Aktenzeichen: 2 Ws 282/05 OLG Hamm
Leitsatz: Insbesondere die Notwendigkeit der ordnungsgemäßen Durchführung einer Hauptverhandlung kann im Ausnahmefall die kurzzeitige Überstellung eines vorläufig Untergebrachten in eine Justizvollzugsanstalt erfordern.
Senat: 2
Gegenstand: Beschwerde
Stichworte: einstweilige Unterbringung; Überstellung des Untergebrachten in eine Justizvollzugsanstalt; Ausnahme für die dauer der Hauptverhandlung
Normen: UVollzG 89
Beschluss: Strafsache
gegen S.M
wegen Betruges u.a.,
(hier: Beschwerde der Angeklagten gegen die Anordnung des Vorsitzenden der Strafkammer, sie für die Dauer der Hauptverhandlung in die Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen zu verlegen).
Auf die Beschwerde der Angeklagten vom 20. Oktober 2005 gegen den Beschluss des Vorsitzenden der Auswärtigen Strafkammer Recklinghausen des Landgerichts Bochum vom 17. Oktober 2005 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 03. 11. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Die Anordnung des Vorsitzenden der Großen Auswärtigen Strafkammer Recklinghausen des Landgerichts Bochum vom 17. Oktober 2005 wird in dem Umfang aufgehoben, soweit die Angeklagte über den 3. November 2005 hinaus in die Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen verlegt werden soll.
Gründe:
Der Angeklagten werden mehrere Betrugstaten im Zeitraum zwischen März und Juni 2004 zur Last gelegt. Das Landgericht - Große Auswärtige Strafkammer Recklinghausen - in Bochum hat das Hauptverfahren mit Beschluss vom 18. August 2005 eröffnet. Mit Verfügung vom selben Tag hat der Vorsitzende der Großen Strafkammer Recklinghausen des Landgerichts Bochum Hauptverhandlungstermine auf den 31. Oktober 2005 mit Fortsetzungsterminen am 2., 3. und 8. November 2005 anberaumt.
Die Angeklagte ist aufgrund des Unterbringungsbefehls des Amtsgerichts Recklinghausen vom 18. Januar 2005 - 26 Gs 19/05 - derzeit vorläufig untergebracht im Westfälischen Zentrum für Forensische Psychiatrie in Lippstadt. Der Vorsitzende hat mit Beschluss vom 17. Oktober 2005 angeordnet, dass die Angeklagte für die Dauer der Hauptverhandlung in die Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen verlegt wird. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Angeklagten vom 20. Oktober 2005, der der Vorsitzende der Strafkammer am 21. Oktober 2005 nicht abgeholfen hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt wie erkannt ist.
Die gemäß § 305 S. 2 StPO zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Die Generalstaatsanwaltschaft hat zu dem Rechtsmittel wie folgt Stellung genommen:
"Die im Hinblick auf § 63 StGB angeordnete einstweilige Unterbringung ist grundsätzlich in einem psychiatrischen Krankenhaus zu vollziehen; die Unterbringung in einer Justizvollzugsanstalt ist lediglich für die Dauer von 24 Stunden und nur dann zulässig, wenn eine sofortige Überführung in ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus nicht möglich ist, Nr. 89 UVollzO.
Das bedeutet aber nicht, dass nicht im Ausnahmefall aus besonderem Grund Abweichungen vom Regelvollzug in einem öffentlichen psychiatrischen Krankenhaus angeordnet werden dürfen. Insbesondere die Notwendigkeit der ordnungsgemäßen Durchführung einer Hauptverhandlung kann im Ausnahmefall die kurzzeitige Überstellung eines vorläufig Untergebrachten in eine Justizvollzugsanstalt erfordern (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.01.2005 - 4 Ws 41/05 -). Dabei ist jedoch die Wertung des Verordnungsgebers, wie sie sich aus Nr. 89 UVollzO ergibt, zu beachten.
Eröffnet daher die Terminierung einer mehrtägigen Hauptverhandlung die Möglichkeit, dass der einstweilig Untergebrachte 24 Stunden oder länger in der für ihn zuständigen oder in einer anderen zulässigen Anstalt, z.B. einem öffentlichen psychiatrischen Krankenhaus, verweilen kann, ist sein Transport zum Termin und sein Rücktransport in jedem Fall unter Ausnutzung aller denkbaren Mittel sicherzustellen. Eine Ausnahme von der Verpflichtung zum Rücktransport besteht in der Regel aber dann, wenn die Hauptverhandlung an unmittelbar aufeinander folgenden Tagen stattfindet (zu vgl. OLG Hamm a.a.O.).
Das bedeutet insbesondere unter Berücksichtigung des Feiertages am 01.11.2005, dass die Unterbringung der Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt Gelsenkirchen zur ordnungsgemäßen Durchführung der Hauptverhandlung bis zum 03.11.2005 rechtmäßig ist.
Anderes gilt für den Fortsetzungstermin am 08.11.2005. Angesichts der vier verhandlungsfreien Tage ist eine Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt mit dem in Nr. 89 UVollzO normierten Grundsatz nicht mehr in Einklang zu bringen.
Auf die Frage, ob die Diabetes der Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt behandelt werden kann, kommt es bei der Entscheidung nicht an."
Diesen Ausführungen tritt der Senat nach eigener Sachprüfung bei. Die Generalstaatsanwaltschaft hat ihrer Stellungnahme die Entscheidung des 4. Strafsenats des OLG Hamm vom 10. Januar 2005 (4 Ws 41/05, inzwischen veröffentlicht in StV 2005, 446 ff.) zugrunde gelegt. Um Wiederholungen zu vermeiden, tritt der Senat dieser Entscheidung bei und macht sich die Gründe des Beschlusses vom 10. Januar 2005 zu eigen.
Demgemäß war die Anordnung des Vorsitzenden, soweit sie über den 3. November 2005 hinausreicht, aufzuheben. Es ist Aufgabe des Vorsitzenden bzw. der Strafkammer, nunmehr zu entscheiden, wo die Unterbringung der Angeklagten über den 3. November 2005 bis zum nächsten Fortsetzungstermin am 8. November 2005 hinaus vollzogen werden soll. Dafür stehen grundsätzlich neben dem Westfälischen Zentrum für Psychiatrie in Lippstadt auch das Westfälische Zentrum für Psychiatrie und Psychotherapie, Herten, das nach Auskunft der Anstalt auch über eine geschlossene Abteilung verfügt, zur Verfügung. Ob das Westfälische Zentrum für Psychiatrie und Psychotherapie, Herten, aufnahmefähig ist, hat die Strafkammer, die über den Ort der Unterbringung zu entscheiden hat, abzuklären.
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