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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 1 Vollz (Ws) 167/05 OLG Hamm

Leitsatz: Zu den erforderlichen Anforderungen an die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer in einer Strafvollzugssache

Senat: 1

Gegenstand: Strafvollzugssache

Stichworte: Strafvollzugsache; Entscheidung der Strafvollstreckungskammer; Anforderungen; Begründung; Umfang

Normen: StVollzG 116; StVollzG 118; StVollzG 119

Beschluss: Strafvollzugssache
betreffend den Strafgefangenen K.G.
wegen Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Vollzugsbehörden,
(hier: Begleitausgang)

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 1. September 2005 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve vom 29. Juli 2005 hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 25. 10. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung des Präsidenten des Landesjustizvollzugsamtes Nordrhein-Westfalen beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Der Betroffene verbüßt derzeit eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes in der Justizvollzugsanstalt Geldern. Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG begehrt er die Verpflichtung des Leiters der Justizvollzugsanstalt Geldern, anzuordnen, dass er die Anstalt für eine bestimmte Tageszeit ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten in Begleitung einer Vertrauensperson verlassen darf (Begleitausgang). Die Strafvollstreckungskammer hat diesen Antrag mit Beschluss vom 29. Juli 2005 mit folgender Begründung zurückgewiesen:

"Der Antragsteller verbüßt wegen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe, zur Zeit in der Justizvollzugsanstalt Geldern.

Er begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners dahingehend, dass er die Anstalt für eine bestimmte Tageszeit ohne Aufsicht eines Vollzugsbediensteten in Begleitung einer Vertrauensperson verlassen darf (Begleitausgang). Sein Antrag wurde vom Leiter der Justizvollzugsanstalt und im Widerspruchsverfahren auch vom Präsidenten des Landesjustizvollzugsamtes Nordrhein-Westfalen in Wuppertal abgelehnt. Hiergegen richtet sich der Antrag des Strafgefangenen auf gerichtliche Entscheidung. Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 StVollzG (vgl. zum Ziel des Gesetzgebers, das eine weite Auslegung erfordert, Bundestags-Drucksache 15/2252 Seite 6) auf die bei den Gerichtsakten befindlichen Schriftstücke des Strafgefangenen (bzw. seines Verteidigers) vom 1. Juni 2005, 19. Juli 2005 und der Strafvollzugsbehörden vom 14. Juni 2005, 12. Mai 2005 (mit Anlagen) verwiesen.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 109 StVollzG zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Die Strafvollstreckungskammer sieht von einer Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 115 Abs. 1 Satz 4 StVollzG ab, da sie der Begründung der angefochtenen Entscheidung folgt.

Ergänzend ist zur Missbrauchsgefahr bei Vollzugslockerungen im Sinne des
§ 11 StVollzG zu bemerken: Bei Strafgefangenen, die Sexualstraftaten zum Nachteil von Kindern begangen haben, ist bei Lockerungen äußerste Vorsicht geboten. Hier ist - bedingt u.a. durch eine Grenzdebilität, pädophile Neigungen und Verhaltensstörungen - eine fortbestehende Gefahr von mehreren Fachleuten übereinstimmend bestätigt worden."

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Er ist der Auffassung, dass möglicherweise die an eine günstige Prognose i.S.d. §§ 57, 57 a StGB zu stellenden Anforderungen nicht erfüllt sind. Anders sei dies jedoch für die beantragte Vollzugslockerung zu beurteilen.

II.
Die Rechtsbeschwerde war zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen (§ 116 Abs. 1 StVollzG) und hat auch in der Sache - zumindest vorläufig - Erfolg. Der angefochtene Beschluss war aufzuheben und die Sache an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve zurückzuverweisen, denn der Beschluss leidet an einem durchgreifenden Mangel. Ihm ist nicht in der gebotenen Weise zu entnehmen, welchen Sachverhalt das Gericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.

Wie in den §§ 116 Abs. 2, 118 Abs. 2, 119 Abs. 2 StVollzG zum Ausdruck kommt, beschränkt sich die Prüfungskompetenz des Rechtsbeschwerdegerichts auf die Rechtskontrolle. Das Rechtsbeschwerdegericht ist somit keine zweite Tatsacheninstanz. Es hat den Sachverhalt zugrunde zu legen, den das Tatgericht, also die Strafvollstreckungskammer, als erste und letzte Tatsacheninstanz festgestellt hat. Dafür ist Grundvoraussetzung, dass die Strafvollstreckungskammer die entscheidungserheblichen Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte so vollständig wiedergibt, dass eine hinreichende Überprüfung des Beschlusses im Rechtsbeschwerdeverfahren möglich ist. Anderenfalls wäre das Rechtsbeschwerdegericht gezwungen, eigene Feststellungen zu treffen, um einen subsumierbaren Sachverhalt gewinnen zu können. Es würde damit gegen elementare Grundsätze des Rechtsbeschwerdeverfahrens verstoßen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 28. Juli 2005 - 1 Vollz (Ws) 124/05 -; OLG Celle, NStZ-RR 2005, 327; HansOLG, NStZ 2005, 592).

Diese Anforderungen sind auch durch das 7. Gesetz zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 930) über die Ergänzung des §115 Abs. 1 StVollzG nicht grundlegend geändert worden. Danach sollen die Strafvollstreckungskammern in ihrer Entscheidung nämlich auch weiterhin den Sach- und Streitstand seinem wesentlichen Inhalt nach in gedrängter Form zusammenstellen (§ 115 Abs. 3 S. 2 StVollzG n.F.). Denn nur dann ist für das Rechtsbeschwerdegericht in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass die Strafvollstreckungskammer eine eigene Überprüfung des Antragsvorbringens und der entgegenstehenden Entscheidung der Vollzugsbehörde vorgenommen hat. Allein wegen der Einzelheiten des zu beurteilenden Sachverhalts sollen die Gerichte zur Vermeidung unnötiger Schreibarbeit für Richter und Schreibkräfte (BT-Drucks. 15/4537 vom 16. Dezember 2004) auf die bei den Gerichtsakten befindlichen Schriftstücke, die genau zu bezeichnen sind, verweisen dürfen, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ergibt. Demgemäß muss nach wie vor unmissverständlich klargestellt werden, von welchen Feststellungen das Gericht bei seiner Entscheidung ausgegangen ist und welchen Parteivortrag es für relevant gehalten hat (vgl. OLG Hamm, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O.; HansOLG, a.a.O.). Darüber hinaus müssen die Entscheidungsgründe die Gründe wiedergeben, die für die richterliche Überzeugungsbildung zum Sachverhalt und für dessen rechtliche Beurteilung im Einzelnen maßgebend gewesen sind. Möglich ist zwar auch hier eine Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Entscheidungen, allerdings nur, soweit dadurch die Verständlichkeit der Darstellung und der Begründung aus sich heraus nicht in Frage gestellt wird (OLG Celle, a.a.O.).

Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Beschluss nicht.

Es fehlt an der gemäß § 115 Abs. 1 StVollzG n.F. geforderten gedrängten Zusammenstellung des Sach- und Streitstandes seinem wesentlichen Inhalt nach. Der Beschluss teilt lediglich das Begehren des Antragstellers, nämlich die Bewilligung eines Begleitausganges, mit. Es wird nicht mitgeteilt, mit welcher Begründung der Leiter der Justizvollzugsanstalt bzw. der Präsident des Landesjustizvollzugsamtes Nordrhein-Westfalen diesen Antrag abgelehnt haben und welche Einwendungen dagegen der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren vorgebracht hat. Dies hätte indes in gedrängter Form ausgeführt werden müssen, da nur dann für den Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren erkennbar wäre, welchen Sachverhalt die Strafvollstreckungskammer ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat. Lediglich bezüglich der Einzelheiten der ablehnenden Entscheidung bzw. des Vorbringens des Antragstellers darf sodann auf nach Herkunft und Datum genau bezeichnete Schriftstücke, die sich in der Akte befinden, Bezug genommen werden.

Angesichts der Tatsache, dass die Strafvollstreckungskammer die Begründung der Vollzugsbehörden für ihre ablehnende Entscheidung in dem Beschluss auch nicht in gedrängter Form wiedergegeben hat, durfte sie auch nicht gemäß § 115 Abs. 1 S. 4 StVollzG von der Darstellung der Entscheidungsgründe absehen. Da für das Rechtsbeschwerdegericht nicht erkennbar ist, welcher Begründung die Strafvollstreckungskammer gefolgt ist, kann auch nicht beurteilt werden, ob die Entscheidung rechtsfehlerfrei getroffen ist.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass es dem Beschluss an einer verständlichen Darlegung des Verfahrensgegenstandes mangelt, so dass dem Rechts-beschwerdegericht eine Überprüfung der Entscheidung verwehrt ist. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Kleve.


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