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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 2 Ss 330/05 OLG Hamm

Leitsatz: Zum erforderlichen Umfang der Ausführungen in der tatrichterlichen Entscheidung hinsichtlich der Frage der Unterbringung des Angeklagten

Senat: 2

Gegenstand: Revision

Stichworte: Unterbringung; Voraussetzungen; Erörterungen im Urteil;

Normen: StGB 64; StPO 267

Beschluss: Strafsache
gegen L.A:
wegen vorsätzlicher Körperverletzung.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der zweiten kleinen Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 23. März 2005 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 19. 09. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gem. § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hagen zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Revision verworfen.

Gründe:
I.
Der Angeklagte ist vom Amtsgericht Wetter wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil als unbegründet verworfen. Hiergegen richtet sich nunmehr die Revision des Angeklagten.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben.

II.
Die Revision des Angeklagten ist zulässig und hat auch teilweise Erfolg, da die Überprüfung des angefochtenen Urteils Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten aufweist.

1. Die auf die erhobene Sachrüge gebotene materiell-rechtliche Nachprüfung des Urteils lässt im Hinblick auf den Schuldspruch Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen. Die tatrichterlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung und sind frei von Widersprüchen, Lücken, Unklarheiten und Verstößen gegen die Denkgesetze. Insoweit ist die Revision entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen worden.

2. Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs hat jedoch Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, die - ebenfalls entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft - zur Aufhebung und zur Zurückverweisung führen. Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihren Antrag wie folgt begründet:

„Allerdings begegnet der Rechtsfolgenausspruch rechtlichen Bedenken.
Die Strafkammer hat im Rahmen der Rechtsfolgenbemessung nicht die naheliegende Frage erörtert, ob der Angeklagte gemäß § 64 StGB in einer Entziehungsanstalt unterzubringen ist. Da die Verhängung von Freiheitsstrafe und die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bei der Beurteilung der Rechtsfolgen Wechselwirkung entfalten und nach Lage des Falles nicht auszuschließen ist, dass bei Anordnung der Unterbringung auf eine noch geringere Strafe erkannt worden wäre, ist der Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufzuheben. Die Tatsache, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht einer etwaigen Nachholung der Unterbringung nicht entgegen (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO; BGHSt 37, 5). Der Revisionsführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Strafgericht von seinem Rechtsmittelangriff nicht ausgenommen.

Hat ein Täter den Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen und wird er wegen auf den Hang zurückzuführender rechtswidriger Taten verurteilt, so muss das Gericht nach § 64 Abs. 1 StGB die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass er auch in Zukunft infolge seines Hanges rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung darf nur unterbleiben, wenn eine Entziehungskur von vornherein aussichtslos erscheint (§ 64 Abs. 2 StGB). Ob von der Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu Recht abgesehen worden ist, kann vom Revisionsgericht auf die Sachrüge hin überprüft werden, auch wenn wie hier nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (zu vgl. BGHSt 37, 5). Anlass hierfür wird allerdings nur dann bestehen, wenn es nach den Urteilsfeststellungen nahe liegt, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringungsanordnung gegeben sind, sich eine Prüfung für den Tatrichter daher aufdrängen musste (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 13.05.2003 4 Ss 316/03). So liegt es hier. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte seit vielen Jahren alkoholabhängig ist und bereits im Alter von 17 Jahren damit begonnen hat, regelmäßig in größeren Mengen Alkohol zu konsumieren. Hieraus habe sich schon nach kürzerer Zeit eine auch heute noch fortbestehende Suchterkrankung entwickelt.

Auch bei der dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden Straftat hat der Angeklagte unter nicht unerheblichem Alkoholeinfluss gestanden. Die Kammer hat festgestellt, dass die vom Angeklagten bisher begangenen Taten der Körperverletzung wie dieser selbst in der Berufungshauptverhandlung eingeräumt habe weitaus überwiegend im Zusammenhang mit seiner Alkoholabhängigkeit standen. Ungeachtet der Erklärung des Angeklagten, therapiewillig zu sein, hat die Kammer keine günstige Prognose für ein zukünftiges straffreies Leben erkannt und deshalb eine Strafaussetzung zur Bewährung abgelehnt.
Angesichts dieser Feststellungen hätte die Strafkammer nach Anhörung eines Sachverständigen prüfen müssen, ob die Gefahr besteht, dass der Angeklagte infolge seiner Abhängigkeit erneut rechtswidrige Taten begehen wird und ob dem durch eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt begegnet werden kann. Eine Entziehungskur erscheint auch nicht deshalb aussichtslos, weil die Strafkammer festgestellt hat, der Angeklagte habe sich bislang nicht ernsthaft um die Durchführung einer Therapie bemüht. Denn der Angeklagte hat ausweislich der Feststellungen in der Berufungshauptverhandlung angegeben, eine Alkoholentwöhnungstherapie durchführen zu wollen. Über die Frage der Unterbringung muss daher entschieden werden. Da nicht auszuschließen ist, dass die zuerkannte Strafe niedriger ausgefallen wäre, wenn zugleich die Unterbringung angeordnet wäre, kann auch der Strafausspruch keinen Bestand haben.“

Diesen überzeugenden Ausführungen tritt der Senat bei und weist zusätzlich auf Folgendes hin:

Für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt kommt es nicht darauf an, dass zumindest verminderte Schuldfähigkeit des Täters gemäß § 21 StGB feststeht. Ebenso wenig ist es für die Feststellung des Hangs erforderlich, dass eine chronische, auf körperlicher Sucht beruhende Abhängigkeit vorliegt. Es genügt vielmehr eine eingewurzelte, aufgrund psychischer Disposition bestehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel zu sich zu nehmen. Diese Neigung muss noch nicht den Grad einer psychischen Abhängigkeit erreicht haben (BGH, Beschluss vom 08. Oktober 2002 4 StR 383/02 in NStZ-RR 2003, 41).

Die Aufhebung und Zurückverweisung bedeutet nicht, dass der Angeklagte nach § 64 StGB untergebracht werden muss.

Das Landgericht wird bei der erneuten Prüfung der Rechtsfolgen und der Frage der Unterbringung nach § 64 StGB sich insbesondere mit den Voraussetzungen des § 64 StGB auseinander zusetzen haben. Insoweit ist von Bedeutung, dass § 64 StGB die Gefahr der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten voraussetzt. Ob diese Gefahr beim Angeklagten besteht, lässt sich nach den derzeit getroffenen Feststellungen zu den Vortaten nicht ausreichend sicher beurteilen, da das Landgericht zum jeweiligen Tatgeschehen keine Feststellungen getroffen hat. Diese lückenhaften Feststellungen machen es dem Senat unmöglich, die Frage der Unterbringung schon jetzt selbst abschließend zu beurteilen.

Im Rahmen der nach § 62 StGB zu berücksichtigenden Verhältnismäßigkeit wird das Landgericht den Umstand zu bewerten haben, dass der Angeklagte vorliegend nur zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden ist.


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