Urteilsbegründung auseinandergesetzt, jedoch weder mitgeteilt, unter welchen konkreten Krankheit sie am Terminstag litt, noch dargelegt, welche Beschwerden sie am Erscheinen in der Hauptverhandlung hinderten. Diese Ausführungen hätten insbesondere vor dem Hintergrund erfolgen müssen, dass sich die Angeklagte nach der im Freibeweisverfahren zulässigerweise eingeholten Auskunft des Dr. E. bereits am 29.04.2005 in ärztliche Behandlung begeben hat und ihr wegen ihres Bluthochdrucks ein Medikament verordnet worden ist, welches geeignet war, den Bluthochdruck zu senken. Dass der weitere Arztbesuch am 02.05.2005 dazu diente, eine bis dahin noch bestehende Krankheit in Form des Bluthochdruckes zu behandeln, hat die Angeklagte gerade nicht vorgetragen. Insbesondere führt die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 29.04. bis zum 04.05.2005 (Bl. 130 d.A.) vor dem Hintergrund der Auskunft des die Bescheinigung ausstellenden behandelnden Mediziners Dr. E. zu keiner anderen Beurteilung. Diese Vorlage reicht nicht aus, die Angaben der Angeklagten, sie habe zur Berufungshauptverhandlung ohne Verschulden nicht erscheinen können, hinreichend wahrscheinlich und damit glaubhaft erscheinen zu lassen (zu vergl. OLG Hamm, Beschluss vom 23.10.2001 - 5 Ws 373/01 -). Darüber hinaus ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht geeignet, eine Verhandlungsunfähigkeit zu beweisen (zu vergl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 329 Rdz. 19).
Soweit die Angeklagte "hilfsweise" Revision eingelegt hat, kann dahingestellt bleiben, ob insoweit überhaupt eine wirksame Revisionseinlegung erfolgt ist (zu vergl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 341 Rdz. 1, § 329 Rdz. 46 m.w.N.). Jedenfalls erweist sich die Revision als unzulässig, da die Vorschriften über die Anbringung der Revisionsanträge nicht hinreichend beachtet worden sind. Wird das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren angefochten, müssen in der Revisionsbegründung die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden (§ 344 Abs. 2 S. 2 StPO). Allgemein gilt der Satz, dass die Mitteilung der den Verfahrensverstoß begründenden Tatsachen so vollständig und genau sein muss, dass das Revisionsgericht aufgrund der Rechtfertigungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen werden (zu vergl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 344 Rdnr. 24 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Angeklagten nicht. Soweit die Angeklagte mit der Revision die Verletzung des § 329 StPO geltend macht, müssen, um dem Revisionsgericht eine dahingehende Prüfung zu ermöglichen, gem. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO diejenigen Tatsachen vorgetragen werden, aus denen sich ergibt, dass das Berufungsgericht seine Aufklärungspflicht verletzt und daher seine Entscheidung nicht alle in diesem Zeitpunkt erkennbaren Entschuldigungsgründe zugrunde gelegt hat (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 07.04.1994 - 2 Ss 361/94 -). Es ist somit Sache des Revisionsführers, solche Umstände vorzutragen, aus denen sich ergeben hätte, dass sich das Berufungsgericht mit Entschuldigungsgründen nicht auseinandergesetzt hat, obwohl ihm solche bekannt gewesen sind oder hätten bekannt sein müssen (zu vergl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 329 Rdz. 48). Die Schilderung der Angeklagten erschöpft sich vielmehr in einer Auseinandersetzung mit den Äußerungen des informatorisch angehörten Dr. E.. Damit fehlt es an einer schlüssigen Darlegung eines Verstoßes gegen § 329 StPO. Die - soweit überhaupt - erhobene Verfahrensrüge ist deshalb unzulässig.
Die Sachrüge, mit der das Bestehen eines Verfahrenshindernisses geltend gemacht werden kann, wurde nicht erhoben (zu vergl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 329 Rdz. 49)."
Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an und macht sie zur Grundlage seiner Entscheidung.
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