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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ss OWi 355/05 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Zur Unterbrechung der Verjährung, wenn dem vom Betroffenen bevollmächtigten Rechtsanwalt Akteneinsicht gewährt wird.
2. Für die Annahme eines Geständnisses des Betroffenen im technischen Sinne reicht es nicht aus, wenn der Betroffene das Messergebnis lediglich nicht in Zweifel gezogen hat.

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Akteneinsicht; Gewährung; Vorlage der Vollmacht; Bekanntgabe der Einleitung des Verfahrens; Geständnis;

Normen: OWiG 33; StPO 267

Beschluss: Bußgeldsache
gegen D.S.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendgericht - Herford vom 08.03.2005 hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27. 09. 2005 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß § 80 a Abs. 1 OWiG nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Herford zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Der Betroffene ist durch Urteil des Amtsgerichts Herford vom 08.03.2005 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 45 km/h zu einer Geldbuße von 100,- € verurteilt worden. Außerdem wurde gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot verhängt und angeordnet, dass dieses erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt; spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Nach den getroffenen Feststellungen überschritt der Betroffene am 06.07.2004 gegen 14.08 Uhr mit dem von ihm geführten PKW Opel auf der BAB 30 in Löhne in Fahrtrichtung Osnabrück bei Kilometerstein 125,245 die dort durch Zeichen 274 angeordnete zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um mindestens 45 km/h. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mit einem Messgerät vom Typ "Multanova MU VR 6 F".

Seine Überzeugung davon, dass der Betroffene die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung begangen habe, hat der Amtsrichter wie folgt begründet:

"Die unter II. getroffenen Feststellungen zum Sachverhalt beruhen auf der geständigen Einlassung des Betroffenen. Er hat insbesondere die Ordnungsgemäßheit der durchgeführten Geschwindigkeitsmessung und die Richtigkeit des Messergebnisses ausdrücklich nicht in Zweifel gezogen."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der eine Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt wird.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat in der Sache zunächst vorläufigen Erfolg.

1. Eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 206 a StPO i.V.m. § 46 OWiG wegen Vorliegens des Verfahrenshindernisses des Eintritts der Verfolgungsverjährung kommt vorliegend allerdings nicht in Betracht. Denn entgegen der Ansicht der Verteidigung war die Verfolgung der dem Betroffenen vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit vom 06.07.2004 zum Zeitpunkt des Erlasses des Bußgeldbescheides des Kreises Herford am 07.10.2004 noch nicht verjährt. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob der an den Betroffenen persönlich gerichtete Anhörungsbogen vom 15.07.2004 für diesen hinreichend deutlich erkennen ließ, dass sich das Verfahren primär gegen ihn als Betroffenen richtete, weil die darin befindliche Anrede lautet: "Ihnen bzw. dem/der Führer/Führerin ihres Kraftfahrzeuges wird vorgeworfen ...", und der Anhörungsbogen außerdem für den Fall, dass der Angesprochene die Ordnungswidrigkeit nicht begangen haben sollte, eine Zeugenbelehrung erteilt. Denn die Verjährung ist im vorliegenden Verfahren jedenfalls durch die Übersendung der Akten an den Verteidiger des Betroffenen zur Einsichtnahme gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen worden. In dieser Übersendung lag die Bekanntgabe an den Betroffenen, dass gegen ihn ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden ist. Der Verteidiger des Betroffenen war auch bevollmächtigt, Mitteilungen für den Betroffenen entgegenzunehmen. Denn Rechtsanwalt K. hatte sich mit Schreiben vom 26.07.2004 bei dem Kreis Herford unter Angabe des in dem Anhörungsschreiben aufgeführten Aktenzeichens gemeldet und angezeigt, dass er in der vorbezeichneten Angelegenheit den Betroffenen vertrete. Diesem Schreiben war eine von dem Betroffenen unterzeichnete Vollmacht vom 23.07.2004 beigefügt, und zwar eine Vollmacht zur außergerichtlichen Vertretung in Sachen des Betroffenen wegen der Verkehrsordnungswidrigkeit vom 06.07.2004. Außerdem war in dieser Vollmachtsurkunde u.a. ausgeführt, dass die Vollmacht insbesondere zur Akteneinsicht ermächtigt. Mit Schriftsatz vom 06.07.2004 hatte der Verteidiger ausdrücklich namens und in Vollmacht seines Mandanten um Akteneinsicht gebeten. Die Bekanntgabe der Einleitung des Verfahrens konnte daher auch im Wege der Aktenübersendung an den damals zur außergerichtlichen Vertretung bevollmächtigten Verteidiger des Betroffenen erfolgen. Diese Art der Bekanntgabe an den Betroffenen, dass gegen ihn ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden ist, ist im Übrigen nicht an eine bestimmte Form oder einen bestimmten Inhalt gebunden; es muss für den Betroffenen lediglich ersichtlich sein, dass und wegen welcher Handlungen gegen ihn Ermittlungen geführt werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 13.07.1988 - 2 Ss OWi 466/88 - m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Die Bußgeldbehörde hat unter dem 20.09.2004 - und damit vor Eintritt der Verfolgungsverjährung - die Übersendung der Akten an die damaligen außergerichtlichen Vertreter und jetzigen Verteidiger des Betroffenen verfügt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich in den Akten bereits der von dem Verteidiger des Betroffenen zurückgesandte Anhörungsbogen vom 15.07.2004, aus dem sich die dem Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit ergab, die den Betroffenen darstellenden Lichtbilder, das Schreiben des Kreises Herford vom 27.07.2004 an das Einwohnermeldeamt der Stadt Enger mit der Bitte um Übersendung einer Kopie des Personalausweises bzw. des Reisepasses des ausdrücklich als solchen bezeichneten Betroffenen sowie das durch das Einwohnermeldeamt an die Bußgeldbehörde übersandte Ausweisfoto des Betroffenen. Darüber hinaus heißt es in dem Anschreiben der Bußgeldbehörde vom 20.04.2004 an die Verteidiger des Betroffenen:
"Betr.: Verkehrsordnungswidrigkeit(en);
hier: Einsicht in die Akte des Betroffenen D.S.".

Angesichts dessen sowie unter Berücksichtigung des vorgenannten Akteninhalts war zweifelsfrei erkennbar, dass sich das Ermittlungsverfahren wegen der im Anhörungsbogen beschriebenen Verkehrsordnungswidrigkeit gegen den Betroffenen als Täter richtete.

In der Folgezeit ist die Verfolgungsverjährung durch den Erlass des Bußgeldbescheides vom 07.10.2004 gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG unterbrochen worden. Die Zustellung des Bußgeldbescheides an die damals von dem Betroffenen bevollmächtigten Rechtsanwälte der Anwaltssozietät G. und. L. in B. am 21.07.2004 ist wirksam erfolgt. Gemäß §§ 8 Abs. 1 VwZG, 1 Abs. 1 LZG NRW, können Zustellungen an den allgemein oder für bestimmte Angelegenheiten bestellten Vertreter gerichtet werden. Sie sind an ihn zu richten, wenn er schriftliche Vollmacht vorgelegt hat. Die von dem Betroffenen beauftragten Rechtsanwälte waren zur außergerichtlichen Vertretung des Betroffenen in dem Verfahren wegen der Verkehrsordnungswidrigkeit vom 06.07.2004 bevollmächtigt worden. Bestellt jemand im Verwaltungsverfahren einen Bevollmächtigten, dann ermächtigt er diesen in der Regel zugleich offiziell, Zustellungen in Empfang zu nehmen. Weil der Vollmachtsgeber grundsätzlich nicht persönlich erscheinen will, sollen Zustellungen auch nicht an ihn gerichtet werden (vgl. Sadler, Verwaltungszustellungsgesetz, 5. Aufl., § 8, Rdnr. 6). Dies gilt erst recht, wenn, wie es hier der Fall ist, wegen der erforderlichen Sachkunde zur Regelung der Angelegenheit Rechtsanwälte beauftragt werden. Im vorliegenden Falle kommt hinzu, dass nicht der Betroffene selbst, sondern in seinem Auftrag die von ihm bevollmächtigten Rechtsanwälte den von den Betroffenen ausgefüllten Anhörungsbogen an die Bußgeldbehörde zurückgesandt haben und dass der Betroffene in dem Anhörungsbogen selbst ausführt, dass eine Stellungnahme zur Sache nach Akteneinsicht durch Rechtsanwalt Kröhnert erfolgen werde. Auch diese Umstände sprechen dafür, dass der Betroffene durch seine Bevollmächtigung die außergerichtliche Regelung der hier in Rede stehenden Verkehrsordnungswidrigkeit insgesamt auf die von ihm bevollmächtigten Rechtsanwälte übertragen wollte und diese deshalb auch zustellungsbevollmächtigt sein sollten. Eine andere Beurteilung ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil die in der Vollmachtsurkunde erteilte Aufstellung von Befugnissen der bevollmächtigten Rechtsanwälte eine Zustellungsvollmacht nicht ausdrücklich erwähnt. Denn die vorgenannte Aufstellung wird in der Vollmachtsurkunde mit den Worten: "Die Vollmacht ermächtigt insbesondere," eingeleitet und ist damit ersichtlich nicht abschließend.

2. Das angefochtene Urteil war aber aufzuheben, da es einer materiell-rechtlichen Überprüfung nicht Stand hält.

An die Urteilsgründe in Bußgeldsachen sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Sie müssen aber so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung der richtigen Rechtsanwendung ermöglicht wird. Hinsichtlich der Beweiswürdigung müssen die Urteilsgründe in der Regel auch erkennen lassen, auf welche Tatsachen das Gericht seine Überzeugung gestützt hat, wie sich der Betroffene eingelassen hat und ob sowie ggf. aus welchen Gründen das Gericht dieser Einlassung folgt und ob und inwieweit es eine Einlassung als widerlegt ansieht (vgl. Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 71 Rdnr. 42, 43 m.w.N.).

Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht. Die Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung kann zwar auf ein uneingeschränktes, glaubhaftes Geständnis des Betroffenen gestützt werden (vgl. BGH, NJW 1993, 3081). Aus den Urteilsgründen lässt sich aber nicht hinreichend sicher entnehmen, dass der Betroffene im vorliegenden Verfahren ein entsprechendes Geständnis abgegeben hat, da seine Einlassung nicht vollständig mitgeteilt wird. Es wird lediglich angegeben, dass er insbesondere die Ordnungsgemäßheit der durchgeführten Geschwindigkeitsmessung und die Richtigkeit des Messergebnisses ausdrücklich nicht in Zweifel gezogen habe. Danach hat der Betroffene das ihm vorgeworfene Fehlverhalten nicht in vollem Umfang eingeräumt. Denn dafür reicht es nicht aus, dass er das Messergebnis nicht in Zweifel gezogen hat. Ebensowenig lässt sich aus den Urteilsgründen entnehmen, dass der Betroffene seine Fahrereigenschaft eingeräumt hat. Liegt aber kein uneingeschränktes glaubhaftes Geständnis des Betroffenen vor, so muss das angefochtene Urteil erkennen lassen, aufgrund welcher Beweismittel der Tatrichter den Betroffenen als der ihm zur Last gelegten Tat überführt angesehen hat.

Darüber hinaus bedarf es bei einer Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung, wenn ein Geständnis im o.g. Sinne des Betroffenen nicht vorliegt, nicht nur der Angabe der gemessenen Geschwindigkeit und des angewandten Messverfahrens, sondern darüber hinaus auch der Mitteilung des berücksichtigten Toleranzwertes, um dem Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung zu ermöglichen (vgl. NJW 1993, 3081, 3083). Auch diese Angaben lässt das angefochtene Urteil vermissen.

Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Herford zurückzuverweisen.


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